125/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.11.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Vizekanzler und Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Ärztliche Versorgung in der Justizanstalt Wien-Simmering

 

Den unterfertigten Abgeordneten wurde zugetragen, dass die ärztliche Versorgung in der Justizanstalt Simmering fallweise äußerst problematisch ist. Aus diesen Gründen stellen wir die nachstehende Anfrage an den Herrn Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Wir weisen daraufhin, dass wir zur Wahrung der Würde und des Persönlichkeitsschutzes der Insassen nicht deren Klarnamen, sondern deren HNR (Häftlingsnummern), zum Zwecke der Überprüfung der uns zugetragenen Missstände bekanntgeben:

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Im Jänner 2018 verstarb ein Insasse auf der Abteilung 15, wobei hierzu kommuniziert wurde, dass dieser an einem Kollaps mit Herzstillstand verstarb (https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/Aufregung-um-toten-Haeftling-in-Wiener-Justizanstalt/318790625):

a.    Ist es richtig, dass der damalige "Stockchef" der Abteilung 15 seit diesem oder wegen dieses Vorfall(s) in den Innendienst versetzt wurde?

b.    Wenn ja, warum?

c.    Was ergab die Autopsie?

2.    Der Insasse mit der HNR 394 suchte den Anstaltsarzt Dr. K., der von den Insassen Dr. Mengele (sic!) genannt wird, mehrmals auf, um ihm seine Rückenbeschwerden zu schildern und bat ihn um Begutachtung. Dr. K. schickte den Insassen stets mit einer Salbe zum Einschmieren weg, ohne den Schmerzen auf den Grund zu gehen. Im Februar/März 2019 suchte der Insasse im Rahmen eines Freigangs seinen Hausarzt auf, der ihm nach Vornahme einiger Untersuchungen die Mitteilung machte, dass er Krebs im Endstadium hätte.

a.    Ist es richtig, dass Dr. K. keinerlei Untersuchungen an dem Insassen vornahm?

b.    Welchen Kenntnisstand haben sie in diesem Fall? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

c.    Lebt dieser Insasse noch?

3.    Am 4.6.2018 verstarb ein Insasse auf der Abteilung 12 dessen HNR nicht bekannt ist.

a.    Ist es richtig, dass die offizielle Todesursache Herzinfarkt war?

b.    Ist es richtig, dass die einliefernden Beamten des Insassen darauf hinwiesen, dass der Insasse im Verdacht steht, ein sogenannter „Bodypacker“ zu sein und daher besondere Überwachung benötige?

c.    Ist es richtig, dass der Insasse in den Normalvollzug ohne besondere Überwachungsmaßnahmen genommen wurde?

d.    Wurde der Insasse untersucht, geröntgt?

e.    Führte ein im Körper eines Menschen aufgeplatztes Bodypack und in Folge eine Überdosis zu dem Herzinfarkt?

f.      Welchen Kenntnisstand haben sie in diesem Fall? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

4.    Am 17.10.2019 wurde ein Insasse, dessen HNR nicht bekannt ist, mit dem Hubschrauber aus der Justizanstalt Simmering evakuiert und – soweit bekannt – ins Wilhelminenspital geflogen.

a.    Ist es richtig, dass dieser Insasse an Pneumokokken erkrankt ist?

b.    Wurden die zuständigen Gesundheitsbehörden hierüber in Kenntnis gesetzt?

                                  i.    Wenn ja, wann welche durch wen?

c.    Welchen Kenntnisstand haben sie in diesem Fall? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

5.    Ist es richtig, dass bei einem Insassen der Abteilung 10 gegen Ende Oktober 2019 festgestellt wurde, dass dieser an der parasitären Hautkrankheit der Krätzmilbe erkrankt ist?

a.    Wenn ja, wurde er in Quarantäne gebracht?

b.    Trifft es zu, dass dieser Insasse vor allen anderen Insassen duschen geschickt wurde und alle anderen Insassen dieser Abteilung nach ihm duschen mussten?

c.    Welchen Kenntnisstand haben sie in diesem Fall? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

6.    Männlicher Insasse, 49 Jahre alt, HNR 83484: Der Insasse mit der HNR 83484 hat am 15.1.2018 freiwillig seine Strafe angetreten. Zu diesem Zeitpunkt war der Insasse laut ärztlichem Gutachten der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Dr. Gabriela Seher bereits am linken Auge aufgrund eines grünen Stars erblindet. Die Sachverständige kam zu dem Schluss „aus augenärztlicher Sicht besteht Vollzugstauglichkeit, falls die erforderlichen augenärztlichen Untersuchungen in oben beschriebenem Intervall ermöglich werden können und die Verabreichung der Augendruck senkenden Augentropfen gewährleistet ist.“ In einem augenärztlichen Befund vom 11.1.2018, also vier Tage vor Strafantritt wurde festgehalten, dass es nach postoperativen Eingriffen unbedingt erforderlich sein wird, dass die Kontrollen jeweils zweimal pro Woche durchzuführen sind, um den Heilungsverlauf nicht zu gefährden. Ausdrücklich angeführt ist, dass anderenfalls eine Erblindung nicht auszuschließen sei:

a.    Ist es richtig, dass der Insasse vom Anstaltsarzt Dr. K. mit den Worten „der nächste Simulant, waunst deppert bist, schick i die noch Stahn“ begrüßt worden ist“?

b.    Ist es richtig, dass im Februar und im März 2018 weitere Augenoperationen beim Insassen vorgenommen wurden und er zu diesem Zwecke ausgeführt worden war?

c.    Ist es richtig, dass dem Insassen weitere Ausführungen zur Nachkontrolle verweigert wurden?

d.    Ist es richtig, dass der Augendruck beim Insassen derartig anstieg, dass Anfang Juni 2018 neuerliche Operationen durchgeführt werden mussten, wofür der Insasse stationär bei den Barmherzigen Brüdern am 1.6.2018 aufgenommen wurde?

e.    Ist es richtig, dass der Arzt des Krankenhauses Barmherzige Brüder, Oberarzt Dr. Frank Storch, dem Insassen Haftunfähigkeit attestierte, dass dies jedoch von Dr. K.  ignoriert wurde?

f.      Ist es richtig, dass der Insasse, nachdem er am 5.6.2018 in die JA Simmering zurückgebracht wurde, kurz darauf komplett erblindete und dass dies im Gutachten der Dr. Gabriela Seher vom 29.10.2018 bestätigt wird?

g.    Wurden – wie in diesem Gutachten gefordert – anschließend Ausführungen zur Kontrolle und Nachbehandlung der Augen auch tatsächlich vorgenommen?

h.    Ist es richtig, dass dem Insassen über Antrag vom Juli 2018 nach einer einjährigen Bearbeitungszeit gestattet und ermöglicht wurde, die Blindenschrift zu erlernen?

i.      Ist es richtig, dass der Insasse in der Bibliothek als Arbeiter eingesetzt wird?

j.      Wurde und wird dem Insassen eine Behandlung, wie sie im Gutachten der Dr. Gabriela Seher vom 29.10.2018 vorgeschrieben ist: „Aus augenärztlicher Sicht ist Haftfähigkeit nur dann gegeben, wenn die Betreuung einer Blindenperson in Haft gewährleistet ist. Der Insasse braucht Hilfe bei der Körperpflege, beim Essen, beim Einnehmen der Medikamente, sowie Mobilitätshilfe im engeren Sinn“ zuteil?

k.    Stimmt es, dass diese Aufgaben sein „Zellengenosse“ übernimmt?

l.      Ist es weiters richtig, dass der Insasse aufgrund Nichtbehandlung einer Pustel über dem linken Auge, die sodann aufplatze, seine linke Augenbraue wegen Verätzung „verlor“?

m.   Ist es richtig, dass der Insasse aktuell trotz massivem Ausschlag und offenen Ekzemen an beiden Unterarmen keiner fachärztlichen Behandlung zugeführt wurde, insbesondere, dass kein Hautabstrich zum Zwecke der Ursachenfeststellung gemacht wurde?

n.    Ist es ferner richtig, dass der Insasse fünf Wochen auf die ihm verschriebenen Medikamente, die er bereits einnehmen hätte müssen, warten musste und ihm sodann falsche Medikamente verabreicht wurden?

o.    Welchen Kenntnisstand haben sie in diesem Fall? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

7.    Männlicher Insasse, 74 Jahre alt, HNR 97717, Herzmuskelerkrankung mit Implantation eines Herzschrittmachers, Bluthochdruck, Morbus Crohn. Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Schluss, dass der Insasse strafvollzugstauglich sei, wobei er der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten, der regelmäßigen Behandlung durch einen Arzt für Allgemeinmedizin, der regelmäßigen fachärztlichen Kontrolle durch einen Facharzt für Innere Medizin und eines Facharztes für Neurologie unter Gewährleistung einer notfallmäßigen Akutversorgung (Rettung) bedürfe.

a.    Ist es richtig, dass die „regelmäßigen allgemeinmedizinischen Kontrollen“ durch den Anstaltsarzt Dr. K. ohne Untersuchungen mit einem „Sicherheitsabstand“ von zwei Metern durchgeführt werden?

b.    Ist es richtig, dass Dr. K. die Spritzen mit dem Medikament Humira dem Insassen zur Eigenverabreichung übergibt?

c.    Wie viele fachärztliche Untersuchungen und Kontrollen sind im Sinne des Gutachtens des Sachverständigen seit der Inhaftierung vorgenommen worden?

d.    Ist es richtig, dass dem Insassen das Medikament KCI retard 600mg Dragees, ein Kalium Präparat, verabreicht wurde, obwohl dies bei Darmverengung, an der er leidet, nicht angewendet werden darf?

e.    Ist es ferner richtig, dass dem Insassen über fünf Wochen hindurch die wöchentlich zu verabreichende Spritze mit dem Medikament Humira zur Behandlung des Morbus Crohn im September/Oktober 2019 nicht gewährt wurde?

f.      Ist es richtig, dass an manchen Tagen (so zB am 23.9.2019) überhaupt keine Medikamente an den Insassen ausgegeben werden?

g.    Ist es richtig, dass dem Insassen keine Schonkost verabreicht wird?

h.    Ist es richtig, dass die dem Insassen verabreichte „Schonkost“ unter anderem auch aus püriertem Schweinsbraten besteht?

i.      Wie wird sichergestellt, dass dem Insassen Schonkost (also kein Weizen, keine Milchprodukte, keine Hefe, kein Mais, kein tierisches Fett, keine Kohlehydrate) mehrmals täglich zur Verfügung gestellt wird?

j.      Ist es richtig, dass dem Insassen das Medikament Quantalan, welches er einmal täglich einnehmen sollte und welches in Wechselwirkung mit Humira ideal für die Behandlung und Verdauung eines an Morbus Crohn Erkrankten ist, nicht erhalten hat?

k.    Bei einer Kontrolle der Zelle des Insassen wurde am 17.10. in einer Ketchupflasche ein Mobiltelefon gefunden. Der „Zellengenosse“ gab hierzu an, dass er die Ketchupflasche von einem anderen Häftling bekommen hätte und entschuldigte sich darüber hinaus für den Besitz eines Ladekabels. Der Insasse (HNR 97717) hingegen gab an, kein Ketchup zu essen (bzw. essen zu können: Morbus Crohn). Ist es üblich, dass bei derartiger Beweislage beide Insassen insofern bestraft werden, als das auch jener Insasse, der nicht behauptet hat, dass das Ketchup ihm gehört und auch kein Ladekabel besitzt, wieder in die sogenannte „Beobachtungsphase“ mit Besuchseinschränkungen etc versetzt wird?

l.      Welchen Kenntnisstand haben sie in diesem Fall? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

8.    Männlicher Insasse, 43 Jahre alt, HNR 92163, In Haft seit 15. Juni 2018, Verlegung in die JA Simmering per 23.5.2019. Der Patient hat mehrere Operationen im Unterbauch hinter sich, unter anderem wurde ihm der gesamte Magen entfernt. Der Insasse verlor bei einer Körpergröße von 198cm seit seiner Einlieferung im Juni 2018 ca. 80 kg (vorher 150 kg, nunmehr ca. 70 kg).

a.    Ist es richtig, dass sämtliche Medikamente für diesen Insassen abgesetzt wurden, wenn ja warum?

b.    Ist es richtig, dass der Anstaltsarzt Dr. K. dem Insassen die Verschreibung des Medikaments Pantoloc mit der Begründung verweigerte, dass er dieses Medikament nicht benötige, da er ohnehin keinen Magen besäße?

c.    Ist bekannt, dass Pantoloc vor allem auch zur Behandlung von 12-Fingerdarmgeschwüren eingesetzt wird?

d.    Wie wird der Insasse mit Essen versorgt, welche Diätkost erhält er?

e.    Ist ein fettes Rindsgulasch und ein Mayonnaisesalat Diätkost im Sinne einer Schonkost?

f.      Ist es richtig, dass Dr. K. zu dem Insassen gemeint habe, "er solle sich nicht so anscheißen"?

g.    Ist es richtig, dass Dr. K. dem Insassen über Schwester Inge ausrichten ließ, dass er ihn in den nächsten drei Wochen nicht sehen wolle?

h.    Welchen Kenntnisstand haben sie in diesem Fall? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

9.    Welche konkreten Maßnahmen haben sie veranlasst bzw werden Sie veranlassen, um eine medizinische und menschenrechtskonforme lege-artis Behandlung von Insassen in der JA Simmering in Zukunft zu gewährleisten? (Um detaillierte Erläuterung im Lichte der vorgebrachten "Einzelfälle" wird ersucht.)

10. Wurden oder werden gegen den Anstaltsarzt disziplinar- und oder dienstrechtliche Schritte unternommen?

a.    Wenn ja, wann und welche? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

b.    Wenn nein, weshalb nicht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

11. Wurde die Volksanwaltschaft von dem Themenkomplex in Kenntnis gesetzt?

a.    Wenn ja, wann und durch wen?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?