362/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.12.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend „Umsetzung des Ethikunterrichts“

Je rasanter sich eine Gesellschaft im globalen Kontext verändert, desto wichtiger ist es, Orientierung zu finden. Fragen zu Weltanschauungen, Grundwerten, Menschenrechten und unterschiedlichen gesellschaftlichen Normsetzungen erfordern die Fähigkeit zu differenzierten, individuellen Beurteilungen und eigenverantwortlichem, prinzipiengeleitetem Handeln.

Der Ethikunterricht soll einen Rahmen für eine qualifizierte Auseinandersetzung über diese Fragestellungen bieten und wäre auch ein Beitrag zur politischen Bildung und Entwicklung einer soliden Wertehaltung. Schule ist der geeignete Raum, um die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen in einem geordneten Umfeld zu führen. Das Erleben von sozialer Verantwortung, gesellschaftlichem Zusammenhalt und von zivilgesellschaftlichen Initiativen ist zu stärken.

Die türkis-blaue Bundesregierung hat daher noch im März 2019 einen entsprechenden Ministerratsvortrag vorgelegt, in dem die legistische Umsetzung des verpflichtenden Ethikunterrichts in der Sekundarstufe II für alle jene SchülerInnen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, bis Sommer 2019 angekündigt wurde. Im besagten Ministerratsvortrag 48/18 wurde darauf verwiesen, dass auf Grund von Schulversuchen und auch einer parlamentarischen Enquete dazu mittlerweile zahlreiche Erfahrungsberichte und Musterlehrpläne vorliegen, „die zeitnah aktualisiert und umgesetzt werden können“. Eigentlich sollte der Ethikunterricht für „Religionsabmelder“ ab Herbst 2020 in der neunten Schulstufe, beginnend in AHS und polytechnischen Schulen, ab 2021 dann auch in BMHS und Berufsschulen, geben. Die angekündigte Regierungsvorlage blieb allerdings aus, die türkis­blaue Bundesregierung scheiterte, noch bevor eine Lösung präsentiert wurde. Auch dieses Vorhaben sollte nur eine türkis-blaue Ankündigung bleiben. Medial wurde von Ministerin Iris Rauskala auf STANDARD-Anfrage am 4.11.2019 gesagt: "Ich gehe davon aus, dass die legistische Umsetzung möglichst zeitnah erfolgt, parallel dazu erarbeiten wir auch gerade die Lehrpläne. Nach legistischer Umsetzung - also der gesetzlichen Verankerung des Faches - kann die Begutachtung des Lehrplanes erfolgen."

Warum der Ethikunterricht nur für jene SchülerInnen eingerichtet wird, die sich von Religion abmelden und nicht für alle SchülerInnen, konnte bisher übrigens sachlich nicht ausreichend gerechtfertigt werden. Immerhin betreffen Fragestellungen, die im Ethikunterricht diskutiert werden sollen, alle SchülerInnen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1)    Wie weit fortgeschritten sind die Umsetzungspläne seitens des Ministeriums für den von türkis-blau angekündigten Ethikunterricht?

2)    Gibt es hierfür bereits einen Gesetzesentwurf für den Begutachtungsprozess?

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung des Entwurfs.

b.    Wenn nein, bis wann soll der Entwurf erstellt werden?

3)    Wurden hierfür auch bereits die Lehrpläne überarbeitet?

a.    Wenn ja, bitte um Übermittlung der Entwürfe.

b.    Wenn nein, bis wann sollen die Entwürfe erstellt werden?

4)    Welche Institutionen und Personen sind in die Erstellung der Lehrpläne eingebunden? Bitte um detaillierte Auflistung.

5)    Wann soll die Umsetzung des Ethikunterrichts starten?

6)    Mit welchem Mehraufwand ist zu rechnen?

a.    Können diese im Rahmen des derzeitigen Budgets des Bildungsministeriums gedeckt werden?

7)    Wie viele zusätzliche Lehrkräfte sind für die Umsetzung notwendig?

8)    Über welche Qualifikation müssen diese verfügen, um Ethik unterrichten können?

a.    Ist vorgesehen den Bedarf an Lehrkräften auch mit ReligionslehrerInnen zu decken?

b.    Wie stellen Sie sicher, dass der dann angebotene Ethikunterricht unabhängig vom Religionsunterricht unterrichtet wird?

c.    Welche Maßnahmen sind vorgesehen um für ausreichend qualifiziertes Personal für den Ethikunterricht zu sorgen?

d.    An welchen Pädagogischen Hochschulen/Unis wird eine Ausbildung zur Ethiklehrerin/ zum Ethiklehrer derzeit angeboten? Von wie vielen Studierenden wird dieses Angebot derzeit in Anspruch genommen? Bitte um Darstellung je Standort.

9)    Wie viele SchülerInnen werden österreichweit am Ethikunterricht teilnehmen? Bitte um Darstellung je Schulstufe, Schultyp und Bundesland.

a.    Wie hoch wird der Anteil an der Gesamtanzahl der SchülerInnen je Schulstufe und Schultyp sowie Bundesland sein?

10) Gibt es Überlegungen den Ethikunterricht verpflichtend für alle SchülerInnen in der Sekundarstufe II anzubieten?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Mit welchem Mehraufwand wäre zu rechnen? Bitte um Gegenüberstellung zu dem budgetären Mehraufwand, wenn nur die „Religionsabmelder“ der Ethikunterricht besuchen würden.

11) Welchen Mehrwert sehen Sie in der Einführung des Ethikunterrichts?

a.   Warum sollen davon nur SchülerInnen davon profitieren, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben?

12) Wird auch einer Ausrollung des Ethikunterrichts für die Sekundarstufe I gearbeitet?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Mit welchem Mehraufwand ist zu rechnen?

13) Wird auch einer Ausrollung des Ethikunterrichts für die Primarstufe gearbeitet?

a.     Wenn nein, warum nicht?

b.     Mit welchem Mehraufwand ist zu rechnen?

14) Wäre es mit dem Konkordat vereinbar, wenn der Ethikunterricht für alle SchülerInnen verpflichtend angeboten werden würde, und der Religionsunterricht weiter an den Schulen unterrichtet wird (wie derzeit mit der Möglichkeit der Abmeldung)?

a.   Wenn nein, welche anderen rechtlichen Möglichkeiten sehen Sie um den Ethikunterricht für alle zu realisieren?