1645/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.04.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Christoph Matznetter,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Fehlende gesetzliche Regelung betreffend Geschäftsraummieten

Die Frage, ob Betriebe, die von einem behördlichen Vertretungsverbot betroffen sind, Miete für ihre Geschäftsräumlichkeiten zahlen muss oder nicht, beschäftigt zehntausende österreichische Unternehmen - deren Existenz gewaltig bedroht ist - seit mittlerweile 4 Wochen. In diesen 4 Wochen ist es der Bundesregierung weder gelungen eine einfache einheitliche gesetzliche Klarstellung zu erreichen noch konnte man in der Regierung zu einer einheitlichen Rechtsauffassung kommen.

Was das Justizministerium, das Finanzministerium und das Wirtschaftsministerium in dieser Frage tun, kommt einem beispiellosen Schildbürgerstreich gleich.

Das Justizministerium ist der Auffassung, dass die Geschäftsraummieten nicht zu zahlen sind. Dazu führte die Justizministerin im Nationalrat schon am 20. März 2020 aus:

„Zur konkreten Frage der Geschäftsraummiete: Es stellen sich berechtigterweise viele Menschen die Frage, was nun mit den Geschäftsräumlichkeiten passiert, ob man die
Miete nun zahlen muss.
Ich möchte deswegen hier klarstellen, dass nach der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Justiz - natürlich unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung - für den Fall, dass der Geschäftsraummieter seine Geschäftsräumlichkeiten aufgrund der gesetzten Maßnahmen derzeit nicht nutzen

Kann, bereits vorgesorgt ist

Das ABGB sieht nämlich sehr wohl gesetzliche Regelungen vor. Man kann nun natürlich auf akademischer Ebene darüber streiten, ob § 1104 oder § 1096 zur Anwendung kommt Klar ist - deswegen möchte ich das aus Sicht des Justizministeriums feststellen - dass aus unserer Sicht, aus der Sicht der Rechtsauffassung des Justizministeriums, feststeht, dass der Vermieter das Risiko dafür trägt, dass der Geschäftsraum wegen außerordentlicher Zufälle nicht gebraucht werden kann. Dem Mieter einer Geschäftsräumlichkeit steht daher je nach dem Grad der Einschränkung eine Mietzinsminderung oder auch ein gänzlicher Mietzinsentfall zu. Das hängt natürlich von den Umständen des Einzelfalls und auch vom Vertrag ab, aber es war mir wichtig, das einfach klarzustellen."

Diese Auffassung des Justizministeriums teilt das Wirtschaftsministerium offenbar nicht. Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass die Bundesimmobiliengesellschaft des Bundes (BIG) betroffene Mieter, die den Erlass des Mietzinses für den Zeitraum des behördlichen Betretungsverbots begehren, mit dem Angebot einer Stundung abspeist. Die BIG - und damit das Wirtschaftsministerium als Eigentümervertreter - verwehren betroffenen Unternehmen den Erlass des Mietzinses, obwohl aufgrund der Rechtsauffassung des Justizministeriums ein Mietzinsentfall geboten wäre. Stattdessen verweist die BIG (zu 100% im Eigentum der Republik) auf die Coronahilfsfonds für Unternehmen und empfiehlt den betroffenen Betrieben sich das Geld für die Miete über diese Fonds zurückzuholen.

Die Kirsche auf der Torte dieses Schildbürgerstreichs liefert das Finanzministerium. Im Nothilfefonds des BMF sollen nämlich teilweise nichtrückzahlbare Zuschüsse, die sich an den Fixkosten der Unternehmen orientieren, gewährt werden. Auf der Homepage des BMF werden Beispiele für Fixkosten angeführt und dort findet sich folgender Text:

„Grundsätzlich Geschäftsraummieten (wenn der Mietzins nicht reduziert werden konnte und in unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit steht)..."

Zur KlarsteIlung was hier passiert. Die Republik - in Gestalt des Justizministeriums - vertritt mit dem Verweis auf das ABGB die rechtliche Ansicht, dass betroffene Betriebe den Mietzins für Geschäftslokale, über die ein Betretungsverbot verhängt wurde, nicht bezahlen müssen. Die gleiche Republik - in Form des Wirtschaftsministeriums, hier vertreten durch die BIG - verweigert aber den Mietern diesen Entfall des Mietzinses und schickt die Unternehmen zum BMF. Das BMF führt im Rahmen des Corona Hilfs-Fonds als Beispiel für nichtrückzahlbare Zuschüsse Geschäftsraummieten an, allerdings nur dann wenn „der Mietzins nicht reduziert werden konnte".

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1) Teilen Sie die gesetzliche Einschätzung der Justizministerin, die sie im Rahmen der Plenarsitzung vom 20. März 2020 ausgeführt hat?

a.        Wenn ja, warum verweigert die BIG einen entsprechenden Antrag auf Erlass des Mietzinses für Unternehmen?

b.      Wenn nein, haben Sie angeregt eine gesetzliche Klarstellung zu veranlassen?

2) Haben Sie in ihrem Ressort eine Weisung/Anordnung erteilt, dass man auf Basis der Rechtsauffassung der Justizministerin automatisch einen Erlass/Reduktion des Mietzinses für betroffene Unternehmen, die von behördlichen Betretungsverboten betroffen sind, vorzunehmen hat.

a.       Wenn ja, wann wurde diese Weisung/Anordnung erteilt?

b.      Wenn nein, warum wurde diese Weisung/Anordnung noch nicht erteilt?

3) Wie hoch ist die Gesamtzahl der Fläche, die die BIG an Betriebe vermietet?

4) Wie hoch ist die Gesamtzahl der Geschäftsraummieten (Unternehmen) der BIG?

5) Wie viele der Unternehmen aus Frage 4 sind vom behördlichen Betretungsverbot umfasst?

6) Wie viele Unternehmen haben bei der BIG einen Antrag auf Erlass/Reduktion des Mietzinses bis heute gestellt?

a.       Bei wie vielen Unternehmen wurde ein Erlass/Reduktion des Mietzinses gewährt?

b.       Bei wie vielen Unternehmen wurde zunächst lediglich eine Stundung angeboten?

c.        Bei wie vielen Unternehmen wurde aufgrund nachträglicher Intervention statt einer Stundung im nächsten Schritt doch eine Erlass/Reduktion des Mietzinses gewährt?

7) Bei wie vielen Unternehmen wurde - gemäß Gesetzesinterpretation des BMJ - eine Reduktion/Erlass des Mietzinses für den Zeitraum des Betretungsverbots gewährt?

a.       Wurden diese Unternehmen aktiv von der BIG kontaktiert?

i.Wenn ja, was wurde den Unternehmen angeboten?

ii.Wenn nein, warum wurde kein Kontakt hergestellt?

b.       Wie hoch war der durchschnittliche Erlass des Mietzinses?

8) Bei wie vielen Unternehmen wurde keine Reduktion/Erlass des Mietzinses für den Zeitraum des Betretungsverbots gewährt?

a. Wurden diese Unternehmen aktiv on der BIG kontaktiert?

i.           Wenn ja, was wurden den Unternehmen angeboten?

ii.Wenn nein, warum wurde kein Kontakt hergestellt?

9) Bei wieviel Unternehmen kam es insgesamt zu einer Reduktion des Mietzinses und wie hoch waren die Gesamtkosten für die BIG dadurch?