1513/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.05.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Ein österlicher Erlass

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Dieser Erlass auf Grundlage von § 15 Epidemiegesetz 1950 betreffend "Verbot von Zusammenkünften" mit der Geschäftszahl: 2020-0.201.688 vom 1. April 2020 wurde ohne größere Ankündigung oder weitere Erklärung auf der Homepage des Gesundheitsministeriums https://www.sozialministerium.at/lnformationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Rechtliches.html veröffentlicht.

Schon bald war klar, dass es sich dabei um keinen Aprilscherz handelte.

Vielmehr wurden im Wege dieses Geschäftsstücks die schriftliche Weisung (d.h. eine verwaltungsinterne Anordnung an die nachgeordneten Dienststellen) an die Landeshauptläute gerichtet, diese mögen die ihnen unterstellten Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaften und Magistrate der Statutarstädte) anweisen entsprechende Verordnungen in Kraft zu setzten.

Diesem Auftrag wurde auch in Windeseile Folge geleistet. Sogleich waren in Österreich flächendeckend mehr oder weniger gleichlautende Verordnungen der BVB kundgemacht und somit in Geltung.

Etwas zeitverzögert entspann sich in den Folgetagen eine öffentliche Diskussion um die Frage: "Jo dürfen's denn des?"

Hinter dieser einfach Frage, so trivial sie scheinen mag, verbirgt sich gewaltiger (verfassungs-)rechtlicher Zündstoff, der weiterer Klärung bedarf.

Abgesehen von dieser inhaltlichen Frage ist die Vorgehensweise, wie dieser Erlass entstand und sich in Folge in den VO der BVB materialisierte zu hinterfragen.

Insbesondere verwundert es, dass ein solches Geschäftsstück, in dem solch weitreichende Eingriffsabsichten in die Privat- und Freiheitsrechte der in Österreich lebenden Menschen enthalten ist, de facto unkommentiert sowie in Folge unwidersprochen seinen Behördengang durch alle Ebenen nimmt.

Dass den an der Durchsetzung beteiligten Behörden die Tragweite des Inhalts erst nach und nach bewusst wurde, scheinen Mailkorrespondenzen zu belegen, die am Palmwochenende aus dem Innenministerium in Richtung der Katastrophenstäbe der Länder ergingen.

Folgende Korrespondenz vom StV Kärntner Katastrophenschutzbeauftragten, weitergeleitet an diverse andere Empfänger im Land, enthält eine Information von Mag. Erik L., seineszeichens Beamter des Innenministeriums in der Sektion 7 (Fachbereich Recht) und Angehöriger des SKKM-Stab des Innnenministeriums, die einige Fragen zur allgemeinen Behördenkoordination in Bezug auf den "Ostererlass" aufwirft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Diese Korrespondenz lässt vermuten, dass auch dem zur Mitwirkung und Durchsetzung dieses Erlasses berufenen Innenministerium, selbst nicht klar war womit sie es zu tun haben.

Nach heftigen öffentlichen Debatten erfolgte schließlich am Montag den 6. April eine "Klarstellung" in Gestalt eines "Contraris Actus", wiederum in Erlassform mit der Geschäftszahl: 2020-0.221.712 veröffentlicht.

Darin wird vom Gesundheitsminister ausgeführt:

"Unter Bezug auf die zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Sachlage sowie insbesondere die durch das 3. COVID-19-Gesetz, BGBI. I Nr. 23 /2020, geänderte Rechtslage (Inkrafttreten 5. April 2020), beehrt sich das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende Klarstellungen zu treffen:

Aufhebung von Erlässen:

Die Erlässe vom 10. März 2020, GZ 2020-0.172.682, und 1. April 2020, GZ 2020-0.201.688, werden aufgehoben. Klargestellt wird, dass das Betreten von öffentlichen Orten grundsätzlich verboten ist, was Veranstaltungen verunmöglicht. ( ... )

Dieser Erlass ist den mit der Vollziehung des Epidemiegesetzes 1950 befassten Bezirksverwaltungsbehörden zur Kenntnis zu bringen."

 

 

Die inzwischen aufgrund des "Ostererlasses" ergangenen "Osterverordnungen" der BVB wurden in den Folgetagen wieder durch Aufhebungsverordnungen außer Kraft gesetzt.

 

 

Auf der Homepage des Innenministeriums findet sich umfassende Information zu Thema "Krisen-und Katastrophenmanagement" (https://www.bmi.gv.at/204/Katastrophenmanagement/start.aspx)

Dieser Seite sind folgende Informationen zu entnehmen:

"Als Katastrophenmanagement wird die Gesamtheit aller aufeinander abgestimmten Maß­nahmen in den Bereichen Katastrophenvermeidung, Katastrophenvorsorge, Katastrophenbewältigung und Wiederherstellung nach Katastrophen, einschließlich der laufenden Evaluierung der in diesen Bereichen getroffenen Maßnahmen verstanden.

Die Abwehr, Beseitigung oder Linderung der Auswirkungen drohender oder eingetretener Katastrophen (Katastrophenhilfe, Einsatzvorsorgen) ist in Österreich überwiegend eine An­gelegenheit der Bundesländer. Die rechtliche Basis bilden die Katastrophenhilfegesetze der Länder, die vor allem die Feststellung der Katastrophe und die behördliche Einsatzleitung in den Gemeinden, Bezirken und Ländern festlegen.

Bei Krisen und Katastrophen besteht erhöhter Koordinationsbedarf, der in Österreich durch das SKKM gewährleistet wird. Die Geschäftsstelle ist im BMI angesiedelt. Das SKKM ermöglicht eine effiziente Katastrophenhilfe im In- und Ausland, durch die Zusammenarbeit aller zuständigen Stellen des Bundes mit den Katastrophenschutzbehörden der Länder sowie den Hilfs- und Rettungsorganisationen."

 

Im Kapitel "Katastrophenvermeidung" ist zu lesen, dass das Bundesministerium für Inneres im Rahmen des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements (SKKM) einen Risikoanalyseprozess etabliert, der auch eine erste gesamtstaatliche Risikoanalyse ( 347,5 KB) enthält. Zentrales Element dieser Risikoanalyse ist eine vorläufige Risikomatrix.

Diese "Risikoanalyse" umfasst zwei ganze Seiten. Die Worte "Pandemie" oder "übertragbare Krankheiten" finden sich nur in einem Bullet-Point.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

1. Wurde der Inhalt des Erlasses vorab mit dem Innenministerium akkordiert?

a. Wenn ja, welche Stellen und Personen Ihres Ressorts waren wann und wie involviert?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

c. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen Ihres

Ressorts Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

d. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Stellen Ihres

Ressorts Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

2. Wurde der Inhalt des Erlasses mit dem oder im SKKM Krisenstab im Innenministerium akkordiert?

a. Wenn ja, inwiefern?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

c. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Angehörige des

Stabs Zweifel hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

d. Hegten zu irgendeinem Zeitpunkt während der Erstellung des Erlasses, Angehörige des

Stabs Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieses Erlasses?

i. Wenn ja,

1. welche Stellen genau hegten Bedenken?

2. in welcher Form wurden die Bedenken wann geäußert?

3. welchen Inhalt hatten die Bedenken?

4. inwiefern bzw. inwieweit wurde den geäußerten Bedenken Rechnung

getragen?

3. Wann genau erlangte Ihr Ressort von wem erstmals Kenntnis von dem Erlass?

4. Wie kam die E-Mail des Beamten der Sektion 7 zustande (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

a. Welche Vorgänge, Besprechungen und Erwägungen gingen ihr voran?

5. Wurden die Sicherheitsbehörden angewiesen, die entsprechenden VO der BVBs nicht zu vollziehen (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

a. Wann, wie und in welchem Dienstweg erging diese Anweisung. die VO nicht zu

vollziehen?

6. Wann erreichte das Ressort erstmals von wem und in welcher Form Fragen, Kritik oder Bedenken hinsichtlich des Erlasses (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

7. Welche konkrete Rolle nimmt Ihr Ressort im SKKM Krisenstab im Innenministerium in der Corona-Krise ein (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

8. Welche Personen Ihres Ressort gehören diesem Krisenstab an?

9. Welche Personen welcher Behörden oder Institutionen gehören dem Krisenstab sonst noch an (um eine vollständige Liste wird ersucht)?

10. Welche konkreten Aufgaben nimmt der SKKM Krisenstab im Innenministerium war (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

11. Ist der Krisenstab ein reines Koordinations- oder Informationsgremium (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

12. Ist der Krisenstab ein Entscheidungsgremium (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

13. Wie oft und wann genau tagte der Krisenstab seit Ausbruch der Corona-Krise (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

14. Wann rief welche Behörde auf welcher Rechtsgrundlage den "Katastrophenfall" aus und wo wurde dies kundgemacht (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

15. Wann rief welche Behörde auf welcher Rechtsgrundlage den "Krisenfall" aus und wo wurde dies kundgemacht (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

16. Weshalb wird in der Außenkommunikation des Ministeriums stets von "Krise", nicht aber von einer "Katastrophe" (iSd ÖNORM S 2304) gesprochen?

a. Gibt es dafür einen Grund?

i. Wenn ja, welchen?

17. Inwiefern findet die Katastrophenbewältigung der Corona-Krise derzeit im Rahmen der LandeskatastrophenG der Bundesländer statt (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

18. Inwiefern finden die LandeskatastrophenG der Bundesländer in der Corona Krise Anwendung (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

19. Gibt es absehen von den der Erwähnung "Koordination in Angelegenheiten des staatlichen Krisenmanagements und des staatlichen Katastrophenschutzmanagements" im BundesministerienG eine gesetzliche Grundlage für die Handlungs- und Funktionsweise des SKKM?

a. Wenn ja, welche?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

20. Gibt es eine Geschäftsordnung des SKKM?

a. Wenn ja, bitte um Übermittlung mit der Anfragebeantwortung.

b. Wenn nein, weshalb nicht?

21. Inwiefern wird die Geschäftstätigkeit des SKKM und seiner Mitglieder dokumentiert, pro­tokolliert und veraktet?

22. Werden die Sitzungen des SKKM und die darin getroffenen Entscheidungen protokolliert?

a. Wenn ja, wo werden diese Protokolle abgelegt bzw gesichert bzw wie lange werden

diese gesichert?

b. Wenn nein, weshalb nicht?

23. Welche konkrete Rolle und welche Aufgaben nimmt die Bundeswarnzentrale im Innen­ministerium in der Corona-Krise war (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

24. Gibt es abseits der zweiseitigen auf der Website des BMI abrufbaren "Risikoanalyse" noch ein anderes umfassenderes Dokument (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

a. Wenn ja, bitte um Übermittlung.

b. Wenn nein, weshalb nicht (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

25. Inwiefern sind pandemische Ereignisse in den bisher erarbeiteten "Risikoanalysen" enthalten (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

26. Welche Maßnahmen oder Überlegungen aus dem APCIP hat das BMI als Vorbereitung auf Pandemien erarbeitet (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

27. Inwiefern waren oder sind pandemische Ereignisse in den bisherigen Risikoanalysen oder Risikoplanungen des SKKM enthalten (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

28. Welche Rolle nimmt das auf der Website des BMI angeführte Katastrophenschutzverfahren der Union in der Corona-Krise ein (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

29. Inwiefern ist Österreich in der Corona-Krise im Katastrophenschutzverfahren der Union eingebunden bzw. aktiv (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?