1259 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 2094/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Diziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Zivilrechts-Mediations-Gesetz und das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz geändert werden

Die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 19. November 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Zu Artikel 1 (Änderung des 1. COVID-19-Justizbegleitgesetzes)

Es wird vorgeschlagen, das Außerkrafttreten des 1. COVID-19-JuBG um sechs Monate zu verschieben. Denn solange Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz getroffen werden können, bleiben auch Auswirkungen auf den Gerichtsbetrieb möglich. Im Besonderen soll es für weitere sechs Monate möglich sein, bestimmte Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen unter Verwendung geeigneter Kommunikationsmittel zur Wort- oder Bildübertragung durchzuführen (§ 3 Abs. 1 und 4), im Fall der Einstellung der Tätigkeit eines Gerichts ein anderes zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen (§ 4) und besondere Vorkehrungen in Straf- und Strafvollzugssachen (§§ 9 und 10) zu treffen. Da auch § 3 bereits ein Ablaufdatum in sich trägt, aber die Möglichkeit, Verhandlungen über Videokonferenz abzuhalten, auch in Zukunft bedeutsam sein kann, soll dieses „Ablaufdatum“ ebenfalls um sechs Monate verlängert werden. Die Bestimmung des § 4, wonach bei Einstellung der Amtstätigkeit eines Gerichts Vorkehrungen getroffen werden können, ist auch in Zukunft bedeutsam, solange Gerichte von Betretungsverboten oder Ausgangsregelungen betroffen sein können.

Die Verlängerung hat indes keine Auswirkung auf die Unterbrechung und Hemmung von Fristen nach den §§ 1 und 2, weil diese Bestimmungen ausdrücklich nur Fristen bis zum Ablauf des 30. April 2020 betreffen. Dasselbe gilt für die §§ 5 und 6. Verlängert wird aber die Geltung des § 7 über die Unterhaltsvorschussgewährung.

Soweit sich die Verordnungsermächtigung in § 8 auf die Bestimmungen bezieht, die bereits „abgelaufen“ sind, läuft sie in Zukunft ins Leere. Bedeutsam bleibt aber die Anordnung, nach der die Bundesministerin für Justiz weitere Bestimmungen vorsehen kann, die den Einfluss der Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, auf den Lauf von Fristen und die Einhaltung von Terminen für anhängige oder noch anhängig zu machende gerichtliche Verfahren regeln. Die Verordnungsermächtigung nach § 8 Abs. 2 (besondere Formen oder Örtlichkeiten für die Einbringung von Eingaben an das Gericht und für Zustellungen durch die Gerichte) bleibt ebenfalls bedeutsam, soll aber nicht mehr an die Dauer von Einschränkungen der Bewegungsfreiheit geknüpft werden. Auch die Verordnungsermächtigungen nach § 9 – mit Ausnahme der bereits „abgelaufenen“ Z 3 – und § 10 bleiben wirksam, ebenso wie die Anordnung des § 11.

Zu Artikel 2 (Änderung des 2. COVID-19-Justizbegleitgesetzes)

Die Gebührenfreiheit der – mit der Änderung des 1.COVID-19-JuBG vorgeschlagenen – Unterhaltsvorschussgewährung soll ebenfalls verlängert werden.

Zu Artikel 3 (Änderung des COVID-19-GesG)

Zu Z 1 und 4 (§ 4 Abs. 2 und 8):

Damit Gesellschaften auch noch im ersten Halbjahr 2022 virtuelle Versammlungen durchführen können, soll die Geltung des § 1 COVID-19-GesG um sechs Monate verlängert werden. Daher soll diese Bestimmung erst mit Ablauf des 30. Juni 2022 außer Kraft treten, was zur besseren Nachvollziehbarkeit der mehrfachen Novellierung des § 4 nicht in dessen Abs. 2, sondern in einem neuen Abs. 8 angeordnet wird. Trotz Verlängerung sollen digitale Versammlungen weiterhin als eine Option für Gesellschaftsorgane begriffen werden, die ausschließlich durch die gegenwärtige pandemische Situation begründet ist und keinesfalls der generellen Diskussion um die Verankerung von virtuellen Versammlungen vorgreift. Analoge Versammlungen haben sich in der Vergangenheit bewährt, u.a. beim Schutz von Kleinanleger*innenrechten, und bleiben Ausgangspunkt für weitere potentielle Reformschritte.

Zu Z 2 und 3 (§ 4 Abs. 3):

Die Herausforderungen im Zuge der wirtschaftlichen Bewältigung der COVID-19-Pandemie beanspruchen den Berufsstand der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer weiterhin in großem Maß: Ein wesentlicher Teil der Ressourcen in den Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien wird auch aktuell noch durch die Bearbeitung von Anträgen und Bestätigungen im Rahmen von COVID-19-Förderungen gebunden. Um die besondere Zusatzbelastung abzufedern und die sorgfältige Erstellung von Jahresabschlüssen und anderen Unterlagen der Rechnungslegung zu ermöglichen, sollen die Aufstellungs- und Offenlegungsfristen erneut verlängert werden. Für eine Erstreckung des Aufstellungszeitraums spricht auch, dass aufgrund der verlängerten Antragsfristen und der längeren Bearbeitungsdauer die tatsächliche Höhe der gewährten Förderungen erst zu einem späteren Zeitpunkt feststeht und diese Beträge bei verlängerter Aufstellungsfrist noch eher im Jahresabschluss berücksichtigt werden können. Die vorgeschlagene Neufassung der Übergangsregelung des COVID-19-GesG sieht daher vor, dass die Aufstellungs- und die Einreichfrist für Unterlagen der Rechnungslegung, bei denen der Bilanzstichtag vor dem 1. Oktober 2022 liegt, weiterhin gemäß § 3a verlängert wird: die Aufstellungsfrist gemäß § 3a Abs. 1 um vier Monate auf insgesamt neun Monate und die Offenlegungsfrist gemäß § 3a Abs. 2 auf zwölf Monate.

Diese Regelung kann zwar erst mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Bundesgesetzblattes in Kraft treten, entfaltet dann aber Wirkungen auch für die Vergangenheit.

Neben der Verlängerung der Aufstellungs- und Offenlegungsfrist ist auch eine „Einschleifregelung“ vorgesehen. Diese Reglung soll den unbilligen Folgen eines fixen Stichtags entgegenwirken. Ansonsten gilt für einen Jahresabschluss mit Bilanzstichtag am letzten Tag der Frist (30. September 2021) die zwölfmonatige Offenlegungsfrist, während für einen Jahresabschluss mit einem Bilanzstichtag, der allenfalls nur einen Tag später liegt (zB 1. Oktober 2021), schlagartig die neunmonatige Frist gälte. Um diese Folgen zu vermeiden, sieht der vorgeschlagene dritte Satz des § 4 Abs. 3 vor, dass für Unternehmen mit Bilanzstichtag zwischen dem 30. September 2021 und dem 31. Jänner 2022 eine nur anteilige Fristverlängerung gilt, die sich auf fixe Stichtage bezieht. Für ein Unternehmen mit Bilanzstichtag am 30. September 2021 gilt letztmalig die maximale Verlängerung der Aufstellungsfrist (neun Monate) bis 30. Juni 2022 und die maximale Verlängerung der Offenlegungsfrist (zwölf Monate) bis 30. September 2022. Für ein Unternehmen mit Bilanzstichtag 31. Oktober 2021 verlängert sich die Aufstellungsfrist nur um drei Monate und endet ebenfalls am 30. Juni 2022; die Offenlegungsfrist verlängert sich auf elf Monate und endet am 30. September 2022. Unternehmen mit Bilanzstichtag 31. Dezember betrifft die Regelung nur noch in der Aufstellungsfrist: diese ist maximal bis 30. Juni 2022 verlängerbar und beträgt sechs statt fünf Monate; ihre Offenlegungsfrist endet aber gleichfalls am 30. September 2022, das ist die reguläre neunmonatige Frist.

Zu Art. 4 (Änderung der Rechtsanwaltsordnung)

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2020 wurden in der RAO zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer eine Briefwahl bzw. Briefabstimmung zur Erledigung der der Plenarversammlung zugewiesenen Aufgaben auch dann anordnen kann, wenn die Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer diese Möglichkeit bislang nicht oder nur eingeschränkt eröffnet. Darüber hinaus wurde eine Beschlussfassung durch den Ausschuss ermöglicht, dass die (im Fall der Briefwahl/Briefabstimmung an sich stets gebotene) Durchführung einer Plenarversammlung ausnahmsweise entfallen kann. Damit wird sichergestellt, dass die von den Plenarversammlungen zu besorgenden verschiedenen Aufgaben auch dann verlässlich und zeitgerecht erledigt werden können, wenn die Durchführung von Plenarversammlungen in Präsenz pandemiebedingt nicht bzw. nicht wie geplant möglich sein sollte. Das Außerkrafttreten dieser zusätzlichen Maßnahmen und Möglichkeiten wurde zuletzt mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/2021 vorerst bis zum 31. Dezember 2021 verlängert; es soll nunmehr nochmals – bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 – verlängert werden.

Zu Art. 5 (Änderung des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter)

Mit der Änderung des DSt durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2020 wurde klargestellt, dass die im Bereich der RAO vorübergehend eröffnete Möglichkeit der ausschließlichen Briefabstimmung auch für die Festsetzung bzw. Änderung der Geschäftsordnung des Disziplinarrats zur Verfügung steht. Ebenso wie in der RAO (siehe die Erläuterungen zu den dort vorgeschlagenen Änderungen) soll auch diese Vorkehrung bis zum 30. Juni 2022 verlängert werden.

Zu Artikel 6 (Änderung des Zivilrechts-Mediations-Gesetzes)

Im Zuge der Gesetzgebung anlässlich der Covid-19-Pandemie wurde im Artikel III des 8. Covid-19-Gesetzes § 20 ZivMediatG, der den eingetragenen Mediatoren eine Fortbildungsverpflichtung im Ausmaß von fünfzig Stunden alle fünf Jahre auferlegt, um einen zweiten Satz ergänzt, der wie folgt lautet: „Endet dieser Zeitraum vor dem 1. Jänner 2021, so wird er bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.“

In § 33, der die Übergangsbestimmungen regelt, wurde ein Absatz 6 angefügt, der wie folgt lautet: „§ 20 in der Fassung BGBl. I Nr. 30/2020 tritt mit 16. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2021 außer Kraft. Er ist in dieser Fassung auf Fristen anzuwenden, die bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung noch nicht abgelaufen sind.“ Irrtümlicher Weise ist also vom Außerkrafttreten der ganze § 20 und nicht nur dessen zweiter Satz erfasst worden. Damit die Fortbildungsverpflichtung auch nach dem 31. Dezember 2021 in Geltung bleibt, muss die Übergangsbestimmung berichtigt werden.

Zu Artikel 7 (Änderung des Zweiten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes)

Die Änderung der Anlage betrifft das Bundesgesetz vom 22. Mai 1969 über die Bestimmung der Kosten, die einem durch die Bezirksverwaltungsbehörde vertretenen Minderjährigen in gerichtlichen Verfahren zu ersetzen sind, BGBl. Nr. 190/1969. Dieses Gesetz sieht die gerichtliche Bestimmung von vom unterlegenen Prozessgegner zu ersetzenden Bauschbeträgen vor, wenn eine Bezirksverwaltungsbehörde als Kinder- und Jugendhilfeträger in Vertretung eines Kindes dessen Unterhaltsforderung hereinbringt. Es soll nicht – wie im Rahmen des zweiten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes geplant – bereits am 31. Dezember 2021, sondern erst zwei Jahre später außer Kraft treten, damit es im Rahmen der Reform des Kindesunterhaltsrechts an den aktuellen Rechtsbestand angepasst werden kann.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 7. Dezember 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer die Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Dr. Johannes Margreiter, Christian Lausch und Dr. Christian Stocker sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M..

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Mag. Agnes Sirkka Prammer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Derzeit können Mitgliederversammlungen von Vereinen unabhängig von dem nach § 5 Abs. 2 erster Satz VerG anfallenden Zeitpunkt bis zum Jahresende 2021 verschoben werden. Auch diese Möglichkeit soll bis zum 30. Juni 2022 verlängert werden. Bis zu diesem Datum soll auch weiterhin von gesellschaftsvertraglich festgelegten Fristen oder Terminen für die Durchführung bestimmter Versammlungen abgewichen werden können. Verlängert werden soll aber auch die Möglichkeit des Überschreitens der achtmonatigen Frist für die Durchführung von Haupt- bzw. Generalversammlungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften zulässig sein, weshalb auch § 2 Abs. 1 bis 3 entsprechend verlängert werden sollen.

Abhängig von der epidemiologischen Lage kann eine Einschränkung der persönlichen Kontakte geboten sein. So erhöht etwa die vor Kurzem aufgetauchte ‚Omikron-Variante‘ die Unsicherheit für die nächsten Monate. Damit Gesellschaften auch noch im ersten Halbjahr 2022 virtuelle Versammlungen durchführen können, soll die Geltung des § 1 COVID-19-GesG um sechs Monate verlängert werden. Virtuelle Versammlungen sind zum Zweck des § 1 nach den näheren Regeln der Verordnung nach § 1 Abs 2 zulässig. Eine Prüfung, welche Bestimmungen des COVID-GesG in welcher Form ins Dauerrecht überführt werden sollen, wird derzeit im Rahmen einer Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Justiz durchgeführt.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Mag. Agnes Sirkka Prammer mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, G; N, dagegen: F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 12 07

                    Mag. Agnes Sirkka Prammer                                          Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau