1581/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits und GenossInnen

an die Präsidentin des Rechnungshofes

betreffend „Gesundheitswesen: Corona-Krise und neue Prüfansätze bei Prüfungen des Rechnungshofes - Überarbeitung der bisherigen Prüfberichte und Empfehlungen des Rechnungshofes im Gesundheitswesen“

Der Rechnungshof ist ein unabhängiges Organ der öffentlichen Finanzkontrolle für Bund, Länder und Gemeinden; er wird als Hilfsorgan des Nationalrates tätig. Die Präsidentin des Rechnungshofes hat in einer aktuellen Pressemitteilunq von einer Neubewertung bisheriger Ansätze gesprochen und dabei konkret auf den Gesundheitsbereich Bezug genommen.

In der Vergangenheit standen - im Sinne einer neoliberalen Ausrichtung - in allen öffentlichen Sektoren generell Einsparungen schwerpunktmäßig im Vordergrund bei den einzelnen Prüfungen des RH. Dies betraf gerade auch das Gesundheitswesen, insbesondere bei der Anzahl der Spitalsbetten, der Akutbetten (Intensivbetten) und der Auslastung der einzelnen Spitäler (z. B. Operationshäufigkeit).

Ein RH-Bericht aus dem Jahr 2009 führte in Folge zu einer radikalen Reform beim Heeresspitalswesen. Wegen fehlender Auslastung der Bettenabteilungen (Vorwurf der „Ineffizienz“) wurden diese teilweise aufgelöst sowie Militärspitäler und Sanitätsanstalten reformiert und in drei Sanitätszentren zusammengeführt (2012). Dies, obwohl damals die Militärspitäler im Fall einer möglichen Katastrophe auch Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung wahrzunehmen hatten. Kritiker dieser Reform, die auf den umfassenden Aufgabenbereich des militärischen Gesundheitsdienstes verwiesen, fanden kein Gehör, die finanziellen Einsparungsargumente überwogen. Mit dieser Reform 2012 wurden gerade Spitalsbetten/Notfallbetten in den Sanitätsanstalten/Militärspitälern abgebaut und einige Sanitätsanstalten/Militärspitäler teilweise geschlossen. Es kam damit zu einer Einschränkung des militärischen Gesundheitsdienstes, dessen Aufgaben nun ausschließlich in der medizinischen Versorgung der Soldaten und der zivilen Bundesheerangehörigen bestehen. Ein medizinischer Einsatz im Katastrophenfall als Hilfe für die Zivilbevölkerung war nicht mehr vorgesehen.

Aktuelle Unterstützungsanfragen zur Bewältigung der Corona-Krise von Gemeinden, darunter von der Gemeinde Wien, mussten vom Bundesheer wegen fehlender Kapazitäten abgelehnt werden.

Die Kriterien jeder Prüfung des RH waren und sind Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit. Präventives Handeln und vorausschauende Investitionspolitik des öffentlichen Sektors sind direkt im Gesetz und in den Prüfplänen nicht vorgesehen. Dies betrifft beispielsweise eine ausreichende Bevorratung von Medizintechnik (z. B. Beatmungsgeräte) und Schutzausrüstungen (Gesichtsmasken, Infektionsmittel) sowie Krankenhausbetten in Hinblick auf einen möglichen Katastrophenfall - wie einer Pandemie. Dies spielte in der Vergangenheit bei keiner Prüfung eine Rolle- obwohl dies unter Zweckmäßigkeit subsumierbar gewesen wäre - und wurde bei den Empfehlungen auch nie berücksichtigt (Ausnahme „Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Krankenanstalten in Tirol und und Salzburg,“ 2020)!

Im Gegenteil: In mehreren Empfehlungen wurde vom RH ausdrücklich - und zwar mit großer Vehemenz - die Reduzierung von Akutbetten in allgemeinen Krankenhäusern, wie auch die Stilllegung von Krankenhäusern verlangt (siehe zb. RH-Bericht Positionen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs“, 2016, Seite 220) Zum Teil fand dies auch Unterstützung bei einigen Vertretern in der Politik, wo die Reduzierung von Akutbetten auf den EU-Durchschnitt eingefordert wurde.

Die Corona-Krise hat uns nun sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig die ausreichende Versorgung mit Akutbetten in den Krankenhäusern zum Schutz der Bevölkerung ist; „Ganz Österreich werde seine Lehren aus der Corona-Krise ziehen müssen. Da ist der Rechnungshof keine Ausnahme" wird ein Sprecher des Rechnungshofes in den Medien zitiert.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehende

Anfrage

1. Welche konkreten Lehren zieht der RH aus der Corona-Krise (neue Prüfansätze)? Wie sollen neue Prüfansätze ein- und umgesetzt werden?

2. Können Sie sich vorstellen, dass neben den vier Hauptprinzipien (Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit) auch das Prüfkriterium der „Vorsorge und Prävention“ zur Grundlage für Prüfungen des Rechnungshofs wird?

3.  In wie vielen und welchen Prüfberichten hat der RH in den Empfehlungen seit 2000 einen Abbau von Akutbetten und/oder die Schließung von Krankenanstalten gefordert (Aufschlüsselung der einzelnen Prüfberichte)?

4.  Wie viele Akutbetten und sonstige Spitalsbetten sollten in diesen Jahren seit 2000 eingespart und welche Krankenanstalten geschlossen werden (Aufschlüsselung auf Jahre, die Anzahl und Krankenanstalten)?

5.  Werden Sie all diese Prüfberichte aufgrund der Erkenntnisse aus der Corona Krise überarbeiten lassen und die ehemaligen Einsparempfehlungen korrigieren? Wenn nein, warum nicht?

6.  Werden Sie aufgrund der Erkenntnisse aus der Corona Krise als Ergänzung zu den drei bestehenden Sanitätszentren für die Neueröffnung von Militärspitälern mit entsprechenden Bettenabteilungen eintreten, die im Not- und Katastrophenfall auch wieder der Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehen?

7.  Werden Sie aufgrund der Erkenntnisse aus der Corona Krise bei der Bundesministerin für Landesverteidig dafür eintreten, ausreichende Notfallbetten für den Katastrophenfall anzuschaffen, damit wieder entsprechende medizinische Unterstützungsleistungen durch das Bundesheer für die Allgemeinheit, d. h. die Zivilbevölkerung im Katastrophenfall möglich sind und Unterstützungsansuchen von Gemeinden nicht mehr abgelehnt werden müssen?