982/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.02.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Philip Kucher,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend „Gleich gute Gesundheitsleistungen für alle" versus „wer zahlt, kommt früher dran"?

Das österreichische Gesundheitssystem war bisher stets von einem Grundsatz getragen, der den österreichischen Sozialstaat auszeichnet und auf den wir auch im international Vergleich zu Recht stolz sind: alle Patientinnen und Patienten müssen die gleiche und bestmögliche Behandlung bekommen. Daher war die Bekämpfung der Zwei-Klassen-Medizin stets eine der zentralen Aufgaben der Gesundheitspolitik.

Während der wahlkämpfende Sebastian Kurz den Österreicherinnen und Österreichern noch wortreich versichert hat, dass Leistungen verbessert und auf das höchste Niveau angehoben werden, findet sich dazu im Regierungsprogramm kein Wort mehr. Gleich gute Leistungen für alle Patientinnen und Patienten haben sich, wie die versprochene Patientenmilliarde, in Luft aufgelöst. Im Gegenteil: die Kostenexplosion bei der Kassenfusion führt nun zu drohenden Einsparungen und Selbstbehalten am Rücken der Patientinnen. Die Entwicklung der Zwei- Klassen-Medizin wurde durch zahlreiche Maßnahmen, wie z.B. Einführung von Sonderklassenambulanzen in Spitälern, befeuert, anstatt bekämpft.

Wie notwendig der konsequente Einsatz für gleich gute Leistungen für alle Patientinnen und Patienten ist, zeigen Ergebnisse einer kürzlich erschienenen Studie des Institutes für Höhere Studien („Wartezeiten auf elektive Operationen - Beschreibung der aktuellen Lage in Österreich")[1]. Eine Umfrage unter PatientInnen mit einer geplanten Hüft-, Knie- oder Schultergelenksoperation belegt, dass fast zehn Prozent der Betroffenen angeboten wurde, den Warteprozess durch private Zuzahlung oder Besuch der Privatordination (und damit ebenfalls privaten Zuzahlungen) beschleunigen zu können. Das unmoralische Angebot wurde vor allem jenen PatientInnen gemacht, die unter besonders starken Schmerzen litten oder starke Bewegungsprobleme hatten. Derartige Geschäfte mit der Not kranker Menschen zu betreiben, ist in Österreich übrigens illegal. Offenbar ist die letzte Bundesregierung aber viel zu lasch mit derartigen Fehlentwicklungen umgegangen.

Im Rahmen dieser Anfrage soll daher der bisherige Umgang der Regierungen Kurz mit der Zwei-Klassen-Medizin durchleuchtet werden. Konkret auch am Beispiel der Auswirkungen der unter Kurz und Hartinger-Klein eingeführten Sonderklasse in Spitalsambulanzen. Nach breiter öffentlicher Kritik wurde damals mittels eines eilig eingebrachten Entschließungsantrages (130/UEA XXVI. GP) zu „beruhigen" versucht. Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung wurden ersucht, mittels eines geeigneten Monitorings - sicherzustellen, dass auch im spitalsambulanten Bereich "keine Unterschiede bei der Behandlung (insbesondere Umfang und Qualität) sowie beim Zugang zur medizinischen Leistung (insbesondere Terminvergabe und Wartezeiten) zwischen PatientInnen der allgemeinen Gebührenklasse und PatientInnen mit Sondergebührenverrechnung gemacht werden". Die Umsetzung dieses Entschließungsantrages und der politische Einsatz gegen die Zwei-Klassen-Medizin soll mittels dieser Anfrage geklärt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1)      „Gleiche Leistung für gleiche Beiträge sowie eine Leistungsharmonisierung nach oben" war ein Versprechen, welches Ex-Kanzler Kurz zuletzt in der TV-Konfrontation am 18.9.2019 unterstrichen hat.

Was hat Sie als zuständigen Verhandlungsführer der Grünen dazu bewogen, diese Forderung nicht in das Regierungsprogramm aufzunehmen?

2)      Im Regierungsprogramm wird das Problem der Zwei-Klassen-Medizin nicht einmal erwähnt. Planen Sie als Gesundheitsminister im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Zwei-Klassen-Medizin dennoch tätig zu werden?

a.       Wenn ja, welche konkreten Ziele haben Sie sich gesetzt?

i.   Anhand welcher Indikatoren soll die Zielerreichung gemessen werden? [Bitte um detaillierte Angabe der jeweiligen Indikatoren.]

b.       Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen sind im Jahr 2020 geplant?

c.        Wenn ja, sind diese bereits mit Kanzler Kurz und ihrem Koalitionspartner abgestimmt?

d.       Wenn nein, warum nicht?

e.       Wenn nein: die Grünen sind bisher immer gegen eine Zwei-Klassen-Medizin aufgetreten. Befürchten Sie, dass von Ihnen ins Auge gefasste Maßnahmen an der Blockade von Kanzler Kurz scheitern?

3)      Welche konkreten Maßnahmen planen Sie um die, zum Teil sehr unterschiedlich langen Wartezeiten zu verkürzen? Bitte aufgeschlüsselt:

a.       im niedergelassenen Bereich,

b.       im stationären Bereich,

c.       auf Operationen

4)      Bis wann planen Sie, dass die Wartezeiten in den unter 3) genannten Bereichen sinken werden?

[Bitte um detaillierte Angabe bis wann, welche Zielwerte erreicht werden sollen.]

5)      Welche Maßnahmen planen Sie, um die, in der neu erschienen IHS-Studie („Wartezeiten auf elektive Operationen - Beschreibung der aktuellen Lage in Österreich“) beschriebenen, illegalen Praktiken rund um die Vorreihung von privat zahlenden PatientInnen zu bekämpfen?

a.       Sind diese bereits mit Kanzler Kurz und ihrem Koalitionspartner abgestimmt?

b.      Wenn nein: Befürchten Sie, dass von Ihnen ins Auge gefasste Maßnahmen an der Blockade von Kanzler Kurz scheitern?

6)      Planen Sie anzuregen, sogenannte „Mystery Shopper" verstärkt einzusetzen um illegale Praktiken im Gesundheitssystem zu bekämpfen?

7)      Welche gemeinsamen Strukturen mit dem Justizministerium nützen Sie im Kampf gegen illegale Praktiken und mutmaßliche Korruption im Gesundheitsbereich?

a.       Werden Sie gemeinsam mit der Justizministerin Maßnahmen ergreifen, um den Bereich der Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen auszubauen?

b.       Werden Sie gemeinsam mit der Justizministerin die Strafandrohungen für diese illegalen Praktiken im Gesundheitswesen erhöhen, um auch klar zu machen, dass es sich dabei nicht um ein Kavaliersdelikt handelt?

c.       Wenn nein: Befürchten Sie, dass solche Maßnahmen an der Blockade von Kanzler Kurz scheitern?

8)      Peter Lehner hat angekündigt, dass es keine Harmonisierung der Leistungen zwischen allen Krankenkassen geben soll, obwohl Selbständige oder Bauern in manchen Bereichen und Beamte in vielen Bereichen besser gestellt sind[2]. Werden Sie Maßnahmen ergreifen, um dennoch eine Harmonisierung aller Leistungen für alle Versicherten zu erreichen?

a.       Wenn ja, bis wann sollen in Österreich alle Leistungen harmonisiert werden?

b.       Wenn nein, warum nicht?

c.        Wenn nein: Befürchten Sie, dass von Ihnen ins Auge gefasste Maßnahmen an der Blockade von Kanzler Kurz scheitern?

9)      Damit sich die ÖGK dieses Leistungsniveau auch leisten kann, braucht es auch in der Finanzierung mehr Fairness. Beamte verdienen nicht nur mehr, sie haben stabilere Dienstverhältnisse und somit hat die BVAEB um ca. 350,- Euro mehr Beitragseinnahmen pro Versicherten als die ÖGK. Die ÖGK hingegen finanziert als einzige Kasse auch Arbeitslose und Asylwerber (bald auch Häftlinge?) über die BeitragszahlerInnen. Die Beamten und Selbstständigen leisten dazu keinerlei Beiträge. Werden Sie daher eine solidarische Finanzierung über einen Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen schaffen?

a.       Wenn ja: bis wann soll dieser umgesetzt werden?

b.      Wenn nein, warum nicht?

c.        Wenn nein: Befürchten Sie, dass ein solcher Risikostrukturausgleich an der Blockade von Kanzler Kurz scheitert?

10) Welche konkreten Handlungen wurden seitens Ihres Ressorts bisher auf Basis des Entschließungsantrags (130/UEA XXVI. GP) der Abgeordneten Gabi Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Benachteiligung von Patient/innen der allgemeinen Gebührenklasse beim Zugang zu medizinischen Leistungen in LKF- finanzierten Krankenanstalten" unternommen?

[Bitte um detaillierte, chronologische Darstellung der bisherigen Umsetzungsschritte.]

11) Wurde ein geeignetes Monitoring zur Sicherstellung, „dass auch im spitalsambulanten Bereich in LKF-finanzierten Krankenanstalten keine Unterschiede bei der Behandlung (insbesondere Umfang und Qualität) sowie beim Zugang zur medizinischen Leistung (insbesondere Terminvergabe und Wartezeiten) zwischen Patient/innen der allgemeinen Gebührenklasse und Patient/innen mit Sondergebührenverrechnung gemacht werden"?

a.       Wenn ja, gibt es dieses noch?

b.      Wenn ja, wie sieht dieses konkret aus?

c.        Wenn ja, welche Expertinnen und Experten wurden mit der Analyse und dem Monitoring insgesamt betraut?

i.   Lag der Auswahl der Expertinnen und Experten eine entsprechende öffentliche Ausschreibung zu Grunde?

d.       Wenn ja, liegen schon konkrete Ergebnisse aus dem Monitoring vor?

i.   Wie lauten die bisherigen Erkenntnisse und Ergebnisse?

         ii.  Wie regelmäßig werden Sie über etwaige Ergebnisse informiert?

iii. Wann wird dem Ersuchen im gegenständlichen Entschließungsantrag, wonach die Mitglieder des Gesundheitsausschusses „über das Ergebnis zu informieren" sind, Rechnung getragen?

e.       Wenn nein, weshalb nicht?

f.         Wenn nein, bis wann ist mit der Umsetzung des Entschließungsantrags zu rechnen?

12)  Planen Sie eine Reform des KaKuG, in der die Sonderambulanzen in Spitalsambulanzen wieder abgeschafft werden?

13)  Der Fonds der Privatkrankenanstalten (PRIKRAF), aus dem Privatspitäler mitfinanziert werden, wurde 2002 von der damaligen schwarz-blauen Regierung gegründet und wird durch die Sozialversicherungsträger finanziert. Gedacht als Kostenersatz für Sozialversicherte, die im Notfall in Privatspitälern behandelt werden. 2017 zahlten die Sozialversicherungsträger 121,5 Mio. Euro in den Fonds ein. Ab 2019 wurden die Mittel für den PRIKRAF nach den ÖVP-FPÖ-Beschlüssen um 14,7 Mio. Euro auf 146 Mio. Euro erhöht. Im Zuge der Krankenkassenreform sorgte die ÖVP-FPÖ-Regierung dafür, dass auch Schönheitskliniken, insbesondere eine, der ein besonderes Naheverhältnis zum damaligen Vizekanzler nachgesagt wurde, in den PRIKRAF aufgenommen wurden.

a.       Welche privaten Spitäler/Kliniken wurden tatsächlich seit 2018 in den Fonds aufgenommen?

b.       Wie hoch ist der Finanzierungsanteil der seit 2018 neu hinzugekommenen Spitäler?

c.        Welche Leistungen werden in diesen seit 2018 neu hinzugekommenen Spitäler für das öffentliche Gesundheitswesen erbracht?

d.       Ist geplant, den Kreis der PRIKRAF-Spitäler weiter auszudehnen?

e.       Wie werden sich die Mittel des PRIKRAF in den nächsten Jahren entwickeln?

i. Aufgeschlüsselt nach den Jahren 2020 bis 2030



[1] https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/5255/

[2] Peter Lehner, Chef des Kassendachverbands: https://orf.at/stories/315949