1273/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.03.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Tod eines Rekruten

 

„Ich verbrenne! Ich sterbe! Holen Sie einen Arzt!“. Mit diesen Worten schrie ein junger Rekrut am 3. August 2017 bei einem Hitzemarsch im Waldviertel um Hilfe, wie der Falter am 10.03.2020 berichtete (https://www.falter.at/zeitung/20200310/ich-sterbe-holen-sie-einen-arzt). Wie aus den verschiedensten Zeugeneinvernahmen und Tatortrekonstruktionen hervorgeht, wurde der junge Mann entgegen eindeutigen internen Dienstvorschriften und trotz zweimaligen Zusammenbruchs weiterhin zum Marschieren gedrängt, so lange, bis er zusammenbrach. Erst nach dem dritten Zusammenbruch wurde Hilfe geholt. Anstatt den Mann jedoch sofort ins Spital zu bringen, wie es die Regeln vorsehen, ließ man ihn noch eine Dreiviertelstunde im Feld und dann weitere zehn Minuten am heißen Asphalt liegen, woraufhin er wenig später im Krankenhaus verstarb.

Aus den Ermittlungsprotokollen ergeben sich einige Fragen und Widersprüche. Unter anderem revidierte der verantwortliche Gefreite eine bereits getätigte Aussage zu einem späteren Zeitpunkt. Zeugenaussagen von Rekruten zeichnen ein gänzlich anderes Bild als jenes, das vom Verteidigungsministerium an die Öffentlichkeit gebracht wurde. Besonders erschwerend kommt hinzu, dass ein von den Eltern des Verstorbenen eingeholtes Privatgutachten eines Universitätsprofessors das ursprüngliche gerichtsmedizinische Gutachten als nicht schlüssig und mangelhaft zerlegte.

Als die Staatsanwaltschaft Krems das Verfahren einstellen wollte, kamen das OLG, eine Richterin sowie der damalige Justizminister dazwischen, da die Beweislage sehr deutlich für das Vorliegen einer objektiven Sorgfaltswidrigkeit sprach. Nicht nur die Anordnung des Marsches, sondern auch die Unterlassung der Organisation einer sofortigen ärztlichen Intervention wurden von Richterin Katharina Kotanko und dem Landesgericht Krems für sorgfaltswidrig befunden. 

An die Öffentlichkeit gelangt dieser Fall nun erneut, weil das Verfahren am 4. Februar 2020 eingestellt wurde. Die Anklagebehörde kam zum Schluss, dass die Vorgesetzten des Grundwehrdieners zwar nicht die Vorschriften eingehalten hätten, weil sie nicht sofort die Rettung verständigten. Die durch diese Verzögerung verursachte Erhöhung der Todeswahrscheinlichkeit um 40% reichte der Staatsanwaltschaft jedoch nicht für eine Anklage. Zur Begründung zitierte sie auch den Endbericht jener Untersuchungskommission, die Verteidigungsminister Doskozil eingerichtet hatte. Diese urteilte wesentlich milder als das Gericht ein halbes Jahr zuvor. Der Hitzeerlass, so die Argumentation der Kommission, verbiete ja Hitzemärsche nicht explizit, sie seien nur „zu vermeiden“. 

Die Eltern des Verstorbenen wandten sich nun an die Presse, um gegen das Verfahren vorzugehen. Sie sind überzeugt davon, dass die Überlebenschancen ihres Sohnes durch sofortige Alarmierung der Rettung - also Handeln nach Vorschrift - deutlich höher gewesen wären. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Gab es in dem Ermittlungsverfahren jemals Weisungen der OStA an die ermittelnden Staatsanwält_innen?

a.    Wenn ja, in welchem Zusammenhang, wann und wie lautete deren Inhalt?

2.    Wie viele Dienstbesprechungen mit Vertreter_innen der OStA und/oder des BMJ einerseits und den ermittelnden Staatsanwält_innen andererseits gab es insgesamt in der Causa seit der Zuständigkeit der StA?

3.    Gab es irgendwelche Dienstbesprechungen mit Sektionschef Pilnacek und/oder der OStA und/oder den ermittelnden Staatsanwält_innen?

a.    Wenn ja, was war der genaue Inhalt dieser Besprechungen?

b.    Drängten Pilnacek und/oder weitere Vertreter_innen der Fachaufsicht/des BMJ (erneut) darauf, das Verfahren zumindest teilweise einzustellen?

                                  i.    Wenn ja, mit welchen Argumenten?

                                ii.    Wenn ja, wer genau drängte auf die (teilweise) Einstellung des Verfahrens?

                               iii.    Wenn ja, seit wann ist Ihnen das bekannt?

4.    Gab es in diesem Verfahren Dienstbesprechungen, in denen der StA Handlungen untersagt wurden?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, wer nahm jeweils an den Dienstbesprechungen teil?

c.    Wenn ja, welche Handlungen wurden jeweils untersagt?

d.    Wenn ja, wer untersagte der StA, konkrete Handlungen zu setzen?

5.    Gab es in diesem Verfahren Dienstbesprechungen, deren Ergebnis das ursprüngliche Ansinnen der ermittelnden Staatsanwält_innen abänderte?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn ja, wann?

c.    Wenn ja, wer nahm jeweils an den Dienstbesprechungen teil?

d.    Wenn ja, was war das ursprüngliche Ansinnen und was die abgeänderte Vorgehensweise?

e.    Wenn ja, wer gab den Auftrag zur Änderung des ursprünglichen Ansinnens?

6.    Gab es in dem Ermittlungsverfahren Weisungen der Bundesministerin für Justiz oder sonstiger befugter Organe?

a.    Wenn ja, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

7.    Gab es sonstige Interventionsversuche, welcher Art auch immer, in dieser Causa?

a.    Wenn ja, wann, durch wen, bei wem, auf welche Art und Weise und mit welchem Inhalt?

8.    Wie lange dauerten die fachaufsichtlichen Prüfungen in diesem Verfahrenskomplex insgesamt und welche Verzögerung(en) trat(en) hier ein und weshalb?

9.    Wann wurden welche Ermittlungsschritte gesetzt?

10. Trafen sich Personen aus dem BMJ mit Personen, gegen die in dieser Causa ermittelt wird? Bitte um detaillierte Auflistung nach Datum, Teilnehmer_innen, Anlass, Inhalt und Ergebnis.

a.    Wenn ja, seit wann ist Ihnen das bekannt?

11. Gab es Besprechungen zwischen Personen aus dem BMJ und dem BMLV? Bitte um detaillierte Auflistung nach Datum, Teilnehmer_innen, Anlass, Inhalt und Ergebnis.

a.    Wenn ja, seit wann ist Ihnen das bekannt?

12. Der damalige Justizminister ordnete per Weisung an, der Gerichtsmediziner Wolfgang Denk müsse noch einmal Stellung nehmen, da ein Privatgutachten von Universitätsprofessor Krause Denks Gutachten als "nicht schlüssig und nicht mängelfrei" in Frage stellte. Denk blieb bei seinem Gutachten, bestritt nun aber die hohe Überlebenswahrscheinlichkeit nicht mehr.

a.    Seit wann ist Ihnen dies bekannt?

b.    Wurde angedacht, ein drittes Gutachten einzuholen?

                                  i.    Wenn ja, wann von wem?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Gab es Treffen zwischen Personen aus dem BMJ und Wolfgang Denk? Bitte um detaillierte Auflistung nach Datum, Teilnehmer_innen, Anlass, Inhalt und Ergebnis.

13. Die Anklagebehörde zitiert in ihrer Begründung zur Einstellung des Verfahrens mitunter den Endbericht jener Untersuchungskommission, die Verteidigungsminister Doskozil eingerichtet hatte. Die Kommission urteilte wesentlich milder, als das Gericht ein halbes Jahr zuvor. Letzteres ging nämlich sehr wohl vom Vorliegen einer objektiven Sorgfaltswidrigkeit allein durch die Anordnung des Marsches aus.

a.    Wurde in Bezug auf die Begründung von Seiten des BMJ Einfluss auf die Anklagebehörde genommen?

                                  i.    Wenn ja, inwiefern? 

                                ii.    Wenn ja, welche Personen waren hier involviert?

b.    Weshalb wurde dem Endbericht einer Untersuchungskommission in der Sache mehr Gewicht beigemessen, als den eindeutigen Aussagen des Gerichts?