735/J XXVII. GP

Eingelangt am 06.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Insolvenzabsicherung bei der Buchung von Pauschalreisen oder verbundenen Reiseleistungen

 

Am 23.9.2019 wurde publik, dass der britische Reiseveranstalter Thomas Cook Group plc in Großbritanien Insolvenz angemeldet hat.

In der Folge wurden auch über die deutschen Tochterfirmen von Thomas Cook (Thomas Cook GmbH, Thomas Cook Touristik GmbH, Bucher Reisen & Öger Tours GmbH, Thomas Cook Airport Service GmbH, NeckermannUrlaubswelt GmbH, Thomas Cook Vertriebs GmbH, Sentido Hotels & Resorts GmbH) sowie auch über die österreichische Tochter von Thomas Cook (Thomas Cook Austria AG) Insolvenzverfahren eröffnet.

In Österreich war die Thomas Cook Austria AG mit fast 22 Millionen Euro soweit abgesichert, dass der Abwickler AWP P&C S.A., Niederlassung für Österreich am 17.1.2020 davon ausging, dass für Pauschalreisen bzw verbundene Reiseleistungen bezahlte Reisepreise für Reisen, die nicht mehr angetreten werden konnten, zu 100 Prozent erstattet werden können. Das gilt für Buchungen in Österreich.

In Deutschland waren die Tochterfirmen von Thomas Cook insgesamt – aufgrund gesetzlicher Vorschrift (§ 651r BGB) – nur auf einen Höchstbetrag von 110 Millionen Euro versichert. Der deutsche Abwickler KAERA geht davon aus, dass bei Buchungen in Deutschland für Pauschalreisen bzw verbundene Reiseleistungen bezahlte Reisepreise für Reisen, die nicht mehr angetreten werden konnten, nur zu 17,5 Prozent erstattet werden können. Das gilt auch für Österreicher, die in Deutschland gebucht haben. Die Branche geht von 5000 betroffenen Österreichern aus.

Die deutsche Bundesregierung hat im Dezember 2019 mitgeteilt, dass sie „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“ entschieden habe, Zahlungsausfälle zu Lasten von Pauschalreisenden aufgrund der Insolvenzen auszugleichen, soweit keine Erstattung von dritter Seite erfolgt (Pressemitteilung 11.12.2019). Die deutsche Bundesregierung hat jedoch bis heute nicht klargestellt, ob diese in Aussicht gestellte „Kulanzlösung“ auch für ausländische Staatsbürger - somit auch für Österreicher - gilt. Sie hat auch bis heute nicht veröffentlicht, wie man sich für diese Kulanzleistung anmelden soll bzw wann diese Kulanzleistung ausbezahlt werden wird. Aufgrund der Pressemitteilung der deutschen Bundesregierung muss davon ausgegangen werden, dass eine Kulanzleistung erst nach Feststehen von Quoten in den Insolvenzverfahren ausbezahlt werden wird.

Die in Deutschland vorgenommene Umsetzung der EU Pauschalreiserichtlinie (EU 2015/2302) ist ungenügend und könnte eine Staatshaftung Deutschlands begründen.

Artikel 17 Abs 1 der EU Pauschalreiserichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassene Reiseveranstalter Sicherheit für die Erstattung aller von Reisenden oder in deren Namen geleisteten Zahlungen leisten, sofern die betreffenden Leistungen infolge der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht erbracht werden. ...“

Artikel 17 Abs 2 der EU Pauschalreiserichtlinie sieht vor:

„Die Sicherheit gemäß Absatz 1 muss wirksam sein und die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbaren Kosten abdecken. ...“

Artikel 17 Abs 3 der EU Pauschalreiserichtlinie sieht vor:

„Die Insolvenzabsicherung eines Veranstalters kommt Reisenden ungeachtet ihres Wohnsitzes, des Orts der Abreise oder des Verkaufsorts der Pauschalreise und unabhängig von dem Mitgliedstaat, in dem die Einrichtung, die für die Insolvenzabsicherung zuständig ist, ansässig ist, zugute.“

Artikel 17 Abs 5 der EU Pauschalreiserichtlinie sieht vor:

„Für nicht erbrachte Reiseleistungen wird die Erstattung unverzüglich nach der Beantragung durch den Reisenden vorgenommen.“

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (Verbraucherschutzverein) hat mitgeteilt, dass in seinem Auftrag die deutsche Bundesregierung auf Feststellung einer Staatshaftung geklagt wurde (OTS APA 11.01.2020).

In Österreich müssen Reiseveranstalter nach der Pauschalreiseverordnung zur Eintragung der Reiseleistungsausübungsberechtigung in das Reiseinsolvenzab-sicherungsverzeichnis (GISA) eine Meldung an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zu erstatten und Versicherung, Umsatz, Abwickler und Zahlungsmodalitäten bekannt zu geben (§ 7 Abs 1 PRV).

Im Fall des Nachweises einer betragsmäßig unbeschränkten Risikoabdeckung ist nach einer Erstmeldung keine Folgemeldung erforderlich (§ 7 Abs 3 PRV).

Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat einen Beirat aus sieben Mitgliedern einzurichten, dem die Kontrolle der Versicherungen und der Garantien obliegt (§ 9 Abs 1 PRV).

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (Verbraucherschutzverein) hat im Jänner 2020 stichprobenartig die GISA-Eintragungen von Reiseveranstaltern überprüft und dabei ua festgestellt:

·        Die TUI Austria Holding GmbH ist nur mit einer Versicherungssumme von 4 Millionen Euro Alle anderen TUI Konzessionen weisen keine Insolvenzabsicherung auf. Der Geschäftsführer der TUI Austria Holding GmbH verwies den VSV darauf, dass TUI in Österreich nur Vermittlertätigkeit für in Deutschland bei TUI zu buchende Pauschalreisen ausübe und die Versicherung über 4 Millionen Euro nur darauf bezogen sei, wenn Gruppenreisen doch in Österreich gebucht würden. Im Gegensatz zu Österreich ist TUI Suisse nunmehr national gegen Insolvenz abgesichert (Travel Inside 20.1.2020).

·        Die DERTOUR Austria GmbH verfügt laut GISA über keine Insolvenz-absicherung in Österreich.

·        Die MADER Reisen Vertriebs GmbH verfügt laut GISA über eine „unbefristete“ und „unbeschränkte“ Insolvenzabsicherung bei HDI Global SE in Hannover.

In Deutschland lautet der § 651r Abs 3 BGB wie folgt:

„Der Versicherer oder das Kreditinstitut (Kundengeldabsicherer) kann dem Reisenden die Fortsetzung der Pauschalreise anbieten. Verlangt der Reisende eine Erstattung nach Absatz 1, hat der Kundengeldabsicherer den Anspruch unverzüglich zu erfüllen. Er kann seine Haftung für die von ihm in einem Geschäftsjahr insgesamt nach diesem Gesetz zu erstattenden Beträge auf 110 Millionen Euro begrenzen. Übersteigen die in einem Geschäftsjahr von einem Kundengeldabsicherer insgesamt nach diesem Gesetz zu erstattenden Beträge den in Satz 3 genannten Höchstbetrag, so verringern sich die einzelnen Erstattungsansprüche in dem Verhältnis, in dem ihr Gesamtbetrag zum Höchstbetrag steht.“

Da die Insolvenz von Thomas Cook österreichische Pauschalreisende, die in Deutschland gebucht haben, geschädigt hat, das Thema in den Medien sehr präsent ist und die Buchungssaison 2020 gerade begonnen hat, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende Anfrage an die zuständige Bundesministerin

Anfrage:

1.    Welche konkreten Maßnahmen hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Interesse jener Österreicher, die bei Thomas Cook Firmen in Deutschland Pauschalreisen gebucht und bezahlt haben und deren Reise infolge der Insolvenz des Veranstalters nicht zustande kam, gesetzt bzw in Aussicht genommen, um auch für diese Reisenden eine vollständige Rückzahlung der Reisepreise in Deutschland zu erwirken?

2.    Steht das Ministerium in diesem Zusammenhang in Verbindung mit den zuständigen deutschen Behörden?

a.    Wenn ja, seit wann?

b.    Mit welchen Deutschen Behörden?

c.    Was ist der aktuelle Stand des Behördenaustausches?

3.    Hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort überprüft, ob die Insolvenzabsicherung der TUI Austria Holding GmbH bei den in Österreich erzielten Umsätzen aus der Veranstaltung von Pauschalreisen ausreichend ist?

a.    Falls ja, wann wurde diese Überprüfung vorgenommen?

b.    Falls, nein wird eine Überprüfung vorgenommen?

                                  i.    Wenn ja, wann?

4.    Welche konkreten Maßnahmen hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort an Maßnahmen gesetzt bzw in Aussicht genommen, um eine Abwanderung von Reiseveranstaltern aus Österreich nach Deutschland (wegen der dort limitierten Insolvenzabsicherung) zu verhindern und damit den Wirtschaftsstandort Österreich zu fördern?

5.    Welche konkreten Maßnahmen hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Interesse jener Österreicher, die bei einem Standort von TUI in Österreich Pauschalreisen buchen, gesetzt oder in Aussicht genommen, um die Reisenden darauf hinzuweisen, dass sie idR der deutschen und bislang limitierten Insolvenzabsicherung unterliegen?

6.    Welche konkreten Maßnahmen hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gesetzt bzw in Aussicht genommen, um Reiseveranstalter ohne Insolvenzabsicherung (und damit ohne GISA Angaben) ausfindig zu machen und gemäß der Gewerbeordnung und der Pauschalreiseverordnung dagegen vorzugehen?

a.    Sieht das Ministerium hinsichtlich der GISA Meldung der DERTOUR Austria GmbH Grund für Beanstandungen was die Insovenzabsicherung für Pauschalreisen betrifft?

                                  i.    Wenn nein, weshalb nicht?

                                ii.    Wenn ja, welche?

7.    Unterliegen deutsche Versicherer – etwa die HDI Global SE in Hannover – auch für Versicherungen österreichischer Reiseveranstalter dem § 651r Abs 3 BGB dem Limit von 110 Millionen Euro je Geschäftsjahr?

8.    Hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort die Verträge des deutschen Versicherers HDI Global SE in Hannover mit österreichischen Reiseveranstaltern inhaltlich geprüft?

a.    Wenn ja, was bedeutet die in GISA festgehaltene Höhe der Absicherung mit „unbeschränkt“ bzw bei dem Ablaufdatum der Vermerk „unbefristet“?

9.    Sieht das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Vergleich von GISA-Angaben von Reiseveranstaltern mit einer Absicherung in Millionenhöhe mit Reiseveranstaltern mit einer Absicherung „unbeschränkt“ eine Irreführung von Konsumentinnen bzw eine Umgehung des Verbraucherschutzes?

10. Welche konkreten Schritte hat das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort unternommen, um die Öffentlichkeit auf die wesentlichen Angaben zur Insolvenzabsicherung im GISA Verzeichnis hinzuweisen?

11. Gibt es Umfragen, wieviel Prozent der österreichischen Bevölkerung das GISA Verzeichnis bekannt ist?

a.    Wenn ja, was sind die Erfebnisse solcher Umfragen?

b.    Gibt es Daten über die Häufigkeit von Zugriffen auf GISA-Daten von Reiseveranstaltern?

                                  i.    Wenn ja, wie häufig wurde im Jahr 2019 auf das GISA-Verzeichnis zugegriffen?

12. Wann hat der Beirat gemäß § 9 PRV zuletzt getagt?

a.    Wann ist die nächste Sitzung des Beirates geplant?

b.    Welche Personen wurden von den Institutionen aus § 9 PRV in den Beirat delegiert?