1263/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.03.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Justiz

betreffend Aktueller Stand der Maßnahmenvollzugsreform

 

Der Maßnahmenvollzug ist in seiner jetzigen Ausgestaltung eines Rechtsstaates unwürdig. Schon zwei Mal, 2015 und 2017, hat der EGMR Österreich wegen Menschenrechtsverstößen im Zusammenhang mit dem Maßnahmenvollzug verurteilt. Unter Justizminister Wolfgang Brandstetter wurde 2015 unter Einbeziehung von Expertinnnen und Experten ein Reformvorschlag erarbeitet. Umgesetzt wurde der Vorschlag nicht.

Die geplante Reform des Maßnahmenvollzugs lässt auf sich warten. Seit Jahren kritisiert die Volksanwaltschaft fehlende Behandlungsmöglichkeiten, gemeinsame Unterbringung mit Häftlingen im Normalvollzug, überlange Anhaltungen aufgrund fehlender Nachsorgeeinrichtungen, die zu geringe Anzahl an Gutachterinnen und Gutachtern sowie fehlende Qualitätsstandards bei Gutachten.

Im Bereich des Maßnahmenvollzugs sind nicht genügend Unterbringungsräume vorhanden, um entsprechend zu behandeln und bei Konflikten oder Zwischenfällen kurzfristig mit Verlegungen reagieren
zu können. So sind beispielsweise die forensischen Abteilungen des Neuromed Campus großteils überbelegt. Statt der 52 vorgesehenen Betten gibt es 66. Zweibettzimmer sind mit bis zu vier Betten ausgestattet. Dadurch gibt es keinerlei Privatsphäre.

Die Raumnot ist dermaßen groß, dass sogar ein Isolierzimmer dauerhaft belegt ist und ein Patient auf dem Gurtenbett schlafen muss.

Immer wieder sind die Kommissionen und die Volksanwaltschaft auch mit Beschwerden über die Qualität von Gutachten konfrontiert. Im Strafverfahren geben diese Gutachten den Ausschlag, ob eine Person in den Maßnahmenvollzug eingewiesen wird; danach, ob und wann eine bedingte Entlassung empfohlen werden kann.

Die Volksanwaltschaft legt nun das Ergebnis einer Experten_innen-Arbeitsgruppe vor - "Gutachten als Schlüsselfaktoren im Maßnahmenvollzug", das die Mängel benennt und analysiert, um in den Schlussfolgerungen in das Gesetzesreformverfahren einzugehen.

Bis heute gibt es keinen öffentlichen Gesetzesentwurf.

Im Jahr 2019 wurde ein Diskussionsentwurf für einen Ministerialentwurf für ein "Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Gebührenanspruchsgesetz, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Erwachsenenschutzvereinsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über den Vollzug freiheitsentziehender vorbeugender Maßnahmen nach § 21 StGB (Maßnahmenvollzugsgesetz – MVG) erlassen wird (Maßnahmen-Reform-Gesetz 2020)" bereits ausgewählten Stellen zur Vorbegutachtung zugeleitet.

Auf Seite 27 des aktuellen Regierungsprogrammes 2020-2024 findet sich das Kapitel "Reform des Maßnahmenvollzugs".

·        "Zweck der Unterbringung ist einerseits die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und andererseits die erforderliche medizinische Behandlung sowie die Resozialisierung.

·        Überarbeitung der derzeit geltenden Rechtsgrundlagen hin zu einem modernen Maßnahmenvollzugsgesetz unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EGMR, insbesondere zum Rechtsschutzsystem.

·        Berücksichtigung der Empfehlungen der Evaluierungen zu erhöhten Einweisungszahlen.

·        Enthaftung von untergebrachten Rechtsbrechern, ausschließlich wenn durch Gutachten angenommen wird, dass keine weitere gleichartige Straftat begangen wird; Verbesserung des Prozesses des Entlassungsmanagements inner- und außerhalb von Anstalten.

·        Berücksichtigung der Kosten des Maßnahmenvollzuges gem. § 21 Abs. 1 StGB im Rahmen des Finanzausgleichs.

·        Errichtung einer weiteren Sonderanstalt bzw. eines Forensisch-therapeutischen Zentrums für den Bereich des Maßnahmenvollzugs gemäß § 21 Abs. 1 StGB in Fortführung der sog. „Insourcing-Strategie“.

·        Umwidmung von bestehenden Abteilungen unter Einhaltung des Trennungsgebots und höchstmögliche interne Erweiterung der Kapazitäten zur Bewältigung der Anstiege der Anzahl an Untergebrachten nach § 21 Abs. 1 und 2 StGB.

·        Errichtung baulich getrennter Departments für nach § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachte möglichst auf dem Areal einer bestehenden Justizanstalt auf Grund steigender Anzahl Untergebrachter (JA Graz-Karlau, Stein, Garsten).

·        Verhandlung neuer Verträge zur Behandlung der Insassen in Krankenanstalten.

·        Überprüfung des Einweisungserfordernisses Anlasstat.

·        Maßnahmen zur Reduktion der Rückfallsgefahr während der Probezeit."

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wie ist der Stand des Reformprojektes "Maßnahmenvollzug"? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

2.    Welche Priorität hat das Reformprojekt "Maßnahmenvollzug" für Sie?

3.    Wann soll die Reform des Maßnahmenvollzug umgesetzt werden?

4.    Wann ist mit der Fertigstellung des Gesetzesentwurfes zu rechnen?

5.    Wann wird der Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt werden?

6.    Wann wird der Gesetzesentwurf dem Parlament vorgelegt werden?

7.    Ihre Ressort verfügt über Budgetberechnungen, welche Budgetmittel für die Realisierung der Reform notwendig wären. Welche budgetären Mittel benötigen Sie zusätzlich, in welcher Höhe und in welchem Zeitrahmen, um die Reform umsetzen zu können? (Um detaillierte Angaben wird ersucht. Sofern keine detaillierten Angaben gemacht werden können, wird um eine Schätzung ersucht.) 

8.    Steht das Justizministerium bereits in konkreten Verhandlungen mit dem Finanzministerium um die für die Reform notwendigen Budgetmittel sicherzustellen?

a.    Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Wenn ja, mit welchen Ergebnis?