957/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Klimaschutz/Umwelt/Energie/Mobilität/Innovation und Technologie

betreffend Lieferverzug von Talent-3-Zügen in Vorarlberg

 

Am 16.07.2019 stellten die Vorarlberger Landesregierung, der Verkehrsverbund Vorarlberg (VVV), die ÖBB und Bahntechnik-Hersteller Bombardier, zum ersten Mal und mit großem medialen Aufgebot, einen der insgesamt 21 vom Land Vorarlberg bestellten Talent-3-Züge vor, die im Vorarlberger Nahverkehr eingesetzt werden sollen. Die Vorstellung des Zuges fand im Rahmen des "Bus-Bahn-Mobiltages" des Verkehrsverbunds Vorarlberg statt, an dem auch der Bundespräsident teilnahm. Zudem bot die Veranstaltung Inszenierungsmöglichkeiten für Landeshauptmann Markus Wallner und Landesrat Johannes Rauch, die den Zug als ganzen Stolz der Landesregierung präsentierten. Man musste ja rechtzeitig vor den Landtagswahlen irgendwie Aktivität signalisieren.

Bis heute ist die Vorarlberger Bevölkerung aber nicht in den Genuss dieser "hochmodernen, komfortablen" neuen Züge gekommen. Es gibt nur ersten Testbetrieb. Besonders gegenüber den Pendler_innen, die täglich in überfüllten Zügen unterwegs sind, ist diese Situation ein Bruch der Wahlversprechen. Die Anschaffungskosten für die 21 Züge betragen rund 140 Millionen Euro, so die VN. Vonseiten des Herstellers wurde im Mai 2019 noch argumentiert, dass der Grund für die verspätete Lieferung sei, dass "die Tests zur Zulassung der neuen Talent-3-Garnituren [...] mehr Zeit in Anspruch nehmen als geplant" und dass noch im zweiten Halbjahr 2019 mit der Lieferung gerechnet werden kann. Bis heute wurden die Züge aber nicht ausgeliefert. Der Hersteller Bombardier müsse bereits Pönalzahlungen leisten - die Höhe dieser Zahlungen ist aber unbekannt. [1] 

Bereits im Mai 2019 berichteten die Vorarlberger Nachrichten über die Lieferverzögerung von 21 Zügen des Modells "Talent-3" des Herstellers Bombardier - das Unternehmen hatte sich in einem Bieterverfahren gegen Siemens und Stadler durchgesetzt. Geplant war die Auslieferung noch im Frühling 2019, jedenfalls aber vor Beginn der Großsportveranstaltung "Gymnaestrada" am 7. Juli. Dieser vertraglich vereinbarte Liefertermin wurde seitens des Herstellers aber nicht eingehalten, obwohl es einen erhöhten Bedarf gegeben hat. Die ÖBB haben stattdessen vorübergehend sechs zusätzliche Züge des Typs Cityjet Talent 1 für die Dauer der Veranstaltung bereitgestellt.

Fehlende Gutachten, mangelhafte Betriebssoftware

In einem weiteren Bericht der Vorarlberger Nachrichten vom 9. November wurde der Lieferverzug mit fehlenden Gutachten argumentiert. Warum diese Gutachten jedoch nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt wurden, bzw. deren Notwendigkeit nicht schon früher erkannt wurde, erschließt sich nicht. Der Termin für die Auslieferung der Züge wurde Ende 2019 mit dem frühen ersten Halbjahr 2020 angegeben. Dass dieser Termin eingehalten werden kann, ist jedoch ebenso unwahrscheinlich. [2] Denn wie die VN am 29. Jänner 2020 berichteten, sind der Grund für die verzögerte Lieferung nicht nur fehlende Gutachten und eine längere Testphase als geplant, sondern darüber hinaus auch Mängel in der Betriebssoftware.

Seit 5. Dezember 2019 liegen die finalen Dokumente für die technische Zulassung der Bombardier-Züge nun beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Der Einsatz der neuen Züge ist nur mit einer Bauartengenehmigung und Betriebsbewilligung durch das Ministerium möglich. [3]

Andere Bestellungen der ÖBB bei Bombardier

Die ÖBB haben aber nicht nur für Vorarlberg Bestellungen bei Bombardier in Auftrag gegeben, sondern auch für viele andere Regionen. Medienberichten zufolge geht es um bis zu 300 Garnituren [4]. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Lieferverzug nur in Bezug auf die Garnituren eintritt, die für den Betrieb in Vorarlberg gedacht sind. Auch in Deutschland werden Bestellungen zu spät ausgeliefert [5]. Weiters wurde diese Woche bekannt, dass Bombardier mit mehr als neun Milliarden Euro verschuldet ist. Die Zug-Sparte des Konzerns steht zur Disposition: Der französische Konkurrent Alstom kauft einem Bericht des "Handelsblatts" zufolge das gesamte Eisenbahngeschäft von Bombardier. [6]

 

Quellen:

[1] https://www.vn.at/vorarlberg/2019/05/28/talent-zuege-verspaeten-sich.vn 

[2] https://www.vn.at/vorarlberg/2019/11/08/weiter-warten-auf-neue-zuege.vn

[3] https://epaper.vn.at/lokal/vorarlberg/2020/01/28/zulassung-fuer-neue-zuege-in-pruefung.vn

[4] https://industriemagazin.at/a/der-milliardendeal-zwischen-oebb-und-bombardier-ist-auf-schiene

[5] https://bnn.de/lokales/pforzheim/bombardier-ist-abellio-noch-immer-bahnen-und-softwareloesungen-schuldig

[6] https://www.derstandard.at/story/2000114508783/bombardier-steigt-endgueltig-aus-airbus-a220-aus 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:



1.    Wann wird das Ministerium die Prüfung der Dokumente abschließen bzw. wann ist mit der technischen Zulassung für die Talent-3-Züge zu rechnen?

2.    Wann werden die Talent-3-Züge nach Vorarlberg ausgeliefert?

3.    Wie hoch sind die Kosten für die Neubeschaffung der 21 Talent-3-Züge?

4.    Wie hoch sind die Pönalzahlungen, die Bombardier aufgrund der Lieferverzögerung leisten musst?

5.    Wie hoch sind die Kosten, die durch die vorübergehende Benutzung der Cityjet Talent 1-Züge entstanden sind?

6.    Anhand welcher Kriterien wurde der Hersteller ausgewählt und warum haben sich die Verantwortlichen für Bombardier entscheiden?

7.    Ab wann war absehbar, dass der Liefertermin nicht eingehalten werden kann?

8.    War bereits bei der Bestellung bekannt, dass Bombardier bei anderen Aufträgen in Lieferverzug ist?

a.    Wenn nein, wurde dieser Umstand vor Bestellung überhaupt geprüft?

9.    Wie hoch sind die Kosten, die aufgrund der Lieferverzögerung entstanden sind?

10.  Wäre eine Neuausschreibung bzw. die Vergabe an einen Mitbewerber günstiger gewesen?

11.  Gibt es andere Bestellungen der ÖBB bei Bombardier, für die bereits ein Lieferverzug besteht?

a.    Wenn ja, für wie viele Garnituren besteht ein Lieferverzug?

b.    Wenn nein, ist für noch offene Bestellungen ebenfalls mit Lieferverzug zu rechnen?

                                  i.    In welchem zeitlichen und quantitativen Maß?

12.  War bereits vor Vertragsabschluss bekannt, dass Bombardier hoch verschuldet ist?

a.    Wenn ja, warum hat man sich trotzdem für Bombardier als Hersteller entschieden?