1282/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.03.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Abgeordneten Julia Herr, Genossinnen und Genossen

 

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

 

betreffend Corona-Virus-Ausbruch in Ischgl und die Reaktion der zuständigen

Behörden

 

 

In Ischgl wurde die Corona-Gefahr zu lange ignoriert - trotz Hinweisen aus dem Ausland. In

einem Artikel vom 16.3.2020 titelt t-online.de: "Ischgl war die heimliche Virus-Drehscheibe in

Europa". Auf Grund aktueller Informationen (Stand 16.3.2020) konnten mehrere hundert

Corona-Infektionen bis nach Ischgl zurückverfolgt werden. Fast die Hälfte der Corona-Fälle

in Tirol haben Ischgl-Bezug. Stand 14.3.2020 wies Norwegen 459 (von 907 Fällen) erkrankte

Österreich-Urlauberlnnen aus, in Schweden gibt es zum selben Zeitpunkt 137 von 775

Erkrankungen mit Österreich-Bezug. Was konnte bisher eruiert werden? Ein Mitarbeiter der

Bar "Kitzloch" war infiziert, das wurde am 7.3.2020 am Abend bekannt. Die Bar wurde jedoch

erst zwei Tage später geschlossen und nur 22 Personen wurden daraufhin in Quarantäne

gestellt. Laut Tiroler Landessanitätsdirektion hielt man noch am 8.3.2020 eine Übertragung

des SARS-Cov-2-Virus auf Gäste aus "medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich".

Außerdem berichtet Die Presse, dass Ischgl-Urlauberlnnen, die in einer der Apres-Ski-Bars

im Ort waren und Symptome zeigten, nicht getestet wurden.

 

Am 10.3.2020 wurde die Bar sowie alle anderen Apres-Ski-Bars im Ort geschlossen. Am

12.3. wurden die Lifte sowie Hotels geschlossen.

 

Tiroler Notärzte warnten bereits Tage zuvor, dass eine Katastrophe im Aufziehen sei. Auch

die Aussage des Bürgermeisters von St. Anton, Helmut Mall, im Profil-Interview vom

14.3.2020 wirft ein schlechtes Licht auf das Krisenmanagement in Tirol. Mall: "Ich war schon

seit Wochen skeptisch, dass wir weiterhin wöchentlich 200.000 Gäste nach Tirol geholt

haben, [ ... ]." Thomas Mayer beschreibt es in seinem Kommentar im Der Standard vom

15.3.2020 folgendermaßen: "Die Gier hat die Verantwortung für die Gesundheit der Bürger

und der Gäste besiegt. Man wollte diese letzte 'starke Touristenwoche' noch ,mitnehmen',

auf dass die Kassen der Liftbetreiber und Hoteliers klingeln." In einem Artikel im Handelsblatt

vom 13.3.2020 wird vom Widerstand der Skiliftbetreiber gegen die Schließungen

geschrieben: "Bis zuletzt hatten sich die österreichischen Skigebiete geweigert, zuzusperren.

Dabei hatte es einige Erkrankungen in den Ferienorten gegeben, etwa in

Saalbach-Hinterglemm. Offenbar fürchteten die Betreiber, dass Saisonkartenbesitzer einen

Ausgleich fordern, wenn sie ohne behördliche Anweisung schließen."

 

Das Ausland reagierte vorsichtiger und schneller. So erklärte Island bereits am 5.3.2020

Ischgl zum Risikogebiet und stellte alle Heimkehrer ab 29.2.2020 unter Quarantäne.

Norwegen bittet nach den Berichten aus Island eine Reisegruppe aus Ischgl bereits am 7.

März zu Tests. Auch Dänemark erklärte in der selben Woche Ischgl zum Risikogebiet.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

 

1.)    Seit wann war behördlich bekannt bzw, dass vermehrt ausländische UrlauberInnen
aus Ischgl positiv auf COVID-19 getestet wurden?

 

 

2.)    Welche Einschätzungen bekamen Sie von den zuständigen Behörden in Tirol am:

a.       1.3.2020

b.       2.3.2020

c.       3.3.2020

d.       4.3.2020

e.       5.3.2020

f.        6.3.2020

g.       7.3.2020

h.       8.3.2020

i.         9.3.2020

j.         10.3.2020

k.       11.3.2020

l.         12.3.2020

jeweils übermittelt? Gab es Ihrerseits oder von Seiten Ihres Ressorts Nachfragen

oder Weisungen in dieser Sache?

 

3.)    Wurden sie vom Bundesministerium für europäische und internationale
Angelegenheiten über Reisewarnungen nach Österreich bzw. Tirol informiert?

a.       Wenn ja, wann und welche Staaten betraf das jeweils?

b.       Wenn nein, seit wann wussten Sie von der Einschätzung Islands, Norwegens oder Dänemarks?

 

4.)    Wurden andere Staaten über die Situation in Tirol, insbesondere Ischgl, von Ihrem Ressort oder durch das BMeiA auf Betreiben Ihres Ressorts informiert und wie verlief
die internationale Zusammenarbeit in Hinblick auf die Eindämmung der
Infektionsherde in Tirol generell?

a.       Wenn ja, wann und welche und durch welche Kanäle?

b.       Wenn nein, warum nicht?

 

5.)    Widersprachen sich Einschätzungen von anderen Staaten mit der Einschätzung der Tiroler Behörden?

a.       Wenn ja, bitte um Ausführung der Widersprüche/des Widerspruchs.

b.       Was wurde Ihrerseits unternommen, um Widersprüche aufzuklären?

 

6.)    Aus welchen Gründen wurde die Bar ("Kitzloch") nicht mit sofortiger Wirkung – nach Bekanntwerden des positiven Tests des Mitarbeiters - behördlich geschlossen?

a.       Wann wurde erstmals Ihres Wissens nach eine Schließung angedacht?

 

7.)    Wann wurden Sie erstmals über die Situation in Ischgl informiert?

 

8.)    Gab es Ihrerseits Weisungen an die Sanitätsdirektion in Tirol, die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde und / oder an den Landeshauptmann in Tirol?

a.       Wenn ja, welche und wann?

 

9.)    Wann hat der Tiroler Landeshauptmann, Mitglieder der Tiroler Landesregierung, die Landessanitätsdirektion Tirol oder die BH Landeck Kontakt mit Ihnen aufgenommen,
um deren jeweiligen Einschätzungen zu überprüfen?

a.       Wenn ja, wann und welche Antwort haben Sie jeweils gegeben?

 

10.) Auf welchen Grundlagen wurde die Situation in Tirol, insbesondere Ischgl, vom Gesundheitsministerium eingeschätzt?

a.       Wenn ja, warum und spielten falsche Einschätzungen der Sanitätsdirektion in Tirol eine Rolle?

 

11.) Ist Ihnen bekannt, dass nicht-behördliche Stellen - insbesondere Seilbahnbetreiber - an die zuständigen Behörden herangetreten sind, um diese von der (unverzüglichen) Schließung von Bars, Lokalen und Skiliften in Tirol abzubringen?

a.       Wenn ja, wann und welche?

 

12.) Wann haben Sie den Bundeskanzler, den Außenminister und den Innenminister erstmals über die besondere Situation in Ischgl bzw. Tirol informiert?

 

13.) Hat Bundesministerin Köstinger oder ihr Ressort bei Ihnen jemals die Rücksichtnahme auf die Interessen der Tourismuswirtschaft releviert?

 

14.) Der Bundeskanzler hat in der ZIB Spezial am 15.3.2020 ausgeführt, dass die

Bundesregierung nicht auf Grund von Verdachtsmomenten, sondern lediglich auf

Grund von Fakten handle. Seit wann ist eine solche Abkehr vom Vorsorgeprinzip
Praxis der Gesundheitsbehörden?