310/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.12.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Gerichtspraxis und desaströse Budgetsituation der Justiz

 

Im Frühjahr 2018 stand kurzzeitig im Raum, aufgrund der schlechten budgetären Situation der Justiz, einen Aufnahmestopp für Rechtspraktikant_innen  zu verhängen.

Jungjurist_innen mussten damals um ihre Ausbildungsplätze zittern. Aufgrund der budgetären Vorgaben der türkis-blauen Regierung hatten die zuständigen Oberlandesgerichte die Aufnahme neuer Rechtspraktikant_innen ab Mai ausgesetzt. Erste Studienabsolvent_innen, die sich für einen Platz beworben hatten, wurden damals über den Aufnahmestopp schriftlich informiert. https://www.derstandard.at/story/2000077448415/oberlandesgerichte-nehmen-aufnahmestopp-fuer-gerichtspraxis-vorerst-zurueck

Die Gerichtspraxis ist für zahlreiche juristische Berufe Voraussetzung. Neben Richtern und Staatsanwälten müssen sie auch Rechtsanwälte und Notare absolviert haben, um später praktizieren zu dürfen.

Diese Pläne wurden dann wieder verworfen, nachdem das Justizministerium auf Rücklagen zurückgriff und die entsprechenden Gelder an die Oberlandesgerichte überwies. https://www.diepresse.com/5401385/gerichtsjahr-bleibt-in-bisheriger-lange-kein-aufnahmestopp

Aber auch für diejenigen, die die Gerichtspraxis schon längst absolviert haben und als Richteramtsanwärter_innen ihre Ausbildung abgeschlossen haben, ist dadurch die berufliche Zukunft nicht gesichert. Diese müssen zum Teil jahrelang auf eine Stelle warten, da es aufgrund von Einsparungen nicht genügend zu besetzende Planstellen gibt (Quelle: https://www.diepresse.com/5401385/gerichtsjahr-bleibt-in-bisheriger-lange-kein-aufnahmestopp).

Das Einsparungspotential ist laut Bundesminister Jabloner vollkommen ausgeschöpft - die Justiz stünde derzeit vor einem Zahlungsausfall.

"Sollten die notwendigen Budgetmittel nicht bereitgestellt werden, wären Einsparungen in diversen
Ausgabenbereichen notwendig und stünde ein Zahlungsausfall bevor. Kürzungen – welche jedoch
keinesfalls ausreichen würden – müssten bei an sich notwendigen Instandhaltungen und sonstigen
Bauvorhaben bei den Gerichten sowie Justizanstalten und im Bereich der Lehrlinge und Verwaltungspraktikantinnen und -praktikanten, der Aus- und Fortbildung oder der Familien- und Jugendgerichtshilfe vorgenommen werden. Um einen allgemeinen Zahlungsausfall hintanzuhalten, könnte man die Begleichung fälliger Verbindlichkeiten an im Eigentum der Republik Österreich stehenden
Unternehmen wie der Bundesimmobiliengesellschaft aussetzen.

Eine Finanzierung über vom BMF zu bewilligende und „Maastricht wirksame“ Rücklagenentnahmen wäre bei unverändertem Budgetverlauf längstens bis ins zweite Quartal 2021 möglich.

Im Strafvollzug birgt die mangelnde budgetäre Ausstattung hohe Sicherheitsrisiken, eine mangelnde
medizinische Versorgung der Insassen sowie eine weitere Verschärfung der Personalsituation. Im
Bereich des Maßnahmenvollzugs wäre der gesetzliche Auftrag nicht mehr zu erfüllen."

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wie viele Personen absolvierten 2017, 2018 und 2019 die siebenmonatige Gerichtspraxis?

a.    Wie viele der Rechtspraktikanten_innen davon waren Übernahmewerber_innen?

2.    Wie viele Gerichtspraktikanten_innen wollten ihre Gerichtspraxis verlängern? 

a.    Wie viele Verlängerungen wurden tatsächlich zugelassen?

3.    Konnten die Rücklagen, die 2018 für die Gerichtspraxis verwendet wurden, für das Jahr 2019 neu gebildet werden? 

4.    Beeinflusste die interimistische Finanzierung der Gerichtspraxis im Jahr 2018, andere Zahlungen bzw. Investitionen die die Justiz anderweitig benötigt hätte? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, welche? (Um Erläuterung wird ersucht.)

b.    Wenn ja, wo fehlten die Finanzmittel in Folge?

5.    Wie sicherte man die Finanzierung der Gerichtspraxis 2018? 

a.    Welche Budgetmaßnahmen wurden genau vorgenommen um den Aufnahmestopp 2018 abzuwenden und die Finanzierung der Gerichtspraxis 2018 abzusichern? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

b.    Welche Organisationsmaßnahmen wurden innerhalb der Justiz, insbesondere von den OLG getroffen, um die Gerichtspraxis im Jahr 2018 abzusichern? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

c.    Welche Rolle spielte dabei das Finanzministerium? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

6.    Wie sicherte man die Finanzierung der Gerichtspraxis 2019?

a.    Welche Budgetmaßnahmen wurden genau vorgenommen um die Gerichtspraxis 2019 abzusichern? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

b.    Welche Organisationsmaßnahmen wurden innerhalb der Justiz, insbesondere von den OLG getroffen, um die Gerichtspraxis im Jahr 2019 abzusichern? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

c.    Welche Rolle spielte dabei das Finanzministerium? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

7.    Ist die Finanzierung der Gerichtspraxis für das Jahr 2020 gesichert? 

a.    Welche Budgetmaßnahmen wurden genau vorgenommen um die Gerichtspraxis 2020 abzusichern? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

b.    Welche Organisationsmaßnahmen wurden innerhalb der Justiz, insbesondere von den OLG getroffen, um die Gerichtspraxis im Jahr 2020 abzusichern? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

c.    Welche Rolle spielte dabei das Finanzministerium? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

8.    Gibt es eine konkrete Maßnahme um eine Situation wie 2018, mit einem angedachten Aufnahmestopp, dauerhaft zu vermeiden? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

9.    Wie viele Richteramtsanwärter_innen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, aber noch auf keine feste Richter- oder Staatsanwaltsplanstelle ernannt wurden, sind mit Stichtag 31.12.2019 bei der Justiz tätig?

10. Wo sind diese jeweils tätig? (Um Angabe nach einzelnen OLG Sprengel, Funktion und Stelle der Dienstverwendung z.b. "Evidenzbüro des OGH" wird ersucht.)

11. Wie lange warten Richteramtsanwärter_innen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben durchschnittlich auf ihre Ernennung auf eine feste Richter oder Staatsanwaltsplanstelle?

12. Gibt es Pläne um Richteramtsanwärter_innen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, zeitnahe eine Stelle als Richter_in oder Staatsanwält_in zu sichern?

a.    Wenn ja, welche? (Um Erläuterung wird ersucht.)

13. Wie viele Richteramtsanwärter_innen schieden 2017, 2018 und 2019 nach ihrer abgeschlossenen Ausbildung dauerhaft aus dem Justizwesen aus, weil es keine Stellen für sie gab?

a.    Verursachen Richteramtsanwärter_innen, die nach ihrer fertigen Ausbildung dauerhaft aus dem Justizwesen ausscheiden, Mehrkosten, die nicht durch ihre Arbeit während der Ausbildung gedeckt waren?

b.    Wenn ja, wie hoch sind diese durchschnittlich pro ausgeschiedener Person?

14. Wie hoch sind die verfügbaren Rücklagen Ihres Ressorts mit Stand/Stichtag 01.01.2020?

15. Wie hoch waren die seit 2009 bis dato jährlich gebildeten Rücklagen jeweils? (Bitte um Auflistung nach einzelnen Jahren; gleichzeitig wird darum ersucht, von Verweisen auf andere Anfragen zur Beantwortung abzusehen.)

16. Wurden bestimmte Maßnahmen oder Projekte im Jahr 2019 mit Geldern aus Rücklagen finanziert?

a.    Wenn ja, welche Maßnahmen oder Projekte wurden 2019 mit Geldern aus Rücklagen finanziert?

17. Gibt es im Ministerium Arbeiten an einem "Notfallplan", der Vorkehrungen für den Fall trifft, dass es zu keiner Budgeterhöhung des Justizministeriums im Doppelbudget 20/21 kommt?

a.    Wenn ja,

                                  i.    seit wann?

                                ii.    welche Stellen sind an der Ausarbeitung des Notfallplans beteiligt?

                               iii.    welche konkreten Maßnahmen sieht der Notfallplan für die Justiz vor? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

1.    Sieht der Plan Kündigungen bzw. Personalabbau beim nichtrichterlichen Personalstand vor?

a.    Wenn ja, wo genau, in welchem Zeitraum und welchem Ausmaß?

2.    Sieht der Plan Kündigungen bzw. Personalabbau beim richterlichen Personalstand vor?

a.    Wenn ja, wo genau, in welchem Zeitraum und welchem Ausmaß?

3.    Sieht der Plan Kündigungen bzw. Personalabbau beim staatsanwaltschaftlichen Personalstand vor?

a.    Wenn ja, wo genau, in welchem Zeitraum und welchem Ausmaß?

4.    Sieht der Plan Kürzungen bei der Gerichtspraxis vor?

a.    Wenn ja, wo genau, in welchem Zeitraum und welchem Ausmaß?

5.    Sieht der Plan Schließungen von Gerichtsstandorten vor?

a.    Wenn ja, wo genau, in welchem Zeitraum und welchem Ausmaß?

6.    Sieht der Plan Schließungen von Justizanstalten vor?

a.    Wenn ja, wo genau, in welchem Zeitraum und welchem Ausmaß?

7.    Sieht der Plan Einschränkungen im Parteienverkehr an Gerichten vor?

a.    Wenn ja, wo genau, in welchem Zeitraum und welchem Ausmaß?

8.    Sieht der Plan eine bewusste Verlängerung der gerichtlichen Entscheidungszeiten vor?