1730/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.04.2020
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Mag. Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend Versagen der verfassungsrechtlichen Prüfung der Maßnahmen-gesetzgebung

 

 

Die in den vergangenen Wochen verabschiedeten und erlassenen COVID-19-Gesetze, Verordnungen und Erlässe zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in Österreich werden von einer Vielzahl an fachkundigen Verwaltungs- und Verfassungsjuristen besonders kritisch gesehen.  Denn einerseits mangelt es den gesetzlichen Maßnahmen selbst an einer gewissen Qualität, wodurch u.a. ein vermeidbarer Interpretationsspielraum entstanden ist, der sowohl bei Juristen als auch bei den eigentlichen Normadressaten verständlicherweise zu Unklarheiten führt. Und andererseits stehen das Gesetzgebungsverfahren und die Vollziehung in wachsender Kritik, wo auf die rechtsstaatliche Problematik der Sammelgesetzgebung, der formalgesetzlichen Delegation an die vollziehenden Gesundheitsbehörden, auf die „Normenschöpfung“ durch Erlässe ohne tatsächliche Gesetzes- und/oder Verordnungsgrundlage und auf die tatsächliche Anwendung durch Befehls- und Zwangsgewalt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern hinzuweisen ist.

 

Allen voran meldete der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofes und Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz a.D. DDr. Clemens Jabloner am Freitag, den 17.04.2020 im „Ö1 Journal um acht“ verfassungsrechtliche Bedenken an und äußerte sich deutlich kritisch zum „Prozess der Legistik“ unter der Türkis-Grünen Bundesregierung im Zusammenhang mit den COVID-19-Maßnahmen.  Konkret bemängelt DDr. Jabloner die fehlende Bereitschaft des Bundeskanzleramts seiner Verantwortung der „verfassungsgemäßen Vorbereitung von Rechtsakten“ nachzukommen. Immerhin sind mit dem beim Bundeskanzleramt angesiedelten Bundesministerium für Verfassung und dem Verfassungsdienst ausreichend „Kapazitäten“ vorhanden, denen gemäß Bundesministeriengesetz geregelte Zuständigkeiten zuteilwerden.

 

Dass die Einbindung des Verfassungsdienstes in diesen durchaus außergewöhnlichen Zeiten augenscheinlich ausgeblieben ist, wo doch dieser sämtliche Gesetzes- und Verordnungsentwürfe aus anderen Bundesministerien auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten sowie deren Verfassungskonformität prüfen sollte, ist unverantwortlich und Bundesministerin für Verfassung Mag. Karoline Edtstadler zuzuschreiben.

 

Es kann jedenfalls nicht sein, dass die Verfassungskonformität von Gesetzen, Verordnungen und Erlässen zur COVID-19-Bekämpfung nicht allzu genau genommen wird. Die Schönheit unserer Verfassung darf auch in diesen Momenten nicht ihren Reiz verlieren und es braucht vor allem in diesen Krisenzeiten einen verantwortungsvollen Umgang mit der Verfassung und mit den Grundrechten der Bürger.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

 

Anfrage

 

1.    Gibt es eine Zuständigkeit bzw. eine Verantwortlichkeit des Bundeskanzleramts im Zusammenhang mit der verfassungsgemäßen Vorbereitung von Rechtsakten?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, in welchem Umfang liegt eine Zuständigkeit vor?

c.    Wenn ja, ist das Bundeskanzleramt dieser Zuständigkeit hinsichtlich der Verfassungskonformität von Rechtsakten im Kontext von COVID-19 nachgekommen?

i.      Wenn nein, warum nicht?

2.    Bestehen Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der verfassungsgemäßen Vorbereitung von Rechtsakten bei dem im Bundeskanzleramt angesiedelten Bundesministerium für Verfassung?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, in welchem Umfang liegt eine Zuständigkeit vor?

c.    Wenn ja, ist das Bundesministerium für Verfassung dieser Zuständigkeit hinsichtlich der Verfassungskonformität von Rechtsakten im Kontext von COVID-19 nachgekommen?

i.       Wenn nein, warum nicht?

3.    Gibt es eine Zuständigkeit bzw. eine Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit der verfassungsgemäßen Vorbereitung von Rechtsakten bei dem im Bundeskanzleramt angesiedelten Verfassungsdienst?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, in welchem Umfang?

c.    Wenn ja, ist der Verfassungsdienst dieser Zuständigkeit hinsichtlich der Verfassungskonformität von Rechtsakten im Kontext von COVID-19 nachgekommen?

i.       Wenn nein, warum nicht?

4.    Welche Aufgabe werden dem Bundeskanzleramt im Prozess der Legistik zuteil?

5.    Welche Aufgaben werden der Bundesministerin für Verfassung im Prozess der Legistik zuteil?

6.    Welche Aufgaben übernimmt der im Bundeskanzleramt angesiedelte Verfassungsdienst im Prozess der Legistik?

7.    Hat der Verfassungsdienst oder eine andere im Bundeskanzleramt angesiedelte Sektion Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität von Rechtsakten im Kontext von COVID-19 geäußert?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, inwiefern?

c.    Wenn ja, wann?