802/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm,

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend marokkanische Pflegekräfte für Österreich

Mitten in den stockenden Kollektivvertrags-Verhandlungen in der Sozialwirtschaft lässt Österreichs größter privater Pflegeheimbetreiber SeneCura mit einer Ankündigung aufhorchen: Um den künftigen Bedarf an Pfegekräften zu decken, will SeneCura diplomiertes Pflegepersonal aus Marokko anwerben. Dazu wurde eine Kooperation mit dem privaten österreichisch-marokkanischen Verein AMOROC (Austria Moroccan Chamber) geschlossen. Auch die marokkanische Haupstadt Rabat und die marokkanische Regierung unterstützten das Projekt.

Konkret soll ab Sommer geeignetes Personal aus Marokko angeworben werden, um einen Nostrifizierungslehrgang an einer niederösterreichischen Fachhochschule zu besuchen. SeneCura will einen solchen künftig selbst anbieten. Der Pflege-Multi plant ein eigenes universitäres Pflege-Ausbildungszentrum in Grafenwörth/NÖ samt Studentenwohnheim, Hotel und Ambulatorium (SeneCura Campus Lakeside). Geplant sei, mehreren hundert Pflegerinnen und Pfleger pro Jahr einen solchen Lehrgang anzubieten.

"Wenn die Teilnehmer den Sprachkurs erfolgreich absolviert haben und Deutsch-Kenntnisse auf Niveau B2 nachweisen können, möchten wir erwirken, dass sie in unseren oder anderen österreichischen Pflegeheimen als Pflegeassistenten arbeiten und berufsbegleitend die Nostrifizierung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson ablegen können", erläutert SeneCura-Vorstandschef Anton Kellner am Montag auf einer Pressekonferenz. 

Die Kooperation mit Marokko soll die Job- und Ausbildungschancen junger Menschen in Marokko fördern. "Wir wollen nicht einfach Personal herkarren, es soll ein reger Austausch werden", so Kellner. Die SeneCura-Gruppe, Tochter der französischen Orpea-Gruppe, beabsichtigt auch als Betreiber von Pflegeeinrichtungen in Marokko tätig zu werden. In Österreich betreibt SeneCura 80 Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen.


Hohe Jugendarbeitslosigkeit

"Marokko leidet unter eine hohen Jugendarbeitslosigkeit, in Österreich suchen wir händeringend nach Pflegepersonal. Mit dieser Kooperation wollen wir einen Lösungsweg für beide Problemfelder schaffen", so der SeneCura-Chef. Mohamad Sadiki, Bürgermeister von Rabat, begrüßte bei der gemeinsamen Pressekonferenz die Kooperation und verwies auf die guten Beziehungen zwischen Österreich und Marokko.

Ein Drittel der Bevölkerung Marokkos seien Jugendliche, sagte Nabil Gouza, Vorsitzender der Jugendregierung Marokkos. Er verwies auf Deutschland, wo schon viele Marokkaner arbeiten würden. Etwa ein Drittel kehre später aber wieder in ihr Heimatland zurück.

SeneCura rechnet damit, dass die ersten Pflegekräfte aus Marokko Anfang 2021  in Österreich arbeiten werden. Da die Pflegeberufe auf der Mangelberufsliste stehen, werden sie wohl die RotWeißRot-Karte als Aufenthaltstitel bekommen. Nabil Gouza, Vorsitzender der Jugendregierung Marokkos.

Gewerkschaft empört

Die Gewerkschaft reagiert  durch die Ankündigung just am Tag der entscheidenden  Verhandlungen  für bessere Arbeitsbedingungen  in der Branche empört. Auf der einen Seite  stemme sich das Unternehmen gegen kürzere Arbeitszeiten oder höhere Löhne, um mehr Inländer für Pflegeberufe zu gewinnen. Auf der anderen Seite nehme man jetzt sehr viel Geld in die Hand,  um Pflegepersonal aus dem fernen Ausland anzuwerben, es nach Österreich zu bringen, ihnen Deutsch beizubringen  und auszubilden. „Das ist ja an Absurdität nicht zu überbieten“, heißt es bei der GPA-djp.

https://www.msn.com/de-at/news/other/gewerkschaft-emp-c3-b6rt-pflegeheim-betreiber-holt-lehrlinge-aus-marokko/ar-BBZQrAz

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende

 

 

Anfrage

 

1)    Seit wann haben Sie Kenntnis von dem Plan des privaten Pflegeheimbetreibers SeneCura marokkanisches Pflegepersonal nach Österreich zu bringen?

2)    Wurde im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und den Grünen über dieses Projekt gesprochen bzw. wurden dazu Absprachen getätigt, die vereinbart wurden?

3)    Wenn ja, welchen Inhalt haben diese Absprachen?

4)    Gab es im Zusammenhang mit diesem Projekt insbesondere Kontakt und Verhandlungen mit der niederösterreichischen Landesregierung, d.h. LH Johanna Mikl-Leitner bzw. anderen ÖVP-Landesregierungsmitgliedern?

5)    Wann fanden diese Kontakte bzw. Verhandlungen statt?

6)    Gab es im Zusammenhang mit diesem Projekt insbesondere Kontakt und Verhandlungen mit dem Management der SeneCura-Gruppe?

7)    Wann und mit wem fanden diese Kontakte bzw. Verhandlungen statt?

8)    Kennen Sie den Kooperationsvertrag zwischen SeneCura und dem österreichisch-marokkanischen Verein AMOROC (Austria Moroccan Chamber) in dieser Angelegenheit?

9)    Wenn ja, welchen genauen Inhalt hat dieser Kooperationsvertrag?

10) Wenn nein, warum nicht?

11) Haben Sie Kenntnis über den Nostrifizierungslehrgang an einer niederösterreichischen Fachhochschule für das marokkanische Pflegepersonal?

12) Wenn ja, welchen genauen organisatorischen, inhaltlichen, finanziellen und personellen Aufbau hat dieser Nostrifizierungslehrgang?

13) Wenn nein, warum nicht?

14) Haben Sie Kenntnis über ein universitäres Pflege-Ausbildungszentrum in Grafenwörth/NÖ samt Studentenwohnheim, Hotel und Ambulatorium (SeneCura Campus Lakeside)?

15) Wenn ja, welchen genauen organisatorischen, inhaltlichen, finanziellen und personellen Aufbau hat dieses universitäre Pflege-Ausbildungszentrum in Grafenwörth/NÖ samt Studentenwohnheim, Hotel und Ambulatorium (SeneCura Campus Lakeside)?

16) Gab es im Zusammenhang mit diesem Projekt SeneCura Campus Lakeside insbesondere Kontakt und Verhandlungen mit der niederösterreichischen Landesregierung, d.h. LH Johanna Mikl-Leitner bzw. anderen ÖVP-Landesregierungsmitgliedern?

17) Wann fanden diese Kontakte bzw. Verhandlungen statt?

18) Gab es im Zusammenhang mit diesem Projekt SeneCura Campus Lakeside insbesondere Kontakt und Verhandlungen mit dem Management der SeneCura-Gruppe?

19) Wann und mit wem fanden diese Kontakte bzw. Verhandlungen statt?

20) Wie deuten Sie die Aussage: „Wenn die Teilnehmer den Sprachkurs erfolgreich absolviert haben und Deutsch-Kenntnisse auf Niveau B2 nachweisen können, möchten wir erwirken, dass sie in unseren oder anderen österreichischen Pflegeheimen als Pflegeassistenten arbeiten und berufsbegleitend die Nostrifizierung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson ablegen können“ SeneCura-Vorstandschef Anton Kellner?

21)  Wurde insbesondere auf Sie als Sozialminister bereits von SeneCura-Vorstandschef Anton Kellner „eingewirkt“?

22) Wie erfolgte diese „Einwirkung“?

23) Erfolgte diese „Einwirkung“ über den Koalitionspartner ÖVP, insbesondere über die in Sachen des Sozialministeriums erfahrenen „Einwirker“ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und/oder Klubobmann August Wöginger?

24) Erfolgte diese „Einwirkung“ über den Koalitionspartner ÖVP, insbesondere über die in Sachen niederösterreichischer Interessen erfahrenen „Einwirker“ LH Johanna Mikl-Leitner und/oder Innenminister Karl Nehammer?

25) Haben Sie Kenntnis darüber, wie viele Pflegekräfte aus Marokko ab 2021 in Österreich tätig sein sollen?

26) Wenn nein, warum nicht?

27) Haben Sie Kenntnis darüber wie viele Pflegekräfte aus Marokko ab 2021 in  Österreich über die Mangelberufsliste hier tätig sein sollen?

28) Wenn nein, warum nicht?

29) Haben Sie Kenntnis darüber, wie viele Pflegekräfte aus Marokko ab 2021 über eine RotWeißRot-Karte einen Aufenthaltstitel in Österreich erhalten sollen?

30) Wenn nein, warum nicht?