1638/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.04.2020
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Anfrage

 

des Abgeordneten Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz lehnt EU-Angebot zur Beschaffung von dringend notwendiger Schutzausrüstung ab

 

Bundeskanzler Sebastian Kurz übte in den Medien Kritik am Krisenmanagement der EU während der Corona-Krise. Inhalte einiger geheimer Sitzungsprotokolle aus Brüssel bringen jedoch etwas ganz anderes ans Tageslicht. Während der Kanzler in der Kronen Zeitung Kritik an der EU geübt hat, scheint sich der Fall auf ein weiteres massives Versagen der Bundesregierung, insbesondere des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auszuweiten.

 

„Der Standard“ berichtet am 2. April 2020 in seiner Onlineausgabe Folgendes:

 

Sitzungsprotokolle: Regierungen lehnten EU-Hilfe ab

 

Geheime Dokumente zeigen: Die EU-Mitgliedsstaaten haben die Corona-Gefahr völlig unterschätzt und mit nationalen Alleingängen die Lage noch verschlechtert

 

Nun hat die Nachrichtenagentur Reuters enthüllt, dass die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten bereits Ende Jänner, einen Monat bevor die Virusinfektionen EU-weit eskalierten, Hilfe bei der gemeinsamen Beschaffung von Schutzmasken, Testkits und Beatmungsgeräten angeboten habe. Dies sei von Regierungsvertretern der Gesundheitsministerien –für Österreich waren Beamte von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) anwesend, der selbst in der Folge an drei Ministerratssitzungen teilnahm – bei einschlägigen Sitzungen in Brüssel aber explizit abgelehnt worden. "Alles unter Kontrolle", notierte ein Beamter am 5. Februar die Aussagen der nationalen Delegierten in einer vertraulichen Sitzung in den Protokollen, die Reuters einsehen konnte, "die Mitgliedsstaaten sind auf hohem Niveau vorbereitet, die meisten haben Maßnahmen gesetzt".

 

Zu der Zeit waren in der chinesischen Provinz Hubei bereits 60 Millionen Menschen isoliert. Zwei Wochen später wurden in Italien die ersten Corona-Fälle öffentlich. Dann nahm die Kommission eine Bedarfserhebung vor. Es stellte sich heraus, dass die Staaten zehnmal so viel Schutzmaterial brauchen würden als sie hatten. Unter dem Tiel "Wie Europa schlafwandlerisch in die Corona-Krise geriet" kommt man zum Schluss, dass die Staaten die Krise verschlimmert hätten, weil sie ihre eigenen Möglichkeiten zur Bekämpfung des Virus völlig überschätzten.

 

Regierungen im Alleingang

 

Erst ab März begannen die Regierungen in den EU-Ländern gemäß den Aufzeichnungen langsam zu begreifen, wie gravierend das Corona-Problem für alle sei. Aber anstatt gemeinsame Aktionen zu setzen, ergriffen sie Maßnahmen zum Schließen beziehungsweise Kontrollieren der Binnengrenzen, was den Export von medizinischem Material erschwerte. Die Regierungen versuchten im Alleingang, sich auf den Weltmärkten mit Schutzmaterial einzudecken, auch Österreich.

Anfang Jänner, als die Kommission erstmals Unterstützung und gemeinsames Vorgehen anbot, wäre das noch leichter gegangen. Aber gemäß den Protokollen aus Sitzungen mit nationalen Gesundheitsexperten, die mehrfach nach Brüssel gereist waren, wurde das zunächst nicht gewünscht: "Kein Land hat bis jetzt um Unterstützung bei zusätzlichen Gegenmaßnahmen gebeten", ist vermerkt. Nur vier nicht genannte Länder hätten darauf hingewiesen, dass es bei einer Verschlechterung der Lage Probleme mit Schutzmaterial geben könnte. Seit Jänner gab es auch drei Sitzungen der Gesundheitsminister in Brüssel.

 

Am 28. Februar mahnte die Kommission die Regierungen, ihren Bedarf zu melden, und nahm ein gemeinsames Anschaffungsprogramm für Schutzmaterial in Angriff. Aber es kam, weil zu bürokratisch, nicht richtig in Gang. In der Zwischenzeit stellte sich auch heraus, dass auch die medizinischen Kapazitäten in besonders betroffenen Gebieten nicht ausreichen könnten, obwohl die Regierungen bis dahin beteuert hatten, gut vorbereitet zu sein. Gemäß der jüngsten Risikobewertung der EU könnte der Fall eintreten, dass alle Mitgliedsstaaten Mitte April über nicht genügend Intensivbetten zur Behandlung von Corona-Patienten verfügen, schreibt Reuters.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende

 

 

Anfrage

 

1.    Ist es zutreffend, dass die EU-Kommission Anfang Jänner 2020 den Mitgliedsstaaten erstmals Unterstützung und ein gemeinsames Vorgehen zur Vorbeugung der Corona-Krise bei mehrfachen Sitzungen mit nationalen Gesundheitsexperten in Brüssel angeboten hat?

2.    Ist es zutreffend, dass die Unterstützung und das gemeinsame Vorgehen der EU-Kommission zur Vorbeugung der Corona-Krise Anfang Jänner 2020 bei den in Frage 1 genannten Sitzungen auch von Österreich abgelehnt wurde?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen wurde die Hilfe abgelehnt?

b.    Wenn ja, von wem wurde die Hilfe abgelehnt?

c.    Wenn ja, wer gab die Weisung für die Ablehnung?

d.    Wenn ja, bitte um Offenlegung Ihrer detaillierten Entscheidungsgrundlage oder Offenbarung darüber, dass Sie so wichtige Entscheidungen ohne Grundlage treffen.

3.    Ist es zutreffend, dass die EU-Kommission bereits Ende Jänner 2020 den Regierungsvertretern des Gesundheitsministeriums bei einer einschlägigen Sitzung in Brüssel, Hilfe für die Beschaffung von Schutzmasken, Testkits und Beatmungsgeräten angeboten hat?

4.    Ist es zutreffend, dass die Hilfe zur Beschaffung der Schutzmasken, Testkits und Beatmungsgeräte durch die EU-Kommission von entsandten Beamten des Gesundheitsministers bei der Sitzung in Brüssel explizit abgelehnt wurde?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen wurde die Hilfe abgelehnt?

b.    Wenn ja, von welchen Beamten wurde die Hilfe abgelehnt?

c.    Wenn ja, wer gab wann die Weisung für die Ablehnung?

d.    Wenn ja, bitte um Offenlegung Ihrer detaillierten Entscheidungsgrundlage oder Offenbarung darüber, dass Sie so wichtige Entscheidungen ohne Grundlage treffen.

5.    Welche entsandten Beamten des Gesundheitsministeriums nahmen an den Sitzungen in Brüssel Ende Jänner 2020 zur Corona-Krise teil?

6.    Warum wurde bei keiner der drei seit Jänner stattgefundenen Sitzungen der Gesundheitsminister in Brüssel auf die angebotene Hilfe der EU-Kommission zugegriffen?

7.    Welche Angaben wurden vonseiten des Gesundheitsministeriums bei der Bedarfserhebung der EU-Kommission zum Schutzmaterial im Februar 2020 gemacht?

8.    Hat sich das Gesundheitsministerium im Nachhinein betrachtet bei der Bedarfserhebung der Schutzmaterialien überschätzt?

9.    Ist es zutreffend, dass auch Österreich ab März 2020 im Alleingang versuchte, sich auf den Weltmärkten mit Schutzmaterial einzudecken?

10. Hat Ihrer Einschätzung nach die österreichische Bunderegierung die eigenen Möglichkeiten zur Bekämpfung des Virus überschätzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

11. Welche negativen Auswirkungen hatte das von Ihnen verschuldete Fehlen von Sicherheitsausrüstung?

12. Werden Sie die negativen Auswirkungen Ihrer Entscheidung hinsichtlich Schutzausrüstung untersuchen?

a.    Wenn ja, wie genau?

b.    Wenn ja, bis wann?

c.    Wenn nein, warum wollen Sie so einen massiven Fall von Versagen keiner Untersuchung zuführen?

13. Wie rechtfertigen Sie generell Ihre massive Fehleinschätzung und Ihre Fehler in dieser Causa?

14. Werden Sie nach Beendigung der Krise die Konsequenzen ziehen und zurücktreten?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn nein, wie viele Fehler muss ein Minister Ihrer Meinung nach machen, bevor er zurücktreten sollte?

d.    Wenn nein, warum ist eine mutmaßliche Gefährdung von Gesundheitspersonal durch fehlende Schutzausrüstung - aufgrund Ihrer Fehleinschätzung – und sämtliche weiteren negativen Auswirkungen aufgrund Ihrer Verhaltensweise nicht ausreichend für einen Rücktritt?