223/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.11.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres

betreffend Vize-Landespolizeidirektor außer Rand und Band am Polizeinotruf: „I werd ihnen die Wadl virerichten!“ – weil dieser seinen Namen nicht kennt.

BEGRÜNDUNG

 

Am 27. November 2019 veröffentlicht die Wiener Wochenzeitung FALTER[1] einen Artikel über einen Mitschnitt[2] eines Anrufs, welcher im Sommer dieses Jahres aufgenommen wurde. Dabei geht es im konkreten um ein Telefonat beim Polizeinotruf in Graz. Der Beamte Thomas P., welcher den Notruf entgegennimmt, spricht am anderen Ende mit dem Hofrat Magister Alexander Gaisch, ehemaliger Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz, Ex-Polizeidirektor und jetziger Landespolizeidirektor-Stellvertreter der Steiermark. Dieser nennt Thomas P. seinen Namen. Als dieser Alexander Gaisch nicht erkennt, verlangt Gaisch nach dem Namen des Beamten und fordert ihn auf, am nächsten Montag um 8 Uhr in seinem Büro zu erscheinen. Des Weiteren droht er ihm ein Disziplinarverfahren an, sollte er nicht bei dem befohlenen Termin alle Führungskräfte auswendig lernen und namentlich aufzählen können.

Der FALTER habe den Polizeichef Gaisch mehrmals kontaktiert und mit dem Tonband konfrontiert. Dieser reagiert nicht.

 

Fritz Grundnig, Pressesprecher der Landespolizeidirektion Steiermark bestätigt die Echtheit dieser Aufnahme. Er sagt, dass der Fall „für beide Seiten keine Konsequenzen“ haben werde und dieser intern aufgearbeitet worden sei. Grundnig fügt hinzu, dass man herausfinden wolle, wie das Tonband an die Öffentlichkeit kommen konnte.

Wie der Sprecher des Innenministeriums, Alexander Marakovits, mitteilt hat die Generaldirektion für die Öffentliche Sicherheit im Innenministerium eine Prüfung des Sachverhalts eingeleitet. Der steirische Vize-Landespolizeidirektor Alexander Gaisch wird vorübergehend in die steirische Fremdenpolizei versetzt und übt seine Funktion als stellvertretender Landespolizeidirektor nicht mehr aus.

Der Mittschnitt des Telefonats zwischen Thomas P. und Gaisch lautet wie folgt;

Polizeinotruf (hebt ab): Polizeinotruf

Polizeichef: Ja, Alex Gaisch (am Apparat, Anm.), Guten Abend, Servus Grüß Dich! Hallo?

Polizeinotruf: Ja, hallo bitte?

Polizeichef: Ja Alexander Gaisch, kennst Du mi jetzt oder ned?

Polizeinotruf: Na, i kenn Sie ned. Bitte worum geht’s?

Polizeichef: Landespolizeidirektor Stellvertreter! Wie ist der Name bitte?

Polizeinotruf: Bitte?

Polizeichef: Wer spricht bitte?

Polizeinotruf: Ich brauch ihnen meinen Namen nicht geben beim Notruf.

Polizeichef: Da spricht Landespolizeidirektor-Stellvertreter und Sie gemma jetzt ihren Namen, aber sofort und am Montag sans um … achte in mein Büro, verstanden?

Polizeinotruf: Bitte?

Polizeichef: Wo ist da Kommandant, geben S´ ma den Kommandant!

Polizeinotruf: Wer sind Sie bitte? Sagens S´ ma den Namen bitte noch einmal bitte!

Polizeichef: Alexander Gaisch, Landespolizeidirektor Stellvertreter!

Polizeinotruf: Der Landespolizeidirektor Stellvertreter heißt doch Komericky, soweit ich weiß, oder?

Polizeichef: Ja, das ist einer davon. Und am Montag sind Sie um acht in mein Büro, ham S´ mi verstanden?!

Polizeinotruf: Ja , bitte, na worum geht’s denn jetzt? Sagen S amoi was brauchen Sie?

Polizeichef: Sie sogen mir jetzt amoi Ihren Namen, haben Sie mich verstanden?!

Polizeinotruf: Thomas P.

Polizeichef: Thomas P.! Ich wünsch ihnen am Montag alles Gute! Wenn Sie den stellvertretenden Landespolizeikommandanten nicht kennen, dann werde ich ihnen am Montag einmal die Wadeln vire richten. Sagen S´ amoi geht’s no?

Polizeinotruf: Ja, bitte was brauchen S´ jetzt?

Polizeichef: Wie lange machen Sie Dienst? Seit wann machen Sie Dienst jetzt?

Polizeinotruf: Seit März.

Polizeichef: Seit März! Aha und was hamma jetzt? Na woarten S´ nur, Herr Thomas P. ich werd Ihnen am Montag amoi sagen, was los ist. Sie kommen am Montag um acht Uhr kommen Sie zu mir ins Büro. Ist das klar? Ham S mi verstanden?

Polizeinotruf: Ok, Ja, sagen S mir jetzt, was Sie brauchen!

Polizeichef: Ok, Ich sag ihnen was ich brauch: I brauch die Streife von Hausmannsstätten. Ok?! Ja, Sans jetzt wach, langsam?!

Polizeinotruf: Ja, bitte, was brauchen Sie von der Streife von Hausmannsstätten?

Polizeichef: Jetzt hamma fünf Minuten bereits telefoniert! Na, i maan, na ist ja wirklich a Witz. Sie sagen der Streife von Hausmannsstätten in der Hauptstraße ungefähr in der Höhe vom Seniorenheim hat ein Feuerwerk stattgefunden, mittlerweile ist es vorbei! Sie sollen sich erkunden, wo das Feuerwerk war, ob es angemeldet war. Ok?

Polizeinotruf: Ja!

Polizeichef: Ja! Und nächste Woche werden Sie die Führungskräfte namentlich alle aufzählen, auswendig! Und wenn Sie es nicht können, werden wir ein Disziplinarverfahren einleiten, haben S mi verstanden?

Polizeinotruf: Jawoll!

Polizeichef: Montag um acht Uhr in meinem Büro, Herr Thomas P. Auf Wiederhören!

Polizeinotruf: Wiederhören!

Das Verhalten des steirischen Vize-Polizeichefs Alexander Gaisch – also das Ausnutzen der eigenen Position in der Rolle des Vorgesetzten – ist einer Führungsposition unwürdig und in dieser Form nicht akzeptabel.

Dabei handelt es sich hierbei nicht um einen Einzelfall. Herr Gaisch fiel des Öfteren negativ auf.

2012 veröffentlichte die Kleine Zeitung einen ähnlichen Vorfall. Gaisch hatte seine Tochter für eine Kinderkrippe in Gössendorf angemeldet. Weil das Kind von einem Buben ins Gesicht geschlagen worden sei, wollte er nicht, dass die Kinder in dieselbe Gruppe kommen. Weil die Leiterin der Kinderkrippe wegen eines Punktesystems die Gruppenzusammenstellung nicht ändern konnte, rief Gaisch die Leiterin an. Diese sagte dazu: „Er hat mir gesagt, dass er der Polizeidirektor ist und ich ihn noch kennenlernen werde. Er hat mir gedroht, er hat angekündigt, mich wegen Aufsichtsverletzungen anzuzeigen. Ich habe nur noch geweint. Dann habe ich mich zum Computer gesetzt und die ganze Einteilung neu gemacht.“[3]

Dazu kommt, dass Gaisch medial öfter durch „beunruhigende“ rassistische Aussagen aufgefallen ist. Im Jahr 2006 beispielsweise ist eine parlamentarische Anfrage[4] der Grünen Abgeordneten Terezija Stoisits eingebracht worden, in der ein Artikel des Standards vom 22.12.2005 zitiert wird. Das Stadtpolizeikommando Graz beschrieb in einer Täterbeschreibung die Täter als „Ausländer, Zigeunertyp, ca. 25 – 35 Jahre alt“. Gaisch, damals verantwortlicher Beamte, sagte diesbezüglich folgendes: „Soweit ich weiß haben alle Kollegen das gleiche Bild. Und zwar das typische dunkelschwarze Haar und dunkle Augen, wobei manche sogar gut ausschauen und gepflegt sein können. Meist haben sie eine leicht dunklere Hautfarbe als der typische Vertreter der europiden Menschenrasse. Und sie sind in ihrer gesamten Gestalt meist etwas kleiner, haben etwas vom südländischen Menschenschlag. Außerdem tragen sie Kleider, die der typische Durchschnittsgrazer nicht trägt – eher legere Kleidung. Zu finden wäre ein solcher Typ oft musizierend in der Innenstadt oder bei Mülltonnen. Natürlich können manchmal auch Grazer so aussehen.“[5]

Ein anderes Beispiel hierfür ist ein Interview in der Kleinen Zeitung von 2011[6], in dem Gaisch davon redet, dass es eine Unterwanderung der Gesellschaft durch Muslim*innen geben werde, weil diese mehr Kinder und einen anderen Lebensstil hätten. Des Weiteren sagt er, dass durch Muslim*innen ein „anderes Kulturgut rein“ kommen würde, welches „größer“ wird. Er sieht eine Gefahr für das Demokratieverständnis, wenn diese Muslim*innen „sukzessiv in die politische Vertretung kommen, in den Gemeinderat und in den Landtag“ und antwortet auf den Kommentar der Interviewer, dass dies Demokratie sei, folgendes: „Da ist ja alles okay. Wir müssen uns nur bewusst sein, wenn wir das jetzt akzeptieren, hat das in fünf bis zehn Jahren Auswirkungen. Ändere ich das jetzt nicht, ist das nicht mehr möglich […]“

Im weiteren Verlauf wurde seitens Ihres Ressorts öffentlich mitgeteilt, dass Gaisch nun doch aufgrund des Vorfalls versetzt werde, und zwar hieß es zunächst zur Fremdenpolizei, danach zum regionalen Bundesasylamt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1.    Ist Ihnen oder Ihrem Ministerium dieser Fall, der sich im Sommer 2019 ereignet hat, bekannt?

a.    Wenn ja, wann genau fand dieser statt? (Bitte ein genaues Datum angeben)

b.    Wann genau wurden Sie bzw Ihr Ministerium über diesen Vorfall informiert?

 

2.    Wurde der Polizeibeamte Thomas P. nach dem Telefonat am Montag um 8 Uhr zu Herrn Gaisch zitiert, bzw. fand dieses in der Tonbandaufnahme angekündigte Treffen statt?

a.    Wie lange dauerte es?

b.    Welchen Inhalt hatte das Gespräch?

c.    Waren auch andere Polizeibeamt*innen bei diesem Gespräch anwesend?

d.    Welche Konsequenzen hatte dieses Gespräch für Thomas P.?

 

3.    Wurde ein Disziplinarverfahren gegen den Polizeibeamten Thomas P. wegen dieses „Vorfalls“ eingeleitet?

a.    Wer hat dieses und wann eingeleitet?

b.    Mit welcher konkreten Begründung?

 

4.    Gab es für den Polizeibeamten Thomas P. sonstige Sanktionen, Verwarnungen oder Interventionen von Seiten des Herrn Gaisch bzgl. dieses „Vorfalls“?

 

5.    Kann ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden bzw. darf damit gedroht werden, wenn die Namen von Führungsbeamt*innen der Polizei nicht bekannt sind?

 

6.    Sind Ihnen oder im Bundesministerium für Inneres die oben beschriebenen Vorfälle aus den Jahren 2005, 2011 und 2012 bekannt?

a.    Wenn Ja, wurden diesbezügliche Konsequenzen in die Wege geleitet?

 

7.    Gab es Dienstaufsichtsbeschwerden über Herrn Gaisch (in den letzten fünf Jahren)?

a.    Wenn ja, wie viele?

b.    Wenn ja, wann?

c.    Wenn aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Anfragebeantwortung erfolgt, beantworten Sie bitte, ob gegen die stellvertretenden Landespolizeidirektoren des Bundeslandes Steiermark Dienstaufsichtsbeschwerden vorliegen (über die letzten zwei Jahre)?

 

8.    Wie viele Disziplinarverfahren wurden gegen Herrn Gaisch schon geführt?

 

9.    Sind solche Aussagen und mehrmaliges Fehlverhalten duldbar für einen stellvertretenden Landespolizeidirektor?

 

10. Welche Konsequenzen wurden aus dem dargestellten Telefonat sowie den früheren Vorfällen betreffend Herrn Gaisch gezogen?

 

11. Wann wurden Konsequenzen (Versetzung, usw) für Herrn Gaisch angeordnet?

a.    Von wem wurden diese angeordnet?

b.    Bis wann sind diese aufrecht?

 

12. Wohin wurde Herr Gaisch dienstzugeteilt?

 

13. Wo ist (mit Stand der Anfragebeantwortung) Herr Gaisch dienstzugeteilt?

 

14. Mit welchen genauen Aufgabengebieten ist Herr Gaisch aktuell beauftragt?

a.    Wenn er noch im BFA beschäftigt wird, ist Herr Gaisch mit der Bearbeitung von Asylanträgen betraut?

b.    Steht Herr Gaisch in seinem Aufgabengebiet in persönlichem Kontakt zu Verfahrensparteien?

 

15. Ist die Versetzung von Herrn Gaisch ins BFA in Anbetracht der Aussagen aus den Jahren 2005 und 2011 angebracht?

 

16. Wird Herr Gaisch in Zukunft im BFA tätig sein, trotz des Bekanntwerdens seiner Aussagen aus der Vergangenheit?

 

17. Entspricht es einer gängigen Praxis im Bereich des Bundesministeriums für Inneres, dass disziplinäres Fehlverhalten zu Versetzungen zur Fremdenpolizei bzw. in ein Bundesamt für Asyl führt?

a.    Falls ja: Wie begründen Sie diese Praxis?

b.    Ist Ihnen bekannt, dass die Tätigkeit bei Fremdenpolizei bzw. BFA besondere Anforderungen an soziale Kompetenzen und aufgrund der schwierigen Lebenssituationen der Betroffenen ein gesteigertes Bewusstsein für Fragen der Menschenrechte und die Wahrung der Menschenwürde erfordert?

c.    Wie bringen Sie diese Anforderungen mit Strafversetzungen bei disziplinärem Fehlverhalten in Einklang?

d.    In wie vielen Fällen wurden in den vergangenen zehn Jahren Beamt*innen im Zuständigkeitsbereich des BMI nach disziplinären Verfehlungen bzw. während der Verfahren betreffend solche Vorwürfe zur Fremdenpolizei bzw. zu einem BFA versetzt? (Aufschlüsselung nach Jahreszahlen)

e.    Wohin werden Beamt*innen versetzt, die sich bei der Fremdenpolizei bzw. dem BFA fehlverhalten?

 

18. Ist Herr Gaisch als stellvertretender Landespolizeidirektor abberufen worden?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, ist eine solche Abberufung angedacht und bis wann?



[1] Falter (2019): „I wird Ihna die Wadln virerichten!“ 27.11., online abgerufen unter: https://www.falter.at/zeitung/20191127/polizeinotruf-steiermark (letzter Zugriff 27.11.2019)

[2] YoutTube: Falter, Polizeinotruf: „I wird Ihna die Wadln virerichten!“ 27.11.2019, online abgerufen unter: https://www.youtube.com/watch?v=kO0SZxqme34 (letzter Zugriff 27.11.2019)

[3] Kleine Zeitung (2012): Vorwürfe gegen Polizeidirektor, 13.06. online abgerufen unter: https://www.pressreader.com/austria/kleine-zeitung-steiermark/20120613/281930245051664 (letzter Zugriff 27.11.2019)

[4] Parlamentarische Anfrage NR-Abg. Stoisits (2006): Täterbeschreibung „Zigeunertyp“, 20.01. abgerufen unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/J/J_03799/fnameorig_055480.html (Zugriff am 28.11.2019)

[5] DerStandard (2006): Grüne Anfrage zu „Zigeunertyp“, 29.08. online abgerufen unter: https://www.derstandard.at/story/2313164/gruene-anfrage-zu-zigeunertyp (letzter Zugriff 28.11.2019)

[6] Kleine Zeitung, Printausgabe vom 13.11.2011: Wir werden langsam unterwandert. Seite 6 ein Interview mit Bernd Hecke und Sabine Hoffmann, online abrufbar per APA-AOM unter: https://www.aomweb.apa.at/portal/restricted/text.htm?txtSession=dhjXvKVq6VRfzj__bjiexiDWo3cdbNrOa1UxY6YS&hist=7&index=1&scrollPos=100#show&key=KLEINE_20111113041008238900050&date=20111113 (letzter Zugriff 28.11.2019)