601/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.01.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Drobits und GenossInnen
an den Bundeskanzler

betreffend Volksgruppenförderung

 

Der Bund fördert gemäß § 8 Volksgruppengesetz (VoGrG) Maßnahmen und Vorhaben, die der Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppen, ihres Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen; ebenso werden interkulturelle Projekte, die dem Zusammenleben der Volksgruppen dienen, gefördert.

Wie dem Bericht über die Volksgruppenförderung 2018 entnommen werden kann, vergab das BKA im Jahr 2018 Förderungen in der Gesamthöhe von € 3.916.650,-.

 

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Mangels Dynamisierung der Volksgruppenförderung wurden die Förderungen des Bundes für die Vereine und Organisationen der Volksgruppen seit Jahren nicht mehr angehoben, was durch die Geldwertentwicklung eine Verminderung der Mittel um fast 50% bedeutet. Damit ist es kaum mehr möglich, die notwendigen Aktivitäten im Bereich der Bildung, Medien und Kultur zu setzen. Mit diesem Problem kämpfen nicht nur die im Burgenland beheimateten drei der sechs anerkannten Volksgruppen, sondern auch die Slowenen in Kärnten, die Tschechen und Slowaken in Wien und die in der Bundeshauptstadt und anderen österreichischen Zentren lebenden Zugehörigen der Burgenlandkroaten, Slowenen, Ungarn und Roma.

Daher haben die VertreterInnen aller anerkannten österreichischen Volksgruppen im Herbst 2019 mit einem Forderungskatalog an alle wahlwerbenden Parteien auf dringende Maßnahmen in der österreichischen Volksgruppenpolitik hingewiesen. Neben der Dynamisierung der Volksgruppenförderung sind das auch die Ausweitung des Geltungsbereiches der Volksgruppenrechte und der Bildungsangebote für Volksgruppensprachen sowie die nachhaltige Absicherung der Volksgruppenmedien.

Im Arbeitsprogramm der Bundesregierung für die neue Legislaturperiode werden einige dieser Forderungen zwar erwähnt, jedoch ohne konkrete Maßnahmen und Lösungsvorschläge.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen an den Bundeskanzler daher nachstehende

 

Anfrage:

 

1. Die Mittel für die Volksgruppenförderung sind seit Jahren relativ konstant. Die Volksgruppenförderung des Bundes wurde – nicht nur im Bereich des BKA, sondern auch in anderen Ministerien – seit 25 Jahren nicht mehr angehoben, im Bildungsbereich teilweise sogar noch gekürzt. Das führte durch die Inflationsentwicklung in diesem Zeitraum zu einer de-facto-Halbierung der Volksgruppenfördereng. Kulturelle Aktivitäten, Bildungsangebote und anderes ist daher nur mehr in eingeschränktem Maße notwendig. Werden Sie bei den Budgetverhandlungen die Anhebung der Fördermittel für die Volksgruppen einfordern und umsetzen? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Ist für die Zukunft eine jährliche Indexanpassung der Volksgruppenförderung geplant, um die Staatszielbestimmung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt Österreichs langfristig abzusichern?

2. Wie hoch waren die Rückzahlungen aus den geförderten Institutionen aller Volksgruppen 2016-2018?

 

3. Rückflüsse aus allfälligen Rückforderungen der Volksgruppenförderung fließen aktuell in das allgemeine Budget des BKA. Werden Sie eine Zweckwidmung dieser Mittel für die Volksgruppenförderung vorsehen?

4. Die Volksgruppenbeiräte beklagen, dass viele junge Familien durch die notwendige steigende Mobilität gezwungen sind – zumindest temporär – in die Zentren zu ziehen. Da aber das Minderheiten-Schulgesetz für Burgenland und auch für Kärnten das Recht auf Ausbildung in der Volksgruppensprache territorial auf das autochthone Gebiet beschränkt, haben diese Familien keine Möglichkeit, ihren Kindern eine zweisprachige Schulausbildung zum Beispiel in Wien oder in Graz zu sichern. Daher fordern die Volksgruppen in dieser Frage eine Verbreiterung des Geltungsbereiches der jeweiligen Schulgesetze. Was werden Sie in Ihrem Bereich bzw. in Kooperation mit dem Bildungsminister unternehmen, um dieses echte Existenzproblem der Volksgruppen zu lösen?

5. Für die Volksgruppen in Wien gibt es derzeit überhaupt keine rechtliche Absicherung eines Bildungsangebotes in den Volksgruppensprachen. Das trifft besonders die Tschechen und Slowaken, die seit Jahrzehnten gezwungen sind,  für ihre Angehörigen der Volksgruppe eine Privatschule (Komensky-Schule) zu führen und zu erhalten. Sie hat zwar das Öffentlichkeitsrecht und bekommt die Personalkosten für das pädagogische Personal durch den Bund ersetzt. Die gesamten Kosten der Schulerhaltung vom Gebäude bis zum Reinigungspersonal und zu baulichen Erfordernissen, müssen die Vereine als Schulerhalter sicherstellen bzw. über die Schulbeiträge der Eltern tragen. Werden Sie sich in der Bundesregierung und im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister für eine würdige Lösung dieser Frage und ihre Umsetzung einsetzen?

6. Medien sind in der heutigen Zeit eine sehr wichtige Einrichtung für die Volksgruppen. Wenn die Sprache auch eine öffentliche Sprache ist, werden die Menschen bestärkt und motiviert, ihre Sprache auch in der Öffentlichkeit zu verwenden. Die meisten Medien der Volksgruppen sind derzeit auf Grund der Nicht-Berücksichtigung in der Medienförderung der öffentlichen Hand nicht in der Lage, den nachhaltigen Bestand ihrer Medien zu sichern. Für Minderheiten muss es andere Kriterien für die Förderung geben als sie für kommerzielle Medien gelten. Lediglich der ORF kommt hier seiner Verpflichtung dem öffentlichen Auftrag für eigene Sendungen der Volksgruppen nach. Auch hier bedarf es jedoch einer dringenden Erweiterung des Anteils. Insbesondere die Printmedien der Volksgruppen sind finanziell ausgetrocknet und stehen vor dem Aus. Was werden Sie unternehmen, um in Kooperation mit den zuständigen KollegInnen in der Bundesregierung die Medienförderung für die Volksgruppen nachhaltig zu installieren und abzusichern?

7.         Ein dringendes Anliegen der österreichischen Volksgruppen ist die Anpassung des geltenden Volksgruppengesetzes. Die Volksgruppenbeiräte sind ein Vertretungsgremium mit beratender Funktion und sind auf Grund ihrer Zusammensetzung auch ein sehr repräsentatives Gremium, das die jeweilige Volksgruppe in ihrer Gesamtheit vertritt. Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, wie berechtigt die Forderung nach einem Anhörungsrecht ist, wenn es um vorgesehene gesetzliche Maßnahmen, die auch die Volksgruppen betreffen. Insbesondere die Reformen im Schulwesen haben gezeigt, wie wichtig die Mitsprache der Volksgruppen wäre. Beispielsweise musste mühsam repariert werden, dass die neue Matura auch in Kroatisch als Hauptfach abgelegt werden kann. Eine rechtzeitige Information und Diskussion mit den Volksgruppen hätte in derartigen Fragen schon in der Vorbereitungsphase derartig schwerwiegende Probleme gar nicht aufkommen lassen. Die Konferenz der Vorsitzenden der Volksgruppen ist eine wichtige Plattform zur Formulierung gemeinsamer Interessen und Aktivitäten. Sie müsste ebenfalls einen gesetzlich abgesicherten Status erhalten. Diese und andere Fragen sollten daher in einer Novellierung des Volksgruppengesetzes berücksichtigt werden. Sind Sie bereit, so rasch wie möglich in einen intensiven Dialog mit den Volksgruppen einzutreten und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen?