1828/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.04.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Dipl. Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Financial Literacy

 

Der eigenverantwortliche Umgang mit Geld und anderen Tausch- und Zahlungsmitteln ist eine Kompetenz, die erworben werden muss. Financial Literacy ermöglicht Menschen beim Abschluss eines Vertrags oder der Tätigung einer Investition besser abschätzen zu können, welche Risiken sie auf sich nehmen und welche Chancen sich für sie ergeben könnten. Durch den Erwerb von Financial Literacy nehmen Menschen ihre eigenen finanziellen Möglichkeiten und letztendlich die Marktwirtschaft als solches selbst in die Hand.

Nicht nur in Zeiten einer gesamtgesellschaftlichen Krise, die verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft unseres Landes hat, wird offenkundig, dass das eine wertvolle und wichtige Grundkompetenz ist. Die Julius Raab Stiftung veröffentlichte am 16.04.2020 auf ihrer Homepage ein Policy Paper mit dem Titel  "Wirtschafts- und Finanzkompetenz für ein selbstbestimmtes Leben". Dazu schreibt sie: "Der bildunspolitische [sic!] Handlungsbedarf ist groß: Wissen doch knapp 50% der Österreicherinnen und Österreicher nicht was Zinsen sind. Nur 8% der befragten ÖsterreicherInnen einer Studie der Wiener Börse von 2017 fühlen sich bei Wirtschafts- und Finanzthemen sattelfest. 77% der Befragten meinen auch, dass Finanzwissen in Österreichs Schulen zu wenig vermittelt wird. Warum ist das so?" (Quelle: https://www.juliusraabstiftung.at/publikationen/wirtschafts-und-finanzkompetenz-fuer-ein-selbstbestimmtes-leben/ am 27.04.2020)

In den Schulen kommt die Grundkompetenz Financial Literacy aktuell also eindeutig zu kurz. Wenngleich im Regierungsprogramm die Verankerung von Financial Literacy in den österreichischen Lehrplänen erwähnt wird, ja sogar eine Teilnahme am PISA-Modul Financial Literacy in Aussicht gestellt wird, und das Policy Paper der Julius Raab Stiftung wichtige Anregungen zur Implementiertung von Financial Literacy im österreichischen Bildungssystem liefert, bleibt weiterhin unklar wann, wie und ob diese Veränderungen tatsächlich vollzogen werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:



1.    Was verstehen Sie genau unter Financial Literacy?

a.    Welche Probleme sollen Kinder, Jugendliche und Erwachsene anhand der erworbenen Financial Literacy lösen können?

b.    Welche Expert_innen haben Sie bereits bei der Ausarbeitung eines Konzepts der Financial Literacy und seiner Verankerung in österreichischen Schulen zu Rate gezogen?

2.    Welche Maßnahmen werden Sie wann setzen, um Financial Literacy in den Lehrplänen der österreichischen Schulen zu verankern?

a.    Welche Lehrer_innen (Fächer und Schultyp) sollen Financial Literacy unterrichten und im Rahmen welcher Fächer?

b.    Ab welcher und bis zu welcher Schulstufe soll Financial Literacy in den Lehrplänen verankert werden?

c.    Planen Sie eigene Materialien wie Schulbücher oder digitale Lerntools für Financial Literacy einzuführen?

                                  i.    Wenn ja, welche Materialien sind in Planung und welche Expert_innen sollen diese Materialien erarbeiten? Die Julius-Raab-Stiftung empfiehlt auf Seite 12 ihres Policy Papers Financial Literacy durch "Design-Thinking-Prozesse“ und digitale Lernspiele erlebbar machen. Was haben Sie diesbezüglich schon ausgearbeitet?

                                ii.    Wenn nein, wie sollen sich die Schüler_innen ohne vorhandene Materialien diese Grundkompetenz aneignen?

3.    Im Regierungsprogramm nennen Sie auf Seite 71 als konkretes Ziel die Teilnahme am Financial Literacy Modul des PISA-Tests.

a.    Wie und in welchen Fächern sollen die Schüler_innen darauf vorbereitet werden?

b.    Ab wann sollen die Schulen an diesem Testmodul frühestens bzw. spätestens teilnehmen?

4.    Die Julius Raab Stiftung fordert in ihrem Policy Paper einen größeren Fokus auf Financial Literacy in der Lehrendenausbildung. Wie wollen Sie dieser Forderung gerecht werden? Wie werden Sie Lehrer_innen konkret aus- und weiterbilden, damit diese Financial Literacy unterrichten können?

a.    Auf Seite 10 des Policy Papers der Julius Raab Stiftung wird das Anliegen beschrieben, Lehrende praxisorientiert für Wirtschafts- und Finanzkompetenz zu begeistern, z.B. in Unternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung. Werden Sie hier den Forderungen der Julius Raab Stiftung nachkomman und das Fortbildungsmonopol der Pädagogischen Hochschulen auflockern, um den Lehrkräften die bestmögliche Weiterbildung im Bereich Financial Literacy garantieren zu können?

5.    Die Julius Raab Stiftung fordert, das Schulsystem durchlässiger für Personen mit Praxiserfahrung in der Wirtschaft zu machen. Welche Anreize und Einstiegsmöglichkeiten an Schulen für Menschen mit dementsprechendem Hintergrund werden Sie schaffen?

6.    Die Julius Raab Stiftung fordert auf Seite 11 ihres Policy Papers eine verpflichtende Berufsbildungswoche für Schüler_innen ab der 7. Schulstufe. Werden Sie dieser Forderung nachkommen? Wenn ja, in welchem Zeitrahmen und verbunden mit welchen Kosten? Wenn nein, wieso nicht?

7.    Im Regierungsprogramm heißt es, sie wollen „Lebenslange, berufsbegleitende Lehrangebote zum Kapitalmarkt mit privaten Partnern, um gesamtgesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen“. (Regierungsprogramm 2020, S.71) Was stellen Sie sich genau darunter vor?

a.    Wie planen Sie diese Angebote zu schaffen und Menschen zu motivieren diese in Anspruch zu nehmen?

b.    Falls Sie bereits Angebote geschaffen haben, wie bewerben Sie diese?