1512/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Ein österlicher Erlass

 

Dieser Erlass auf Grundlage von § 15 Epidemiegesetz 1950 betreffend "Verbot von Zusammenkünften" mit der Geschäftszahl: 2020-0.201.688 vom 1. April 2020 wurde ohne größere Ankündigung oder weitere Erklärung auf der Homepage des Gesundheitsministeriums https://www.sozialministerium.at/lnformationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Rechtliches.html veröffentlicht.

Schon bald war klar, dass es sich dabei um keinen Aprilscherz handelte.

Vielmehr wurden im Wege dieses Geschäftsstücks die schriftliche Weisung (d.h. eine verwaltungsinterne Anordnung an die nachgeordneten Dienststellen) an die Landeshauptläute gerichtet, diese mögen die ihnen unterstellten Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaften und Magistrate der Statutarstädte) anweisen entsprechende Verordnungen in Kraft zu setzten.

Diesem Auftrag wurde auch in Windeseile Folge geleistet. Sogleich waren in Österreich flächendeckend mehr oder weniger gleichlautende Verordnungen der BVB kundgemacht und somit in Geltung.

Etwas zeitverzögert entspann sich in den Folgetagen eine öffentliche Diskussion um die Frage: "Jo dürfen's denn des?"

Hinter dieser einfachen Frage, so trivial sie scheinen mag, verbirgt sich gewaltiger (verfassungs-)rechtlicher Zündstoff, der weiterer Klärung bedarf.

Abgesehen von dieser inhaltlichen Frage ist die Vorgehensweise, wie dieser Erlass entstand und sich in Folge in den VO der BVB materialisierte zu hinterfragen.

Insbesondere verwundert es, dass ein solches Geschäftsstück, in dem solch weitreichende Eingriffsabsichten in die Privat- und Freiheitsrechte der in Österreich lebenden Menschen enthalten ist, de facto unkommentiert sowie in Folge unwidersprochen seinen Behördengang durch alle Ebenen nehmen konnte.

Dass den an der Durchsetzung beteiligten Behörden die Tragweite des Inhalts erst nach und nach bewusst wurde, scheinen Mailkorrespondenzen zu belegen, die am Palmwochenende aus dem Innenministerium in Richtung der Katastrophenstäbe der Länder ergingen.

Folgende Korrespondenz vom StV Kärntner Katastrophenschutzbeauftragten, weitergeleitet an diverse andere Empfänger im Land, enthält eine Information von Mag. Erik L., seineszeichens Beamter des Innenministeriums in der Sektion 7 (Fachbereich Recht) und Angehöriger des SKKM-Stab des Innnenministeriums, wirft einige Fragen zur allgemeinen Behördenkoordination in Bezug auf den "Ostererlass" auf.


 

 


 

Diese Korrespondenz lässt vermuten, dass auch dem zur Mitwirkung und Durchsetzung dieses Erlasses berufenen Innenministerium selbst nicht klar war womit sie es zu tun hatten.

Nach heftigen öffentlichen Debatten erfolgte schließlich am Montag den 6. April eine "Klarstellung" in Gestalt eines "Contraris Actus", wiederum in Erlassform mit der Geschäftszahl: 2020-0.221.712 veröffentlicht.

Darin wird vom Gesundheitsminister ausgeführt:


"Unter Bezug auf die zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Sachlage sowie insbesondere die durch das 3. COVID-19-Gesetz, BGBI. I Nr. 23 /2020, geänderte Rechtslage (Inkrafttreten 5. April 2020), beehrt sich das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende Klarstellungen zu treffen:

Aufhebung von Erlässen:                                                 

Die Erlässe vom 10. März 2020, GZ 2020-0.172.682, und 1. April 2020, GZ 2020-0.201.688, werden aufgehoben.

Klargestellt wird, dass das Betreten von öffentlichen Orten grundsätzlich verboten ist, was Veranstaltungen verunmöglicht. ( ... )

Dieser Erlass ist den mit der Vollziehung des Epidemiegesetzes 1950 befassten Bezirksverwaltungsbehörden zur Kenntnis zu bringen."

 

 

Die inzwischen aufgrund des "Ostererlasses" ergangenen "Osterverordnungen" der BVB wurden in den Folgetagen wieder durch Aufhebungsverordnungen außer Kraft gesetzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

                                

 

1. Wann traf welche Person in Ihrem Ressort die Entscheidung, dass ein solcher Erlass, mit dem sämtliche Zusammenkünfte in einem geschlossenen Raum, an denen mehr als fünf Personen teilnehmen, die nicht im selben Haushalt leben, zu untersagen sind?

2. Auf welcher Grundlage wurde diese Entscheidung wann getroffen?

3. Welche Stellen und welche Personen Ihres Ressorts waren ab wann und wie in die Ausarbeitung dieses Erlasses involviert?

a. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen Ihres

Ressort Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt halten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

b. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen Ihres

Ressort Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

4. Welche Stellen und welche Personen anderer Ressorts waren ab wann und wie in die Ausarbeitung dieses Erlasses involviert?

5. Wurde der Inhalt mit anderen Ressorts akkordiert?

a. Wenn ja, mit welchen und wann?

b. Wenn ja, welche Stellen und Personen waren wann und wie involviert?

c. Wenn nein, weshalb nicht?

d. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen dieser

Ressorts Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

e. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen dieser

Ressorts Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

6. Wurde der Inhalt des Erlasses mit dem Innenministerium akkordiert?

a. Wenn ja, welche Stellen und Personen waren wann und wie involviert?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

c. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen des

Innenministeriums Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

d. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen des

Innenministeriums Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

7. Wurde der Inhalt des Erlasses mit dem SKKM Krisenstab im Innenministerium akkordiert?

a. Wenn ja, inwiefern?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

c. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Angehörige des

Stabs Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

d. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Angehörige des

Stabs Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

8. Wurde der Inhalt mit dem Bundeskanzleramt akkordiert?

a. Wenn ja, welche Stellen und Personen waren wann und wie involviert?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

c. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen des

Bundeskanzleramtes Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

d. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen des

Bundeskanzleramtes Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

9. Wurde der Inhalt mit dem Verfassungsdienst akkordiert?

a. Wenn ja, welche Stellen und Personen waren wann und wie involviert?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

c. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen des

Verfassungsdienstes Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

d. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen des

Verfassungsdienstes Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

10. Wann genau lag die Endversion des Erlasses vor?

11. Welche Führungskräfte Ihres Ressorts zeichneten sich für den Inhalt verantwortlich (GL, SC)?

12. Wann wurde der Erlass welchen Behörden wie übermittelt?

a. Wann wurde der Erlass den Landeshauptleuten übermittelt?

b. Wann wurde der Erlass dem Innenministerium übermittelt?

13. Welche Reaktion kam wann in Folge der Übermittlung von welchen Behörden?

14.Äußerten die im Erlassweg angewiesen Landeshauptleute Bedenken?

a. Wenn ja,

i. welche Stellen genau hegten Bedenken?

ii. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

iii. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

iv. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

15. Weigerte sich einer der Landeshauptleute die Weisung an die BVBs weiterzuleiten?

a. Wenn ja, welcher und wann?

16. Äußerten die im Erlassweg angewiesen BVBs Bedenken?

a. Wenn ja,

i. welche Stellen genau hegten Bedenken?

ii. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

iii. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

iv. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

17. Wurde der Inhalt des Erlasses vor Veröffentlichung auf der Homepage bzw. vor Aussendung an die Landeshauptleute medial kommuniziert?

a. Wenn ja, wann genau und wie?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

18. Wann erreichte das Ressort erstmals von wem und in welcher Form Fragen, Kritik oder Bedenken hinsichtlich des Erlasses?

19. Wann entschied Sie sich aufgrund welcher Erwägungen dazu, den Erlass aufzuheben?

20. Bitte erläutern Sie den Satzteil des Aufhebungserlasses: "Unter Bezug auf die zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Sachlage sowie insbesondere die durch das 3. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 23/2020, geänderte Rechtslage (Inkrafttreten 5. April 2020)":

a. Was meinen Sie genau mit "Änderung der Sachlage" (um detaillierte Erläuterung wird

ersucht)?

i. Wie hängt diese genau mit dem Erlass zusammen?

b. Was meinen Sie genau mit "geänderte Rechtslage" (um detaillierte Erläuterung wird

ersucht)?

i. Wie hängt diese genau mit dem Erlass zusammen?

21. Welche konkreten Schlüsse ziehen Sie bzw. Ihr Ressort aus den Vorkommnissen rund um diesen Erlass für die Zukunft?

22. Welche Rolle nimmt Ihr Ressort im SKKM Krisenstab im Innenministerium ein?

23 . Welche Personen Ihres Ressort gehören diesem Krisenstab an?

24. Welche Personen welcher Behörden oder Institutionen gehören dem Krisenstab Ihres Wissens sonst noch an?

25. Welche konkreten Aufgaben und welche Rolle nimmt der SKKM Krisenstab im Innenministerium in diese Krise aus Ihrer Sicht ein?

a. Ist der Krisenstab ein reines Koordinations- oder Informationsgremium?

b. Ist der Krisenstab ein Entscheidungsgremium?

26. Am 9. April wurden die 148. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes geändert wird sowie die 151. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 geändert wird, kundgemacht. Welche Stellen und welche Personen Ihres Ressorts waren ab wann und wie in die Ausarbeitung dieser Verordnungen involviert?

a. Welche Stellen und welche Personen anderer Ressorts waren ab wann und wie in die

Ausarbeitung dieser Verordnungen involviert?

b. Wurden die Endfassungen der VO mit dem Innenministerium, dem Bundeskanzleramt

oder anderen Ministerien akkordiert?

c. Wurden die VO vor deren Kundmachung lektoriert?

i. Wenn ja, wann und durch welche Stelle?

d. Beabsichtigen Sie hinkünftig vor der Kundmachung von Verordnungen aufgrund des

COVID-19-Maßnahmengesetzes, eine kurze interministerielle Begutachtung

durchzuführen, um allfälligen sprachlichen wie inhaltlichen Fehlern

entgegenzuwirken?