1568/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Max Lercher, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Gefährliche Schutzmaskenlieferungen aus China

 

Vor rund zwei Wochen lobten sich Bundeskanzler Kurz und Verteidigungsministerin Tanner noch überschwenglich für ihre „Masken-Diplomatie", die zur Lieferung von 130 Tonnen Schutzausrüstung aus China nach Österreich geführt habe. Zwei Austrian-Flugzeuge transportierten das Material am
21. März von Xiamen nach Wien, wo es von der Bundesregierung medienwirksam empfangen wurde. Anschließend wurde es durch das Bundesheer weitertransportiert. Bestimmt war die
Schutzausrüstung für Tirol und Südtirol. Während Kanzler Kurz davon sprach, dass die Lieferung für Tirol gedacht sei und ein kleiner Teil nach Südtirol ginge, verkündete dies der Südtiroler Landeshauptmann genau umgekehrt: Südtirol erhalte die Lieferung und gebe Tirol als Dank für die logistische Hilfe etwas ab.

Dies ist jedoch insofern egal, als dass die gelieferten Schutzmasken ohnehin nicht einmal die geringsten Qualitätsstandards erfüllen, die entsprechenden Zertifikate offenbar gefälscht waren und die Verwendung dieser Masken daher ein erhebliches Gesundheitsrisiko für das medizinische
Personal darstellt. Von Kanzler und Verteidigungsministerin war dazu leider bislang nichts zu hören. Wirtschaftsministerin Schramböck durfte auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz die schlechte Nachricht verkünden.

Erste Zweifel an der Qualität der Masken äußerte bereits das Rote Kreuz bei der Übernahme der Masken am Flughafen Schwechat. Mehrere Gutachten belegen dies mittlerweile. In diesen Gutachten wird dringend davon abgeraten, die Masken zu verwenden.

Bereits anhand der Entstehungsgeschichte wären Zweifel angebracht gewesen. So geht die Lieferung offenbar auf die Privatinitiative des Südtiroler Unternehmers Heiner Oberrauch. Dieser sagte in
einem Interview, das am 6. April erschien
[1]:

„Sie haben geholfen und Millionen Schutzmasken aus China nach Europa gebracht. Wie lief das ab?

Am 10. oder 12. März habe ich einen Anruf des Landeshauptmanns bekommen, der uns um Hilfe bat. Wir haben sofort unsere eigenen Musterbetriebe in Italien umgestellt und aus den Gore Tex-Materialien, die wir auf Lager hatten, Schutzanzüge gefertigt. Das waren einige 100 Stück, außerdem in einer ersten Tronche etwa 50.000 waschbare Schutzmasken. Also sehr kleine Mengen. Gleichzeitig haben wir aber unseren Lizenzpartner in China mobilisiert, uns bei der Beschaffung von Schutzmasken zu unterstützen.

Sie wussten, der würde helfen?

Ja, denn der hatte uns zuvor von sich aus schon einige Kartons mit Masken geschickt, do er van der Versorgungslage bei uns erfahren hatte. Mit einem sehr herzlichen Brief. Ich muss sagen, von unseren chinesischen Geschäftspartnern haben wir in den vergangenen Wochen wirklich noch eine ganz andere Seite kennengelernt und ein hohes Maß an Solidarität

erfahren. Wir haben also Muster an den Südtiroler Sanitätsbetrieb geschickt und die Produktion der ersten 1,5 Millionen Masken und 430.000 Schutzanzüge beauftragt.

 

Von wem finanziert?

Wir haben die Aktion vorfinanziert. Auf Grundlage einer Mail, mit der das Land Südtirol die Ware bei uns bestellt hat, haben wir 50 Mio. Euro auf Treu und Glauben an die Chinesen überwiesen. Ich war dann schon sehr froh, als die erste Ware aufs Flugzeug ging."

Der Gegenwert der Bestellung belaufe sich auf mehrere Millionen Euro, die Oberrauch vorfinanziert habe.

Auffällig ist, dass zeitgleich auch das Land Tirol Schutzmasken aus China bestellt hat. Dies offenbar ebenfalls auf Vermittlung eines Tiroler Unternehmers, der gleichzeitig sowohl Kliniken in Tiroler Schigebieten betreibt, als auch im Krisenstab des Landes Tirol mitwirkt. Als Mitglied der „Tiroler Adler - Runde" ist Alois Schranz außerdem als Intimus von Bundeskanzler Kurz bekannt. Die Adler-Runde hat für Kurz' Wahlkampf 2017 immerhin 1,1 Mio. Euro springen lassen. Kurz traf noch Ende Februar mit Schranz in Tirol zusammen, wie dieses Bild zeigt, auf dem Alois Schranz direkt neben dem Kanzler steht:


 

Schranz selbst gab gegenüber an, die Lieferung von Schutzausrüstung im Wert von zwei Millionen Euro für das Land Tirol selbst über einen chinesischen Geschäftspartner eingefädelt zu haben.[2]

Unklar ist, ob die so gelieferten Masken ebenfalls Qualitätsprobleme aufweisen. Klar ist nur, dass auch in Tirol defekte Masken aus der Südtiroler Bestellung angelangt sind:

Die "Luftbrücke" dient laut Kampatscher nun auch dazu, dass das Bundesland Tirol seine
Lieferung erhalte. In der Zwischenzeit habe nämlich auch Tirol einen Auftrag in China erteilt. "Nachdem Tirol einen Teil seiner Masken erst später erhalten wird, wird Südtirol inzwischen
auch Tirol mit Masken aushelfen, die Südtirol inzwischen bereits erlangt", so der Landeshauptmann in einer Aussendung. "Das ist ein super Beispiel für die Zusammenarbeit in
der Europaregion, insbesondere aber auch auf grenzüberschreitender Ebene", meinte Kompatscher, der betonte, dass das Schutzmaterial auch an andere Regionen Italiens verteilt werden könne, die das Material dringend brauchen.
[3]

Nach Recherchen des Radiosenders Ö1[4] handelt es dabei um 100.000 Stück angeblicher FFP2- Masken, die jedoch nur äußerst mangelhaften Schutz bieten.

Wie das Nachrichtenmagazin profil am 8.4. berichtete[5], könnte die Gefährdung für Österreich jedoch noch weitaus größer sein: demnach hätte das Rote Kreuz im Auftrag der Republik vom selben chinesischen Hersteller 20 Millionen Masken bestellt. Diese hätten zwar andere Chargen – die
Vermutung liegt jedoch nahe, dass auch bei diesen weiteren Masken Qualitätsmängel bestehen, die
sie unter Umständen gefährlich machen, wenn auf ihre Schutzfunktion vertraut wird, obwohl diese tatsächlich nicht gegeben ist. Besonders auffällig ist, dass es sich bei diesen 20 Mio. Masken um jene handelt, die der Südtiroler Unternehmer Oberrauch zunächst von ihm selbst vorfinanziert wurden.

Das mit der Prüfung der ersten Lieferung chinesischer Masken beauftragte Amt für Rüstung und Wehrtechnik kam zu folgendem, desaströsen Befund:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.     Wie viel Schutzmasken hat Österreich von welchen Lieferanten wann mit welchen Lieferterminen bestellt?

2.     Wie viele davon wurden durch das BMDW bestellt?

3.     Auf welcher vertraglichen Grundlage wurden diese jeweils bestellt?

4.       Mit wem wurden Werkverträge über die Beschaffung von Schutzmasken abgeschlossen?

5.       Welches Entgelt wurde in den Werkverträgen vereinbart?

6.       Welche Kosten entstehen insgesamt durch die Bestellungen?

7.       Wie viele der gefährlichen Masken aus China wurden an wen verteilt?

a.        Wie viele davon gingen nach Südtirol?

b.       Wie viele davon gingen nach Tirol?

c.        Wohin ging der Rest?

8.       Wann langten die Masken an ihren jeweiligen Zielorten ein?

9.       Wurden die besagten Austria-Transportflüge im Auftrag des BMDW durchgeführt?

a.       Wenn ja, warum wurde hierfür nicht eine normale Transportmaschine eingesetzt?

b.       Welche Kosten entstanden dadurch?

10.   Wer hat die Masken hergestellt?

11.   Wer hat die Masken tatsächlich bestellt und auf wessen Rechnung?

12.   In wessen Auftrag wurden 20 Mio. FFP2-Masken auf wessen Rechnung bei welchem chinesischen Unternehmen bestellt?

13.   Handelt es sich dabei tatsächlich (zum Teil) um jene Masken, die vom Südtiroler Unternehmer Oberrauner vermittelt wurden?

14.   Um welchen Preis wurden die Masken erworben?

15.   Wie viele dieser Masken wurden an welche Einrichtungen verteilt?

16.   Wurden Ihnen die vom Roten Kreuz bereits bei Übernahme der Lieferung festgestellten Mängel unverzüglich gemeldet?

a.       Wenn ja, welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?

b.       Wenn nein, wurde dadurch die rechtliche Stellung der Republik verschlechtert?

17.   Wann erfolgte der Auftrag zur Überprüfung der Masken an die DEKRA Testing and Certification GmbH?

18.   Wann übermittelte Dekra an wen seinen Prüfbericht?

19.   Was war der Anlass, die Überprüfung durch Dekra anzuordnen?

20.   War es rechtskonform, die Masken vor Vorleigen der Prüfbefunde zum Einsatz zu bringen?

21.   Welche Schadenersatz- bzw. Haftungsansprüche stehen der Republik gegenüber dem
chinesischen Produzenten zu?

22.   Wer entnahm die für Dekra bestimmte Stichprobe aus der Lieferung?

23.   Wie viele Masken mussten nach bereits erfolgter Verteilung zurückgerufen werden?

24.   Wie viele Personen waren auf Grund der fehlerhaften Masken einem Gesundheitsrisiko
ausgesetzt?

25.   Wo befinden sich die beanstandeten Masken aktuell?

26.   Wann wurden Ihnen die Mängel an den Masken erstmals berichtet?

27.   Haben Sie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs oder (fahrlässiger
Gemeingefährdung oder auf Grund eines anderen Straftatbestandes in Zusammenhang mit der Maskenlieferung (insbesondere den gefälschten Zertifikaten) erstattet?

28.   Liegen Ihnen Informationen über die Fehlerhaftigkeit von Masken des selben Herstellers aus
anderen Staaten vor?

29.   Haben Sie jemals von den Tiroler Behörden, insbesondere dem Tiroler Landeshauptmann bzw. Gesundheitslandesrat, einen Bericht in dieser Sache erhalten oder angefordert?

a. Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?

30.   Haben die Südtiroler Behörden jemals mit Ihnen Kontakt aufgenommen?

31.   Wer hat den Prüfbericht des Dekra wann an welche Südtiroler Behörden übermittelt?

32.   Enthielt die Übermittlung über den Prüfbericht hinausgehende Inhalte?

33.   An wen wurde der Prüfbericht sonst noch übermittelt?

34.   Wie ist Ihr Informationsstand in Hinblick auf die weitere Bestellung des Landes Tirol und jener Bestellungen der Republik bei chinesischen Produzenten? Sind diese neuerlichen Lieferungen bereits eingetroffen?

35.   Bestehen bei neuen Lieferungendie selben Qualitätsprobleme?

36.   Wer hat diese Lieferung bei welchem Unternehmen bestellt?

37.   Wurden Sie jemals über das Zustandekommen der Tiroler Bestellung über Geschäftsverbindungen von Herrn Schranz nach China informiert?

38.   Entspricht diese Vorgangsweise den üblichen Verfahren insbesondere in Hinblick auf die Qualitätskontrolle von Schutzausrüstung?

39.   Wann wurden Sie bzw. Ihr Ressort von wem erstmals um Hilfestellung bei der Lieferung der Masken gebeten?

40.   Hat der Bundeskanzler oder dessen Bedienstete jemals zu Gunsten der genannten Lieferungen bei Ihnen oder Ihrem Ressort interveniert?

41.   Hat der Bundeskanzler oder die Tiroler Behörden jemals bei Ihrem Ressort angefragt, ob Erfahrungen mit der Lieferung von medizinischem Schutzmaterial durch die besagten chinesischen Unternehmen bestehen?

42.   Hatten Sie oder Ihr Ressort im Zusammenhang mit den Lieferungen Kontakt zu Alois Schranz oder Heiner Oberrauch?



[1]https://www.textilwirtschaft.de/business/sports/-oberalp-chef-heiner-oberrauch-im-tw-interview-wer-

reichtum-hat-muss-besonders-helfen-224983

[2]https://www.derstandard.at/story/2000116501980/adler-mit-einfluss-wie-eng-tirols-unternehmer-mit-der-

politik

[3] https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5789313/CoronaVirus_Italien-bekommt-per-AUAFIug- Schutzmaterial-aus-China

[4] Vgl. Morgenjournal, 8.4.2020

[5] https://www.profil.at/wirtschaft/corona-krise-mangelhafte-schutzmasken-oesterreich-11437453