1785 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über den Antrag 2864/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 12. Oktober 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Zu Z 1 und 2 (§ 4 Abs. 5 und § 4e Abs. 5):

Hierbei handelt es sich um die Bereinigung eines legistischen Versehens.

Zu Z 3 bis 8 (§ 4g):

In der aktuellen Anwendungsempfehlung des Nationalen Impfgremiums für COVID-19-Impfungen (‚NIG‑Empfehlung‘) mit Stand 01.07.2022 wird die Vervollständigung der Grundimmunisierung für COVID-19 für immunkompetente Personen ab 5 Jahren ab 6 Monaten nach der 2. Impfung (Abschluss erste Impfserie) empfohlen. Dies stellt somit auch die aktuell gültige Impfempfehlung des Nationalen Impfgremiums dar.

Um diese Personen für die Vervollständigung der Grundimmunisierung zu sensibilisieren bzw. die Bereitschaft für die Impfung zu erhöhen, soll mit der vorgeschlagenen Bestimmung der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister als datenschutzrechtlich Verantwortlicher (Art. 4 Z 7 DSGVO) auf Basis des Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO ermächtigt werden, an diese Personen ein personalisiertes Erinnerungsschreiben auf dem Postweg zu versenden (Abs. 1). Der Versand von Erinnerungsschreiben knüpft an den Erfolg von Reminder- und Recall-Systemen zur Steigerung von Durchimpfungsraten an, der schon mehrfach wissenschaftlich bestätigt wurde (vgl. Jacobson Vann et al., Patient reminder and recall interventions to improve immunization rates, Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 1; Dini et al., The impact of computer-generated messages on childhood immunization coverage, American Journal of Preventive Medicine 2000, 18[2], 132-139; Shultz et al., A Systems Approach to Improving Tdap Immunization Within 5 Community-Based Family Practice Settings: Working Differently (and Better) by Transforming the Structure and Process of Care, American Journal of Public Health 2015, 105[10], 1990-1997). Dabei ist von einer stärkeren Wirkung personalisierter Erinnerungsschreiben im Vergleich zu nicht personalisierten Schreiben (Postwurfsendungen bzw. Flugblätter) auszugehen, weil personalisierte Erinnerungsschreiben in der Regel in größerer zeitlicher Nähe zum empfohlenen Impfzeitpunkt zugestellt werden. Die genannten Reminder- und Recall-Systeme werden regelmäßig als eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Impfversorgung beschrieben und gefordert (American Academy of Pediatrics, Immunization Reminder & Recall Systems aap.org/en-us/Documents/immunization_reminderrecall.pdf; Gesundheit Österreich GmbH, Quick Assessment: Maßnahmen zur Erhöhung der MMR-Durchimpfungsrate – Übersicht aus Literatur und Länderrecherchen 2013) sowie von der WHO ausdrücklich empfohlen. Zum aktuellen Zeitpunkt liegen keine Studien zur Effektivität von personalisierten Erinnerungsschreiben speziell für COVID-19-Impfungen vor, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass die Studienergebnisse betreffend andere Impfstoffe auch für die Impfungen gegen COVID-19 Relevanz aufweisen. Anhand der absoluten Impfzahlen lassen sich merkbare Zunahmen an Erst- und Folgeimpfungen in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Versendung von Erinnerungsschreiben feststellen, wobei diese Zahlen nicht im Rahmen von Studien ausgewertet wurden, weshalb sonstige Faktoren und vor allem Beweggründe für die Impfung nicht festgestellt werden können.

Der dynamische Verweis auf die jeweils gültigen Impfempfehlungen des Nationalen Impfgremiums ist notwendig, um auf Änderungen der Empfehlungen aufgrund des dynamischen Mutations-Geschehens von SARS-CoV-2 und des Wissenszuwachses im Zusammenhang mit Impfungen gegen COVID-19 zeitnah reagieren zu können und das Erinnerungsschreiben sowie den Adressatenkreis entsprechend anzupassen. Die Feststellung der jeweiligen und konkreten Betroffenheit von der Datenverarbeitung ist für sämtliche Personen jederzeit möglich, da die aktuell gültigen Impfempfehlungen des Nationalen Impfgremiums auf der Website des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministeriums jederzeit abrufbar sind. In Verbindung mit dem jederzeit möglichen Abruf eines Auszugs aus dem eImpfpass via www.gesundheit.gv.at sowie der Möglichkeit des Erhalts eines solchen Ausdrucks bei jeder ELGA-Ombudsstelle ist sichergestellt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger einfach, unkompliziert und kostenfrei feststellen kann, ob er oder sie von der gegenständlichen Verarbeitung betroffen ist.

Insbesondere zielt der dynamische Verweis primär nicht auf den Adressatenkreis, sondern auf die inhaltlichen Feststellungen der jeweils aktuell gültigen Impfempfehlungen des Nationalen Impfgremiums, insbesondere zur Anzahl der empfohlenen Dosen. Durch den dynamischen Verweis wird ebenso im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gewährleistet, dass so weit als möglich nur jene Personen ein Erinnerungsschreiben erhalten, für die aktuell die Vervollständigung der Grundimmunisierung gegen COVID-19 empfohlen wird. Nicht ausgeschlossen werden kann eine Zustellung an jene Personen, für die, wie etwa in der Frühschwangerschaft, auf Grund einer aktuellen Erkrankung an COVID‑19 oder sonstiger Kontraindikationen eine Impfung gegen COVID-19 temporär oder dauerhaft nicht empfohlen wird, da hierfür Verschneidungen mit anderen Datenbanken notwendig wären, wobei eine solche vor allem aufgrund des großteils nur temporären Ausschlusses von der Empfehlung nicht verhältnismäßig erscheint.

Die ELGA GmbH soll gemäß Abs. 2 verpflichtet werden, als Auftragsverarbeiterin des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers auf Basis der jeweils aktuell gültigen Impfempfehlungen des Nationalen Impfgremiums jene Personen zu eruieren, für die die Vervollständigung der Grundimmunisierung gegen COVID-19 empfohlen wird und diesen Personen ein Erinnerungsschreiben zu übermitteln. Zum Zwecke der Feststellung des Adressatenkreises hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister der ELGA GmbH die dafür notwendigen Anforderungen auf Grundlage der jeweils aktuell gültigen Impfempfehlungen des Nationalen Impfgremiums zu übermitteln, wodurch sich der Kreis der Adressaten verkleinern oder vergrößern kann, etwa bei Impfempfehlungen nur ab Erreichen einer gewissen Altersgrenze versus eine Empfehlung für alle impfbaren Personen. Einschränkungen auf Grundlage von Kontraindikationen können, wie bereits beschrieben, aufgrund der dafür notwendigen Registerverschneidungen zumindest nicht auf Grundlage dieses Bundesgesetzes vorgegeben werden.

Als Grundlage für die Ermittlung dieser Personen soll primär das zentrale Impfregister dienen, da in diesem gemäß § 4 Abs. 1 eHealth-Verordnung alle in Österreich verabreichten COVID-19-Impfungen einzutragen sind. Da im zentralen Impfregister keine Genesungsdaten gespeichert werden, sollen jene Personen, für die zwar grundsätzlich, aber aufgrund ihrer Genesung nicht zum Zeitpunkt des Erinnerungsschreibens die Vervollständigung der Grundimmunisierung empfohlen wird, ebenfalls über die Vervollständigung der Grundimmunisierung informiert werden. Um diese Personen auszufiltern, wäre eine Datenverschneidung mit dem Register anzeigepflichtiger Krankheiten (§ 4 EpiG) erforderlich, wodurch datenschutzrechtlich ein intensiverer Eingriff erfolgen würde, als diese Personen ebenfalls zu informieren, zumal auch für diese Personen die Vervollständigung der Grundimmunisierung – nach Ablauf einer gewissen Frist nach der Infektion – grundsätzlich empfohlen wird. Weiters ist vorgesehen, in die Erinnerungsschreiben auch Hinweise auf die aktuellen Impfempfehlungen im Falle einer rezenten Genesung aufzunehmen sowie auf weiterführende Informationsquellen zu Corona-Impfungen zu verweisen.

Als Grundlage für die Ermittlung der Personen- und Adressdaten der Betroffenen soll für beide Erinnerungsschreiben der Patientenindex (§ 18 GTelG 2012) herangezogen werden. Hierbei wird das bereichsspezifische Personenkennzeichen jener Personen aus dem eImpfpass ermittelt, welchen ein Erinnerungsschreiben zuzustellen ist, und sodann mit dem Patientenindex abgeglichen. Ziel dessen ist die Aufrechterhaltung einer möglichst hohen Datenqualität, da die im eImpfpass verspeicherten Adressdaten unverifiziert eingetragen werden können durch die Gesundheitsdiensteanbieter. Hierdurch wird sichergestellt, dass die aktuellsten, zur Verfügung stehenden verifizierten Adressdaten für die Versendung herangezogen werden, um Zustellungen an eine falsche Adresse so weit als möglich zu unterbinden.

Als geeignete Garantien zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG sieht Abs. 6 nicht nur ein Weiterverarbeitungsverbot zu anderen Zwecken als in diesem oder anderen Bundesgesetzen (GTelG 2012) vorgesehenen Zwecken und eine Protokollierungspflicht für die Zugriffe vor, sondern es soll gemäß Abs. 4 auch die im Rahmen des Grünen Passes benannte Stelle für Beschwerden und Informationen (§ 4b Abs. 8 2. Satz EpiG) rund um das Erinnerungsschreiben zuständig sein. Dadurch können sich die betroffenen Personen beispielsweise für Berichtigungen ihrer im zentralen Impfregister gespeicherten Daten nicht nur an den Gesundheitsdiensteanbieter wenden, der die Impfung gespeichert hat, sondern auch an die benannte Stelle, die die Art des Fehlers zu erheben und erforderlichenfalls seine Berichtigung zu veranlassen hat. Zusätzlich ermöglicht die Benennung dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister die Beauftragung zur Entgegennahme von Anfragen und Beschwerden in seinem Namen und seiner Verantwortung. Die Geltendmachung von Betroffenenrechte soll daher primär gegenüber dieser Stelle erfolgen, welche entsprechend in der Datenschutzinformation angeführt werden soll. Anfragen, welche dennoch direkt gegenüber dem Verantwortlichen geltend gemacht werden, gelten ebenso als fristwahrend eingebracht, weshalb die Betroffenenrechte hierdurch nicht geschmälert werden. Die rechtzeitige Übermittlung dieser Anfragen an die benannte Stelle obliegt dem Verantwortlichen.

Zu Z 9 (§ 50 Abs. 34):

Das Inkrafttreten wird mit dem der Kundmachung folgenden Tag festgelegt.“

 

Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am
7. November 2022 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneter Ralph Schallmeiner die Abgeordneten Mario Lindner, Dr. Werner Saxinger, MSc,
Mag. Julia Seidl, Dietmar Keck, Philip Kucher sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch und der Ausschussobmann Abgeordneter
Mag. Gerhard Kaniak.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2022 11 07

                             Ralph Schallmeiner                                                      Mag. Gerhard Kaniak

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann