1027/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Cornelia Ecker, Dietmar Keck,

Genossinnen und Genossen

 

an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

 

betreffend Tierleid im großzügigen Agrarfördersystem in Österreich

 

In Österreich werden seit dem EU-Beitritt jährlich rund 2 Milliarden Euro an Agrarförderungen ausbezahlt. Für den größten Teil dieser ausbezahlten Agrarfördergelder, unter dem Titel Förderungen für den ländlichen Raum, gibt es keine vom Nationalrat beschlossen Bundesgesetze. Die Bedingungen unter denen diese Steuergelder verteilt werden, sind durch Sonderrichtlinien des Landwirtschaftsministeriums, jetzt Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT), geregelt.

 

Die Landwirtschaftsminister hatten bzw. die Ministerin des BMLRT hat in ihren Sonderrichtlinien einen großen Gestaltungsspielraum darin, wie diese Agrarförderungen gestaltet werden, an wen und unter welchen Bedingungen sie ausbezahlt wurden. Öffentliche Gelder der SteuerzahlerInnen – und darum handelt es sich bei Förderungen für den Agrarsektor – sollten dazu beitragen, Ziele zu erreichen, die gesellschaftlich erwünscht sind und die Produktion in diese Richtung zu lenken.

 

Besonders die Investitionsförderungen in Stallbauten hätten dazu beitragen können, dass die Tierhaltung langfristig nur mehr mit besseren Standards möglich wäre, womit Tierleid verhindert worden wäre. Es muss daher hinterfragt werden, warum trotz hoher Agrarfördermittel, diese gesellschaftlichen Anforderungen für ein hohes Maß an Tierwohl nicht erreicht wurden und ein erschreckendes Maß an Tierleid, das systematisch existiert, nicht verhindert wurde. Mit einem zukunftsweisenden Investitionsprogramm wäre es nicht möglich, dass noch immer mehr als 90 % der Schweine auf betonierten Vollspaltenböden gehalten werden. Investitionen in Stallbauten, die keinen hohen Tierhaltungsstandards entsprechen, sind eine Fehlinvestition in die Zukunft, da die Stallungen über Jahrzehnte bestehen und damit eine gesetzliche Anpassung an bessere Tierstandards erschweren.

 

Die jetzt öffentlich gewordenen besorgniserregenden Zustände in der Tierhaltung und beim Tiertransport müssen restlos aufgeklärt werden. Laut Medienberichten waren diese Missstände der zu frühen Trennung der Kälber von den Muttertieren, deren Transporte und deren Mastbedingungen bei Insidern längst bekannt. Die Frage ist daher naheliegend, was von Seiten des Landwirtschaftsministeriums bzw. des BMLRT unterlassen wurde, um diese nicht akzeptablen Systeme zu beseitigen und warum die hoch dotierten Fördersysteme nicht dazu beigetrugen, diese untragbaren Zustände und das unerträgliche Tierleid zu verhindern. Zudem ist zu betonen, dass die verpflichtende Kennzeichnung und die AMA-Rinderdatenbanken über jegliche Tierbewegungen (Geburt, früher Tod, Verkauf, Kauf, Schlachtung) in Europa ein enormes Aufklärungspotential bieten würden, um Tierleid zu verringern. Es müsste demnach bekannt gewesen sein, ob und wie viele viel zu junge Kälber ins Ausland geschaffen wurden, als „Ausschussware“ entsorgt, wie dies Tierärzte kritisierten. Diese Bestandes- und Verbringungsdaten in der Rinderdatenbank müssten der Landwirtschaftsministerin bekannt und zugänglich gewesen sein. Mit diesen Erkenntnissen hätten gegen diese mit Tierleid verbundene Praxis, die anscheinend in einem bestimmten Teil der Milchviehbetriebe schon länger herrscht, bereits früher Maßnahmen getroffen werden können. Da es den Vorwurf gibt, dass Kälber von Milchrasse-Kühen in Österreich zu früh vom Muttertier getrennt werden, ist eine Abfrage in der AMA-Rinderdatenbank und in europäischen Rinderbanken, in der jede Tierbewegung aufgezeichnet wird, notwendig und eine Darstellung der Daten an das Parlament dringend notwendig.

 

Zudem sollte auch die Mitverantwortung der Zuchtverbände und der damit verbundenen Hochleistungszucht geprüft werden. Denn dass Kälber zur „Ausschussware“ aufgrund der Hochleistungszucht werden, wird ebenfalls von Tierärzten kritisiert. Laut Transparenzdatenbank erhalten die Zuchtverbände ebenfalls beachtliche Fördergelder.

 

Hinterfragt muss darüber hinaus werden, ob ähnliche Zustände bei milchbetonten Rassen in der Ziegen- und Schafhaltung herrschen. Die Produktion von Ziegen- und Schafmilch hat in Österreich in den letzten Jahren stark zugenommen. Ziegen- und Schafmilch hat ein noch viel höheres Preisniveau als Kuhmilch. Daher sollte untersucht werden, ob auch dort die Praxis überhandnimmt, die Jungtiere nach der Geburt nicht lange genug mit der notwendigen kostbaren Milch zu versorgen. Es sollte untersucht werden, was mit den Jungtieren aus den Milchziegen- und Milchschafbetrieben nach der Geburt passiert, wann sie abgegeben werden und ob beim Transport, der Mast und der Schlachtung Tierschutzbestimmungen eingehalten werden.

 

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus folgende

 

Anfrage

 

 

1.    Was haben Sie als Ministerin gegen die Missstände gemacht, dass Kälber von Milchrasse-Kühen als „Ausschussware“ behandelt wurden?

 

2.    Wie viele Kälber in Österreich wurden sehr früh an Mäster verkauft: Bitte um Aufgliederung der Zahlen für die Jahre 2017-2019:  Anzahl der Kälber, die von ihren jeweiligen Geburtsbetrieben mit einem bestimmten Alter abgegeben wurden aufgegliedert in Gruppen von: Kälber im Alter von bis zu einer Woche, Kälber im Alter von einer bis 2 Wochen, Kälber im Alter von zwischen 2 und 3 Wochen, Kälber im Alter von zwischen 3 und 4 Wochen, Kälber im Alter von zwischen 4 und 5 Wochen?

 

3.    Wie viele Milchviehbetriebe haben Kälber unter einem bestimmten Alter abgegeben – Darstellung der Anzahl der Milchviehbetriebe, die Kälber jeweils in den Altersgruppen wie in Frage 2. angeführt abgegeben haben?

 

4.    Wohin gingen die Tiertransporte der Kälber im Alter von unter 4 Wochen - Gliederung nach Alter der Kälber wie unter Frage 2., Bestimmungsort der Mast und Schlachtort?

 

5.    Hatten diese betreffenden Milchviehbetriebe, die Kälber sehr früh (bis 3 Wochen nach der Geburt) von deren Müttertieren trennten, Agrarförderungen (sei es Flächenförderung, ÖPUL-Förderung, Investitionsförderung) erhalten und wenn ja, wie hoch waren diese in Summe?

 

6.    Wie viele Meldungen über Kälber, die die dritte Lebenswoche nicht überlebt haben, gab es jeweils in den Jahren 2017-2019 in Österreich und gibt es dabei eine signifikante Häufung dieser Meldungen in manchen Milchviehbetrieben?

 

7.    Wie hoch sind die Förderungen, die Zuchtverbände in Österreich jährlich erhalten und unter welchem Titel werden sie ausbezahlt?

 

8.    Was planen Sie im zukünftigen Österreichischen Programm für die Gemeinsame Agrarpolitik gegen diese Missstände, dass Milchkälber als „Ausschussware“ gelten, da der nationale GAP-Strategieplan als Grundlage für die nächste Förderperiode ab 2021 derzeit in Ihrem Ressort ausgearbeitet wird?

 

9.    Welche gesetzlichen Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um die Missstände bei allen Verursachern des Kälberleids in dieser Kette abzustellen?

 

10. Gibt es ähnliche Missstände der frühen Trennung der Jungtiere von ihren Muttertieren auch in Ziegen- und Schafmilchbetrieben und welche Recherchen haben Sie veranlasst um sicherzugehen, dass die Jungtiere in diesen Milchbetrieben nicht von ähnlichem Tierleid betroffen sind?

 

11. Investitionsförderungen für Stallbauten werden seit dem EU-Beitritt eingesetzt:

 

a)    Werden mit diesen öffentlichen Geldern noch immer Schweineställe mit Vollspalten gefördert?

b)    Werden damit noch immer Vollspaltenböden für die Rindermast gefördert?

c)    Bis zu welchem Jahr wurden Ställe mit Anbindehaltung gefördert?

d)    Wie hoch waren die Summen in den einzelnen Förderperioden (2014-2020, 2007-2013, 1999-2006, 1995-1998) für Investitionsförderungen in Stallbauten insgesamt?

e)    Wie hoch war die Summe dieser Fördermittel in den einzelnen Perioden, die ausbezahlt wurde, OHNE damit deutlich höhere Tierschutzstandards zu verknüpfen?

f)     Wie hoch waren die Beträge in den einzelnen Förderperioden, die für Vollspalten-Schweineställe ausgegeben wurden?

g)    Wie hoch waren die Beträge in den einzelnen Förderperioden, die für Vollspalten-Rinderställe ausgegeben wurden?

h)    Wie hoch waren diese Fördersummen für die Anbindehaltung seit dem EU-Beitritt?

i)     Wie hoch ist der Prozentsatz der Ausgaben für Investitionsförderungen in Stallbauten in Summe, mit denen die Tierzahl in den Betrieben erhöht wurde (Bestandserweiterung)?

 

12. Werden Sie in der nächsten Förderperiode ab 2021 wieder Stallbauten mit Vollspaltenböden fördern und wenn ja, wie argumentieren Sie diese Verwendung von Steuergeldern?

 

13. Werden Sie in der nächsten Förderperiode ausschließlich Investitionsförderungen mit hohen Tierhaltungsstandards fördern und wenn ja, wie werden diese hohen Tierschutzstandards festgelegt?

 

14. Warum treten Sie nicht dafür ein, dass bei tierischen Produkten die Art der Tierhaltung gekennzeichnet werden muss, um ausreichend Transparenz für die KonsumentInnen zu schaffen?