1516/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.04.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend außerordentliche Covid 19 Förderung Wochenzeitung "Zur Zeit"

 

Mit dem 4. COVID-19-Gesetz (BGBl. I Nr. 24/2020) wurde zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Krisensituation auf die Einnahmensituation im Bereich der Printmedien eine außerordentliche Fördermaßnahme für Medieninhaber von Tageszeitungen geschaffen. Die Fördermaßnahme sieht eine finanzielle Unterstützung mit einem einmaligen Betrag von 3,25 Euro pro Exemplar der anhand des Jahres 2019 ermittelten durchschnittlichen Druckauflage vor (§ 12b PresseFG 2004 idgF). Außerdem wurde die Erhöhung der Vertriebsförderung für Tages- und Wochenzeitungen gemäß Abschnitt II PresseFG 2004 beschlossen. 

Laut einem Bericht der Tageszeitung "Der Standard" vom 11. April 2020 erhält das Magazin „Zur Zeit“ aus diesem Corona-Krisentopf für Medien 66.000 Euro. (Der Standard: Mölzers "Zur Zeit" erhält Steuergeld und verbreitet Corona-Verschwörungstheorien) Die Wochenzeitung "Zur Zeit", die u.a. vom ehemaligen EU-Parlamentarier und FPÖ-Funktionär Andreas Mölzer herausgegeben wird, stand in seiner 23-Jährigen Geschichte insbesondere wegen antisemitischer und rassistischer Aussagen schon öfter unter Kritik.

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes bezeichnete "Zur Zeit" bereits im Jahr 2001 als publizistisches Bindeglied zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus, die Blattlinie bezeichnete das Dokumentationsarchiv 2018 als "FPÖ-konform" mit Ausreißern ins Faschistische. (DOEW, November 2001: "Österreich neu regieren": Steuergeld für Vorfeldorgan des Rechtsextremismus; Der Standard, 16.10.2018: DÖW über "Zur Zeit": "Ausreißer ins Faschistische") Beispielsweise wurde 2014 bekannt, dass der Fußballspieler David Alaba in einer "Zur Zeit" Ausgabe rassistisch verunglimpft wurde, indem er etwa als pechrabenschwarz bezeichnet wurde. (Kurier, 8.4.2014: Attacke auf Alaba kickt Mölzer ins blaue Out) Zuletzt sorgte ein 2018 erschienener Artikel für heftige Kritik, in dem u.a. die Einführung von ArbeitshäusernKorrektionsmöglichkeiten in Polizei-Wachzimmern, die Abschaffung unnötiger Studienrichtungen und die Säuberung des ORF von linksextremen Elementen gefordert wurde. (Die Presse, 16.10.2018: "Zur Zeit": Ehrung für Herausgeber ist abgesagt)

Auch während der Krise legt das Blatt den Fokus auf verschwörungstheoretische Narrative und die Agitation gegen Flüchtlinge und Migrant_innen. Es ist u.a. von einer "Form der biologischen Kriegführung" und vom "China-Virus" (Titel der Ausgabe 14_2020) die Rede. Zudem wird ein Interview mit dem Immunologen Prof. Dr. Stefan Hockertz zitiert, der COVID 19 mit der Influenza gleichsetzt und die Krankheit mit der Grippe gleichsetzt und die Maßnahmen als unverhältnismäßig bewertet. (Zurzeit.at, 25.03.2020) Unterschiedliche Rechercheplattformen wie die österreichische Seite mimikama.at und die deutschen Seiten br.at und correctiv.org unterzogen diese Aussagen einem Faktencheck und stuften sie als irreführend ein, dennoch findet sich das Interview nach wie vor prominent auf der Internetseite von Zur Zeit. Ein anderer Artikel will nachweisen, dass die Corona-Krise genutzt würde, um die "Asyl-Einwanderung in die EU in Gang zu bringen". (Zurzeit.at, 23.03.2020) Außerdem werden Statistiken des Gesundheitsministeriums als unseriös bezeichnet. zurzeit.at, 01.04.2020 Der „Digitale Krisenstab“ des Bundeskanzleramts, der sich mit Falschmeldungen rund um Covid 19 beschäftigt, erklärt in einem ORF Bericht u.a. diverse Verschwörungstheorien, Verharmlosungen des Coronavirus, aber auch Vorschläge zur Behandlung und zur Selbstdiagnose als Falschnachrichten, die es gilt auf zu spüren und richtig zu stellen. (orf.at, 27.03.2020: Offensive der Regierung gegen „Fake News“

Vergleicht man diese Berichte auch mit der Übersicht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW), steht das Magazin zudem im Gleichklang mit Äußerungen anderer rechtsextremer Akteur_innen. (DOEW, März 2020: Die extreme Rechte in Zeiten von Corona

Gerade in Krisenzeiten ist jedoch eine ausgewogene, objektive Berichterstattung unabdinglich, um die Öffentlichkeit zu informieren. Auch der österreichische Presserat, bei dem das Magazin "Zur Zeit" nicht Mitglied ist, ruft erst kürzlich zu sachlicher Berichterstattung in Zeiten der Coronakrise auf. 

Es ist daher schwer nachzuvollziehen, warum das Magazin "Zur Zeit" trotz irreführender Berichterstattung während der Coronakrise fast so viel Förderung aus dem Corona Krisentopf bekommt, wie das Magazin NEWS (75.000€) und deutlich mehr als das renommierte Wirtschaftsmagazin TREND (42.000€).

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Laut RTR mussten Medieninhaber von Tageszeitungen für die außerordentliche Fördermaßnahme im Zuge des 3. Covid 19 Gesetzes einen Antrag stellen. Anders bei der Vertriebsförderung von Tages- und Monatszeitungen: Wie auch beim Wochenblatt "Zur Zeit" handelt es sich hier, um eine Aufstockung der Fördermittel bei gleichbleibenden Fördervoraussetzungen, weshalb eine weitere Antragstellung nicht notwendig war. (RTR: Presseförderung) Warum hat man sich dazu entschlossen, bei der Vertriebsförderung für Wochenzeitungen auf eine extra Antragsstellung zu verzichten?

2.    Laut RTR werden für die zusätzliche Förderung im Zuge des 4. Covid 19 Gesetzes dieselben Richtlinien wie bei der Presseförderung herangezogen. Demnach müssen auch inhaltliche Förderungsvoraussetzungen erfüllt werden. So müssen förderungswürdige Zeitungen vorwiegend der politischen, allgemeinen wirtschaftlichen und kulturellen Information und Meinungsbildung dienen und dürfen weder Kundenzeitschriften noch Pressorgane von Interessensvertretungen sein. (rtr.at: Allgemeine Förderungsvoraussetzungen für Tages- und Wochenzeitungen)

a.    Inwiefern erfüllt das Magazin "Zur Zeit" diese inhaltlichen Kriterien, wenn nachweislich irreführende und verschwörungstheoretische Informationen über Covid 19 verbreitet werden und die Berichte im Gleichklang mit dem Gedankengut anderer rechtsextremer Akteur_innen stehen? (DOEW, März 2020: Die extreme Rechte in Zeiten von Corona)

b.    Mit welcher Begründung erhält die Wochenzeitung "Zur Zeit" mit 66.000 Euro fast so viel Geld wie das Magazin "News" (75.000€) und mehr als das renommierte Wirtschaftsmagazin "Trend" (42.000€), wie der Standard berichtete? Und war diese Förderverteilung so beabsichtigt?

3.    Laut ORF Bericht beschäftigt sich der Digitale Krisenstab im Bundeskanzleramt mit dem Aufspüren und Richtigstellen von Falschinformationen über Covid 19, da bewusste Falschnachrichten die Arbeit der Bundesregierung und der Behörden erschweren, sowie in der Bevölkerung Unsicherheiten und Ängste schüren würden. 

a.    Wann und wie wird diese Stelle aktiv?  

b.    Im ORF Bericht bezeichnete das BKA u.a. diverse Verschwörungstheorien, Verharmlosungen des Coronavirus, aber auch Vorschläge zur Behandlung und zur Selbstdiagnose als Falschnachrichten, die es gilt aufzuspüren und richtig zu stellen. (orf.at, 27.03.2020: Offensive der Regierung gegen „Fake News“) Wurde diese Stelle bei Berichten des Magazins "Zur Zeit" aktiv und hat Artikel auf Falschnachrichten untersucht? Wenn ja, bei welchen Artikeln war das der Fall und was war die Erkenntnis? Wenn nein, warum nicht?

4.    In welcher Höhe wurde "Zur Zeit" während der ÖVP/FPÖ Regierung im Jahr 2018 gefördert und mit welcher Begründung?

5.    Gibt es eine medienpolitische Einordnung von "Zur Zeit" von Seiten des BKA? Wenn ja welche? Und wenn nein, warum nicht?

6.    Ist die Wochenzeitung "Zur Zeit" Teil der Medienanalyse des BKA?

a.    Wenn ja, wird Herr Bundeskanzler Kurz im Zuge dieser Analyse über die Inhalte der Zeitung informiert?

b.    Wenn ja, sind die Artikel der Zeitung Bestandteile eines regelmäßigen Pressspiegels für Herrn Bundeskanzler Kurz?

c.    Wenn nein, warum nicht?

d.    Wurde Bundeskanzler Kurz über den im Magazin erschienen Artikel informiert, in dem von der „Geschichtslüge der Alleinschuld Deutschlands“ die Rede war? 

e.    Wurde Herr Bundeskanzler Kurz über die Aussage von "Zur Zeit" Herausgeber Andreas Mölzer:„In der Tat ist es so, dass wir „böse Jungs“ deutschnationale, rassistische und antisemitische Texte publizieren“ in Kenntnis gesetzt? (Zur Zeit 42/2018)