1825/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.04.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Unterstützung der Logistik- und Handelswirtschaft in der Corona-Krise durch Herabsetzung der Zollkautionen

 

Um Nichtunionswaren innerhalb der Union bewegen zu dürfen, verlangt das EU Zollrecht Kautionen (Sicherheiten). Materiell- aber auch formalrechtliche Verstöße führen in der Regel zur Entstehung von Zollschulden. Diese Zollschulden werden dem „Zollschuldner“ mitgeteilt, auch wird er zur Zahlung aufgefordert.

Kann er nicht bezahlen, greifen die Zollbehörden auf die hinterlegte Kaution, in der Regel eine Bankbürgschaft zurück.  

Unterschieden werden im Zollrecht zwei Arten von Kautionen (Sicherheitsleistungen):

1.    Kautionen, bei denen es darum geht, tatsächlich entstandene Zollschulden zu garantieren (Art. 95 Abs. 3 ZK)

2.    Kautionen, bei denen es darum geht, möglicherweise entstehende Zollschulden zu garantieren (Art. 95 Abs. 2 ZK)

Mit Einführung des Unionszollkodex am 01. Mai 2016  hat der Unionsgesetzgeber sein grundsätzliches Misstrauen ein Stück weit abgeschüttelt, um sich dafür zu entscheiden, vertrauenswürdigen Wirtschaftsbeteiligten Ermäßigungen zu gewähren. Ermäßigungen wurden bereits in der Grundverordnung, hier in der VO (EU) Nr. 952/2013 geschaffen.

Als vertrauenswürdiger Wirtschaftsbeteiligter gilt ein Unternehmer, der nach zollrechtlichen Kriterien geprüft, zertifiziert und mit einer Bewilligung als AEO (Authorized Economic Operator) ausgestattet ist.

Die Verordnung sieht in Artikel 95 Abs. 2 vor, dass es einem zertifizierten Wirtschaftsbeteiligten unter Bedingungen, die die EU Kommission in einem delegierten Rechtsakt, hier die VO (EU) 2015/2446 festlegt, Art. 84 (Verringerung des Betrags der Gesamtsicherheit gem Abs 1 und Abs 2 und Befreiung gem Abs 3 von der Sicherheitsleistung), möglich ist, bei der zuständigen Zollbehörde den Antrag einzubringen, diese Kaution zu reduzieren bzw. auf Null (Befreiung) zu setzen.

Diese Regel des Art. 95 Abs. 2 greift für die Warenbewegung von Nichtunionswaren von einer Zollstelle zu einer anderen (hier in einem elektronischen Verfahren  - NCTS – Unionsversand und gemeinsames Versandverfahren), sie greift aber auch für die Lagerhaltung von Nichtunionswaren (Zolllager, Verwahrungslager).

Die Zollbehörden könnten beispielsweise einem Textilhändler, der Mode aus Drittländern erworben hat, diese aber aufgrund der Corona-Krise nicht (mehr) verkaufen kann, über Antrag ein Verwahrungslager bewilligen und ihn für die vorübergehende Verwahrung von Sicherheitsleistungen befreien.

Auch könnten die Zollbehörden Spediteure von der Sicherheitsleistung im Unionsversand befreien, also die Kaution auf Null reduzieren. Während das in anderen Mitgliedsstaaten (z.B. Deutschland) nachweislich für Tochtergesellschaften österreichischer Unternehmer kein Thema war, ist hierorts die Zollbehörde nicht willens, entsprechenden Anträgen zu folgen.

Warum wäre diese Reduktion wichtig:

Den Unternehmen wird durch die Hinterlegung von Sicherheitsleistungen (Verpflichtungserklärungen) der Kreditrahmen um die Höhe dieser Kaution eingeschränkt. Die Unternehmer würden möglicherweise in der Krise gar keine staatliche Hilfe benötigen, man müsste kein Bittgesuch an die WKÖ richten und könnte auch auf Einmalunterstützung verzichten, weil ja das übliche Kreditlimit problemlos ausreichen würde, um die Unternehmen erfolgreich durch die Krise zu führen.

Bei dieser Vorgehensweise besteht ein geringes, bis überhaupt kein Risiko für die Republik, weil es bei einem Verstoß, aus welchem Grund er auch immer entstanden ist, bislang immer ohne Rückgriff auf die Kaution bezahlt wurde und bei Verstößen, die grob fahrlässig oder vorsätzlich herbei geführt wurden, zu den abgaben- auch finanzstrafrechtliche Sanktionen drohen.

In der Krise gilt: Wer schnell hilft, hilft doppelt.

Eine vom Gesetz bestehende Möglichkeit der Herabsetzung der Zollkautionen würde für die Logistik- und Handelswirtschaft in der Corona-Krise eine große Erleichterung darstellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

1.    Wie viele "Authorized Economic Operators" (AEO) sind in Österreich derzeit registriert?

2.    Wie viele Anträge auf Herabsetzung der Zollkaution gem Art. 84 VO (EU) 2015/2446  wurden in den Jahren 2018, 2019 und 2020 von solchen AEO in Österreich gestellt?

3.    Wie viele dieser Anträge wurden von den Zollbehörden genehmigt?

4.    Wie viele dieser Anträge wurden von den Zollbehörden nicht genehmigt?

5.    Ist dem Bundesministerium für Finanzen die deutsche Vollzugspraxis in Bezug auf die Herabsetzung der Zollkaution bekannt?

6.    Wird das Bundesministerium für Finanzen, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, eine Weisung an die Zollbehörden betreffend Handhabung der Anträge gemäß "Herabsetzung der Zollkaution, Art. 84 VO (EU) 2015/2446" richten?

a.    Wenn ja, welche Handhabung werden Sie anordnen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

b.    Wenn nein, weshalb nicht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

7.    Werden Sie in anderer Weise Anordnungen an die Zollbehörden betreffend Handhabung der Anträge gemäß "Herabsetzung der Zollkaution, Art. 84 VO (EU) 2015/2446" richten?

a.    Wenn ja, inwiefern und welche Anordnungen werden Sie treffen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

b.    Wenn nein, weshalb nicht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

8.    Welche konkreten Hilfestellungen, Erleichterungen werden Sie zur Bewältigung der Corona-Krise in Bezug auf den Vollzug des Zollrechts für die Logistik und Handelsbranche setzen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)