1438/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend Überwachungsmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19

 

 

Im Zuge der Corona-Krise hat das Rote Kreuz eine App zum privaten Tracking von mit COVID-19 infizierten Personen präsentiert, mit der die Anwender nicht nur sich, sondern auch ihre Familie und Arbeitskollegen vor einer etwaigen Ansteckung mit dem Coronavirus schützen können soll. Die App wurde vom Unternehmen Accenture Österreich entwickelt, welches sich auch finanziell beteiligt hat. Kernstück der Anwendung, die auch von der Uniqa Privatstiftung mit zwei Millionen Euro für die Entwicklung, den Betrieb und die Vermarktung der App unterstützt wurde, ist laut dem Roten Kreuz derzeit noch ein Kontakt-Tagebuch, in dem persönliche Begegnungen mittels eines anonymen „Handshake" gespeichert werden. Sollten bei einer Person Corona-Symptome auftreten, wird man als Kontaktperson unverzüglich benachrichtigt und aufgefordert, sich in Selbstisolation zu begeben. Diesbezüglich sollen die Funktionen der App jedoch ausgeweitet werden. Bisher haben 180.000 Menschen die App freiwillig heruntergeladen.

 

Unlängst sprach sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka für eine umfangreiche Verpflichtung zur Verwendung einer solchen App für alle Nutzer eines Smartphones sowie eine Überwachung mittels eines elektronischen Überwachungs-Schlüsselanhängers für all jene Personen, die über kein Smartphone verfügen, aus.

 

Der Datenschutzexperte Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó äußert sich in einem Gastkommentar in der Tageszeitung „Die Presse" dazu am 05.04.2020 wie folgt: „Es ist meines Erachtens so gut wie sicher, dass eine massenhafte, personenbezogene, einwilligungslose Standortdatenüberwachung rechtswidrig ist." und „In der ersten echten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg sind wir alle gefordert, eines zu zeigen: Grundrechte sind kein Schönwetterprogramm, sie müssen gerade in der Krise Bestand haben und das gift erst recht, wenn man, wie hier, die Büchse der Pandora einer undifferenzierten Massenüberwachung öffnen würde und diesen Geist nie wieder in die Flasche bekommen würde."

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die nachstehenden unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

 

 

 

Anfrage

 

  1. Sollen österreichische Bürger verpflichtend eine Überwachungs-App, mit der Begründung, dies diene der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, nutzen müssen?

            a. Wenn ja, ab wann?

            b. Wenn ja, von welchem Entwickler wird das entsprechende System zugekauft (Accenture,                      Palantir, usw.)

            c. Wenn ja, warum?

2.      Sollen österreichische Bürger verpflichtend einen Überwachungs-Schlüsselanhänger mit der Begründung, dies diene der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, nutzen müssen?

            a. Wenn ja, ab wann?

            b. Wenn ja, von welchem Entwickler wird das entsprechende System zugekauft?                                (Accenture, Palantir, usw.)

            c. Wenn ja, warum?

3.      Welche Anbieter von Überwachungs- oder Trackingapps sind an Sie im Zusammenhang mit der Bekämpfung von COVI D-19 herangetreten? (Bitte Datum der Kontaktaufnahme, Kontaktperson und unterbreitetes Angebot angeben)

4.      Welche Anbieter von Überwachungs-Schlüsselanhänger oder ähnlicher technischer Lösungen sind an Sie im Zusammenhang mit der Bekämpfung von COVID-19 herangetreten? (Bitte Datum der Kontaktaufnahme, Kontaktperson und unterbreitetes Angebot angeben)

5.      Wurde der Verfassungsdienst mit der Frage nach Wegen zur verfassungskonformen Verwendung von Überwachungssoft- oder hardware zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 befasst?

            a. Wenn ja, wann?

            b. Wenn ja, wann wurde seitens des Verfassungsdienstes geantwortet?

            c. Wenn ja, welche Antwort wurde vom Verfassungsdienst gegeben?

            d. Wenn nein, warum nicht?

6.      Wurden externe Unternehmen mit der Frage nach Wegen zur verfassungskonformen Verwendung von Überwachungssoft- oder hardware zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 befasst?

            a. Wenn ja, welche?

            b. Wenn ja, wann?

            c. Wenn ja, wann wurde auf die Frage geantwortet?

            d. Wenn ja, welche Antwort wurde gegeben?

7.      Wie möchte man sicherstellen, dass jeder Bürger eine App zum Tracking von mit COVID-19 infizierten Personen auf seinem Smartphone installiert?

8.      Sind Sanktionen für Bürger vorgesehen, die sich weigern, eine App zum Tracking von mit COVID-19 infizierten Personen auf ihrem Smartphone zu installieren?

            a. Wenn ja, warum?

            b. Wenn ja, welche?

            c. Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?

            d. Wenn ja, gibt es diesbezüglich rechtliche Bedenken, insbesondere unter                                                Bedachtnahme auf Datenschutz, Grundrechten und Verfassungsrecht?

9.      Inwiefern ist eine verpflichtende Nutzung einer App zum Tracking von mit COVID-19 infizierten Personen mit der EU-Datenschutzverordnung, den Grundrechten und der Verfassung vereinbar?


10.  lm Falle einer länger andauernden Pandemie, die über die zeitliche Konformität sowohl seitens der Verfassung als auch seitens der EU-Datenschutzverordnung geht, tritt sodann die verpflichtende Nutzung der App zum Tracking von mit COVID-19 infizierten Personen außer Kraft?

            a. Wenn ja, wäre eine verpflichtende Nutzung dann nicht von Beginn an kontraproduktiv?

            b. Wenn nein, wie soll eine Ausdehnung des rechtlich konformen Nutzungszeitraumes                                umgesetzt werden?

11.  Soll die Verwendung der entsprechenden App verpflichtend bleiben bzw. weiterhin von öffentlichen Stellen empfohlen werden, auch wenn die globalen Auswirkungen der Pandemie nicht mehr Europa bzw. insbesondere Österreich betreffen?

12.   Wie kann sichergestellt werden, dass die erhobenen Daten tatsächlich nach dem verpflichtenden Zeitraum nachhaltig und zuverlässig vernichtet werden?

13.  Welches Unternehmen produziert die Überwachungs-Schlüsselanhänger für die Menschen, die über kein Smartphone verfügen?

14.  Wo werden die Überwachungs-Schlüsselanhänger für die Menschen, die über kein Smartphone verfügen, produziert?

15.  Sind die betreffenden Überwachungs-Schlüsselanhänger, für Menschen die über kein Smartphone verfügen, bereits bestellt?

            a. Wenn ja, wann sind die Überwachungs-Schlüsselanhänger bestellt worden?

            b. Wenn nein, wann ist eine Bestellung geplant?

16.  Was kostet die Entwicklung und die Produktion der Überwachungs-Schlüsselanhänger?

17.  Wer trägt die Entwicklungs- und die Produktionskosten?

18.  Welche Software ist auf den Überwachungs-Schlüsselanhängern installiert?

19.  Wie funktioniert diese Software?

20.  Sind Sanktionen für Bürger vorgesehen, die sich weigern, einen Schlüsselanhänger oder ähnliches zum Tracking von mit COVID-19 infizierten Personen zu verwenden?

            a. Wenn ja, warum?

            b. Wenn ja, welche?

            c. Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?

            d. Wenn ja, gibt es diesbezüglich rechtliche Bedenken, insbesondere unter                                                Bedachtnahme auf Datenschutz, Grundrechten und Verfassungsrecht?

21.  Wie werden die mit den Überwachungs-Schlüsselanhängern generierten Daten weiterverarbeitet?

22.  Welche Daten werden auf den Überwachungs-Schlüsselanhängern gespeichert?

23.  Wie werden die am Smartphone generierten Daten weiterverarbeitet?

24.  Werden Personen im Öffentlichen Dienst die Daten der Überwachungs-Schlüsselanhänger auswerten?

            a. Wenn ja, welches Ministerium wird die Daten überwachen?

            b. Wenn ja, wie viele Personen werden für die Überwachung eingesetzt?

            c. Wenn ja, soll die Überwachung rund um die Uhr erfolgen?

            d. Wenn nein, warum?

25.  Werden private Unternehmen die Daten der Überwachungs-Schlüsselanhänger auswerten?

            a. Wenn ja, welche?

            b. Wenn ja, welche Vorgaben werden seitens der Regierung für diese Unternehmen                                  gemacht?

            c. Wenn ja, wie viele Personen werden für die Überwachung eingesetzt?

            d. Wenn ja, soll die Überwachung rund um die Uhr erfolgen?

            e. Wenn nein, warum?


26.  Wurde diese Software von Österreichischen Behörden getestet?

            a. Wenn ja, inwiefern?

            b. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

            c. Wenn ja, von wem?

            d. Wenn ja, wann?

            e. Wenn nein, warum?

27.  Mit welchen laufenden Kosten ist bei Verwendung eines Überwachungs-Schlüsselanhängers zu rechnen? (Batterien, Wartungskosten, usw.)

28.  Wer trägt die laufenden Kosten für diese Überwachungs-Schlüsselanhänger?

29.  Werden entsprechende Überwachungssysteme zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 nach dem Bewältigen der Krise entfernt oder für den Fall einer neuen „Krise" in Bereitschaft gehalten?

30.  Muss, soll oder darf eine Überwachungs-App nach der COVID-19-Krise deinstalliert werden?

31.  Muss, soll oder darf ein Überwachungs-Schlüsselanhänger nach der COVID19-Krise vernichtet oder retourniert werden?

            a. Wenn die Geräte vernichtet werden sollen, ist das privat möglich?

            b. Wenn die Geräte vernichtet werden sollen, wie ist das möglich?

            c. Wenn die Geräte retourniert werden sollen, an wen?

            d. Wenn die Geräte retourniert werden sollen, bis wann?

            e. Wenn die Geräte retourniert werden sollen, wie kann dann eine weitere Auswertung                             verhindert werden?

32.  Sind die mit freiwilligen oder verpflichtenden Systemen zur Bekämpfung der COVID-19-Krise gewonnenen Daten dazu geeignet, ein Sozialkredit-System zu etablieren?

            a. Wenn ja, inwiefern?

            b. Wenn nein, warum nicht?