866/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.02.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Abschiebezentrum in Serbien

Am 22. September 2019 äußerte sich Ex-Innenminister Herbert Kickl in der ORF Sendung Im Zentrum wie folgt: "Ich hab mir da durchaus etwas überlegt. Und ich sag das heute auch das erste Mal: Wir haben in meiner Ministerverantwortung auch einen Vertrag mit Serbien zustande gebracht, wo wir Leute, die in Österreich einen negativen Bescheid haben, die das Land verlassen müssen, aber nicht von ihren Ländern zurückgenommen werden, dann in ein anderes Land – ist gleich Serbien – bringen, damit es nur einen Unterschied macht, ob jemand rechtskräftig hier aufhältig sein darf oder eben nicht.“ (siehe ab 56:48 - https://youtu.be/NhNuBdr6Tdw).

Etwa ein Jahr davor, am 17. September 2018, haben NEOS eine Anfrage an den damaligen Innenminister Herbert Kickl bezüglich der Möglichkeit der Errichtung eines Abschiebezentrums im Parlament eingebracht (1685/J, XXVI. GP). In der Anfragebeantwortung 1685/AB vom 15. November 2018 führte Herbert Kickl aus, dass ein Konzept zur Umsetzung des Vorschlags eines Zentrums für abgelehnte Asylbewerber_innen außerhalb der EU in Ausarbeitung sei, zu diesem Zeitpunkt allerdings aufgrund der laufenden Verhandlungen mit in Frage kommenden Drittstaaten "derzeit keine weiteren Detailinformationen bekanntgegeben werden können". Laut oben zitierter Aussage von Herbert Kickl vom 22. September 2019 kam es unter seiner Zeit als Innenminister zu einem entsprechenden Vertragsabschluss mit Serbien. Konkret soll es darum gehen, abgelehnte Asylbewerber_innen, die mangels Kooperation der Herkunftsländer nicht abgeschoben werden können, in Serbien unterzubringen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Ex-Innenminister Herbert Kickl hatten 2018 immer wieder mit Plänen zur Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik aufhorchen lassen. Anfang Juni 2018 wurde etwa bekannt, dass die österreichische wie auch die dänische Regierung ein sogenanntes "Abschiebezentrum" für abgelehnte Asylwerber_innen außerhalb der EU errichten möchten (zeit.de/politik/ausland/2018-06/eu-asylpolitik-asylzentren-grenzen-daenemarkoesterreich; kurier.at/politik/ausland/kanzler-kurz-fuer-asylzentren-ausserhalb-dereu/400046219). Laut dem damaligen dänischen Ministerpräsidenten Lars Rasmussen sollte das Zentrum an einem „nicht sonderlich attraktiven“ Ort außerhalb der EU, aber noch auf dem europäischen Kontinent liegen. Bundeskanzler Kurz sprach von Zentren in sicheren Drittstaaten und bestätigt diesbezügliche Gespräche mit Dänemark und anderen europäischen Staaten. Laut der damaligen dänischen Ministerin für Ausländer und Integration, Inger Støjberg, wurden auch beim informellen Ratstreffen der Innen- und Justizminister der Europäischen Union vom 11. bis zum 13. Juli 2018 in Innsbruck Gespräche über die geplanten Abschiebezentren außerhalb der EU geführt.

Der damalige Innenminister Herbert Kickl gab im Vorfeld der Konferenz zu Sicherheit und Migration am 13. und 14. September 2018 in Wien bekannt, dass dort Gespräche mit Westbalkan-Staaten über mögliche Rückkehrzentren in diesen Ländern weiterlaufen werden. Zudem forderte Kickl, dass keine Asylanträge mehr auf EU-Boden gestellt werden können, wie durch die Veröffentlichung eines EU-Ratsvorsitz-Papieres bekannt wurde. Die geplanten Zentren für abgelehnte Asylbewerber_innen in Drittstaaten werfen einige Fragen auf.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wann wurde der oben erwähnte Vertrag mit Serbien abgeschlossen?

2.    Wer hat diesen Vertrag mit Serbien unterzeichnet (auf österreichischer und auf serbischer Seite)?

3.    Wer sind die Vertragspartner_innen? Handelt es sich um einen bilateralen oder multilateralen Vertrag?

4.    Wer war auf österreichischer Seite an den Verhandlungen beteiligt? (Bitte um genaue Auflistung der Personen und Abteilungen/Stellen.)

5.    Wer war auf serbischer Seite an den Verhandlungen beteiligt? (Bitte um genaue Auflistung der Personen und Abteilungen/Stellen.)

6.    Welche Wünsche wurden seitens Serbiens während den Vertragsverhandlungen genannt?

7.    Was ist der genaue Inhalt dieses Vertrages mit Serbien?

8.    Was erhält Serbien in dieser Abmachung als Gegenleistung?

9.    Welche Verpflichtungen ist Österreich in diesem Vertrag mit Serbien eingegangen?

10. Bestehen langfristige Verpflichtungen oder Versprechen der österreichischen Bundesregierung gegenüber Serbien?

a.    Wenn ja, welche?

11. Wie lange ist Österreich an den gegenständlichen Vertrag mit Serbien gebunden?

12. Wurden Kündigungsmöglichkeiten vereinbart?

a.    Wenn ja, welche?

13. Welche Personen sollen aufgrund des oben erwähnten Vertrages in Serbien untergebracht werden?

a.    Sollen dort in Österreich abgelehnte Asylwerber_innen untergebracht werden?

b.    Sollen dort alle abgelehnten Asylwerber_innen oder nur diejenigen, die aufgrund von tatsächlichen oder faktischen Hindernissen nicht abgeschoben werden können, untergebracht werden?

c.    Sollen dort (nur) abgelehnte Asylwerber_innen, die nicht von ihren Herkunftsländern zurückgenommen werden, untergebracht werden?

d.    Sollen dort (nur) abgelehnte Asylwerber_innen, mit deren Herkunftsländern keine Rückführungsabkommen bestehen, untergebracht werden?

e.    Sollen dort auch abgelehnte Asylwerber_innen, die aufgrund der Gefahr von Folter oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen nicht abgeschoben werden können (Non-refoulement-Gebot), untergebracht werden?

f.      Sollen dort auch andere als die genannten Personen untergebracht werden?

14. Ist beabsichtigt, auch Staatenlose in das geplante Zentrum für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien zu überführen?

15. Ist beabsichtigt, auch Kinder in das geplante Zentrum für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien zu überführen, und werden diese Kinder gegebenenfalls Zugang zu einem pädagogisch relevanten schulischen Angebot haben?

16. Wie wird entschieden, welche abgelehnte Asylbewerber_innen konkret aus Österreich in das Zentrum in Serbien gebracht werden?

a.    Wer entscheidet das?

17. Wo genau sollen die betroffenen Personen untergebracht werden? Wenn es sich um mehrere Standorte handelt, bitte um Anführung sämtlicher Standorte.

18. Soll ein neues Zentrum (oder mehrere neue Zentren) errichtet werden?

a.    Wenn ja, wo?

b.    Wenn ja, wurde damit bereits begonnen?

c.    Wenn ja, wann sollen diese Zentren bzw. dieses Zentrum in Betrieb genommen werden?

19. Sollen dafür in Serbien bereits bestehenden Asylzentren genutzt werden?

a.    Wenn ja, welche Asylzentren?

b.    Wenn ja, müssen diese Asylzentren dafür in irgendeiner Form adaptiert werden? Wenn ja, wie?

c.    Wenn ja, werden die betroffenen Personen dort getrennt von den anderen dort aufhältigen Personen untergebracht?

d.    Wenn ja, ab wann soll dort die Unterbringung der betroffenen Personen möglich sein?

20. Wie viele Menschen können in dem geplanten Zentrum in Serbien maximal untergebracht werden?

a.    Wie groß sind die Räumlichkeiten genau? Bitte um detaillierte Auskunft der Raumplanung.

b.    Unter welche Zuständigkeit fällt die Sicherstellung der Einhaltung der angegebenen maximalen Kapazität des Zentrums?

21. Welche (Vorbereitungs-)Handlungen zur Umsetzung des Vertrages mit Serbien wurden bereits gesetzt?

22. Ab wann soll es möglich sein, Personen auf Basis des gegenständlichen Vertrages aus Österreich nach Serbien zu bringen?

23. Wird in dem geplanten Zentrum für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien in Bezug auf die betroffenen Personen österreichische oder serbische Jurisdiktion gelten? Wird dort in Bezug auf die betroffenen Personen österreichisches oder serbisches Recht anwendbar sein?

24. Wird der Betreiber des geplanten Zentrums für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien eine private Firma, eine staatliche Behörde Österreichs oder eine staatliche Behörde Serbiens sein?

25. Wie hoch werden die Kosten pro Bewohner_in und Tag in dem geplanten Zentrum für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien sein? Ist dies vertraglich geregelt?

26. Wer muss für die Unterbringungskosten der betroffenen abgelehnten Asylbewerber_innen aufkommen?

27. Wird erwartet, dass die Kosten pro Bewohner_in und Tag in dem geplanten Zentrum für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien höher oder niedriger werden, als dies bei einer Unterbringung in Österreich der Fall wäre?

28. Welche Aussichten haben abgelehnte Asylbewerber_innen im geplanten Zentrum in Serbien?
a. Welcher Ablauf ist für die Menschen geplant, sobald sie in Serbien ankommen?

29. Wie lange sollen abgelehnte Asylwerber_innen in diesem Zentrum in Serbien untergebracht werden?

a.    Gibt es eine vorgegebene Maximalfrist? Wenn ja, ist diese Bestandteil des Vertrages mit Serbien?

b.    Was ist vorgesehen, wenn diese Maximalfrist für die Dauer der Unterbringung überschritten wird?

30. Sollen von dem geplanten Zentrum in Serbien auch Abschiebungen durchgeführt werden?

31. Ist sichergestellt bzw. beabsichtigt sicherzustellen, dass unabhängige Menschensrechtsorganisationen (NGOs) sowie die Menschenrechtskommissare des Europarates und der Vereinten Nationen (UNHCR) ungehinderten Zutritt zu dem geplanten Zentrum für abgelehnte Asylbewerber_innen in einem Land in Serbien haben werden?

a.    Wenn ja, ist dies im Vertrag mit Serbien festgeschrieben?

32. Werden die Bewohner_innen des geplanten Zentrums für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien einem Freiheitsentzug unterliegen, oder werden sie das Zentrum ungehindert verlassen und dorthin zurückkehren können?

33. Wurden Richtlinien zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Unterkunft und Einhaltung menschenrechtlicher Vorgaben vertraglich festgesetzt?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Welche Maßnahmen zu medizinischer Versorgung wurden für das Zentrum geplant? Wer ist für die Kontrolle der Einhaltung dieser Maßnahmen verantwortlich?

c.    Welche Richtlinien zur Erfüllung von menschlichen Grundbedürfnissen wie Essen, Wasser und Sanitäranlagen wurden vereinbart?

d.    Sind geschlechtergetrennte Sanitäranlagen vorgesehen?

e.    Ist das Zentrum kindergerecht gestaltet? Wenn ja, inwiefern?

34. Wird für die Möglichkeit einer Beschwerdemeldestelle im Zentrum gesorgt?

35. Wird es eine Kontrolle der Erfüllung von menschenrechtlichen Unterbringungsstandards geben?

a.    Wenn ja, durch wen?

36. Wie soll sichergestellt werden, dass in dem Zentrum in Serbien die völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere das Non-refoulement-Gebot, beachtet werden?

37. Aufgrund welcher Kriterien wurde Serbien als angemessenes Land zur Unterbringung von abgelehnten Asylbewerber_innen ausgesucht?

38. Ist vorgesehen oder beabsichtigt, dass auch andere EU-Staaten neben Österreich abgelehnte Asylwerber_innen in das Zentrum in Serbien überführen?

a.    Wenn ja, welche EU-Staaten?

b.    Wenn ja, wann und mit wem gab es dazu bereits bilaterale oder multilaterale Gespräche und worüber wurde konkret gesprochen?

c.    Wenn ja, gibt es dazu bereits konkrete vertragliche Vereinbarungen?

39. Hat die neue Regierung vor, den gegenständlichen Vertrag mit Serbien aufrechtzuerhalten?

40. Hat die neue Regierung vor, künftig abgelehnte Asylwerber_innen in Serbien unterzubringen?

41. Sind außer des bereits vertraglich vereinbarten Zentrums in Serbien noch weitere Zentren für abgelehnte Asylbewerber_innen in Serbien angedacht?

a.    Wenn ja, wann und mit wem gab es dazu bereits bilaterale oder multilaterale Gespräche und worüber wurde konkret gesprochen?

b.    Wenn ja, wo sollen diese errichtet werden? Wie konkret sind diese Pläne aktuell?

42. Sind außer des bereits vertraglich vereinbarten Zentrums in Serbien noch weitere Zentren für abgelehnte Asylbewerber_innen in anderen Nicht-EU-Staaten angedacht?

a.    Wenn ja, in welchen Nicht-EU-Staaten?

b.    Wenn ja, wann und mit wem gab es dazu bereits bilaterale oder multilaterale Gespräche und worüber wurde konkret gesprochen?

c.    Wenn ja, wo sollen diese errichtet werden? Wie konkret sind diese Pläne aktuell?