1869/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.05.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend die neue Normalität „am Rand des demokratischen Modells“

 

Die Kanzlerberaterin und Leiterin der Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt, Antonella Mei-Pochtler, geht in einem Interview mit der „Financial Times“1 davon aus, dass Contact-Tracing-Apps und andere Technologie künftig wesentlicher Bestandteil des sozialen Lebens sein werden. Unter Verwendung eines vom Bundeskanzler häufig eingesetzten Schlagworts meint sie weiters „das wird Teil der neuen Normalität sein. Jeder wird eine App haben“.

 

Dass die „neue Normalität“ wohl ein Synonym für den zur Regel gewordenen Ausnahmezustand unter Einschränkung der Bürgerrechte sein soll, offenbart sich jedoch im Laufe des Interviews: Die europäischen Länder müssten sich an Tools gewöhnen, die „am Rand des demokratischen Modells“ seien.

 

Neben dem Österreichischen Roten Kreuz, welches die vielkritisierte Stopp-Corona-App auf den Markt gebracht hat, entwickelt auch die Staatsdruckerei gemeinsam mit ihrem Tochterunternehmen youniqx Identity AG eine App, durch die Staaten die etwaige Immunität gegen das Virus sowie die Identität von Privatpersonen überprüfen können sollen.

 

In diesem Zusammenhang beachtenswert ist auch, dass Mei-Pochtler vor kurzem auch die Koordinierung des „Future Operations Clearing Board“ übertragen wurde. Dieses inoffizielle Gremium soll Maßnahmen prüfen, Expertise für zukünftige Schritte liefern und Perspektiven für die kommenden Monate aufzeigen.

 

Überwachungs-Apps, die nun auf internationaler und europäischer Ebene im Windschatten der COVID-19-Krise am Vormarsch sind und auch von der österreichischen Bundesregierung forciert und unterstützt werden, stellen einen nicht zu rechtfertigenden, gefährlichen Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger und in das Recht auf Datenschutz dar. Mei-Pochtler scheint bereits in der neuen Normalität angekommen zu sein, wenn sie sagt: „Ich glaube, die Leute werden diese Kontrolle von sich aus wollen“.

 

1. https://www.ft.com/content/87495a18-f7a1-4657-a517-ba2b16c146dc und https://orf.at/stories/3164322/

In diesem Zusammenhang stellen die nachstehenden unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

 

Anfrage

 

1.    Inwiefern wollen Sie eine neue Normalität am Rand des demokratischen Modells herbeiführen?

2.    Bis wann wollen Sie eine neue Normalität am Rand des demokratischen Modells herbeiführen?

3.    Befasst sich die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt mit Szenarien der möglichen Einführung einer neuen Normalität am Rand des demokratischen Modells?

4.    Wenn ja, wie soll diese aussehen?

5.    Wenn ja, welche Rolle sollen dabei Überwachungs-Apps, beispielsweise zum Tracking von COVID-19, eingesetzt werden?

6.    Wenn ja, welche Rollen sollen dabei Vorrechte bestimmter Personengruppen, beispielsweise durch die Verwendung von Immunitätsnachweisen, eingeräumt werden?

7.    Wenn ja, anhand welcher Kriterien sollen Vorrechte für bestimmte Personengruppen in der neuen Normalität am Rand des demokratischen Modells vergeben werden?

8.    Welche anderen Organisationseinheiten in Ihrem Ministerium oder Kabinettsmitarbeiter befassen sich in Planspielen mit Szenarien einer neuen Normalität am Rand der Demokratie?

9.    Setzen Sie sich auf europäischer Ebene für eine neue Normalität am Rand der Demokratie ein?

10. Empfiehlt Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt die verpflichtende Verwendung von Überwachungs-Apps im Zusammenhang mit COVID-19?

11. Werden Sie Maßnahmen setzen um die Zahl der Österreicherinnen und Österreicher, die Überwachungs-Apps nutzen, zu erhöhen?

12. Wenn ja, welche Maßnahmen wurden bereits gesetzt bzw. sollen gesetzt werden?

13. Gehört die Weitergabe von Informationen an selektierte Medien zur neuen Normalität am Rand der Demokratie?

14. Wenn ja, werden diese analog zu den Kriterien für die neue Sonderpresseförderung ausgewählt?

15. Wenn ja, nach welchen sonstigen Kriterien werden diese Medien ausgewählt?

16. Wenn nein, warum sonst haben einzelne Medien einen bevorzugten Zugang zu Regierungsinformationen und Internas?

17. Entwickelt Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt auch Sprachbilder wie „die neue Normalität“ als Regierungssprech?

18. Gehört das Framing bestimmter Medien, die Inhalte nicht im Regierungssprech vermitteln, als Verschwörungstheoretiker zur neuen Normalität am Rand der Demokratie?

19. Welche sonstigen Maßnahmen zur Errichtung einer neuen Normalität am Rand der Demokratie haben Sie bereits gesetzt?

20. Welche Maßnahmen um die Österreicherinnen und Österreicher an eine neue Normalität am Rand der Demokratie zu gewöhnen haben Sie bereits gesetzt?

21. Hat Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt oder eine andere Organisationseinheit (Ressorts, Sektionen, Abteilungen, usw.) oder Kabinettsmitarbeiter an der 98. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes vom 15.03.2020 mitgearbeitet?

22. Wenn ja, inwiefern?

23. Wenn ja, welche Aufgabe wurde von wem übernommen?

24. Hat Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt oder eine andere Organisationseinheit (Ressorts, Sektionen, Abteilungen, usw.) oder Kabinettsmitarbeiter an dem Erlass, § 15 Epidemiegesetz 1950, Verbot von Zusammenkünften GZ 2020-0.201.688 vom 01.04.2020 mitgearbeitet?

25. Wenn ja, inwiefern?

26. Wenn ja, welche Aufgabe wurde von wem übernommen?

27. Hinsichtlich welcher weiteren Verordnungen und Erlässe im Zusammenhang mit COVID-19 wurde Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt befasst? (Bitte befassendes Ministerium und besprochenen Rechtsakt angeben)

28. Wer ist Teil der Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt?

29. Welche Aufträge haben Sie an Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit COVID-19 erteilt? (Bitte nach Datum und Auftragsempfänger gliedern)

30. Welche Kosten entstehen durch Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt? (Bitte Honorare, Reisekosten, usw. angeben)

31. Wann (Datum und Uhrzeit) haben Sie seit Beginn der Gesetzgebungsperiode mit Antonella Mei-Pochtler bzw. der Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt jeweils Beratungen abgehalten?

32. Hat Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt die Rechtswidrigkeit von im Zusammenhang mit der COVID-19 Krise erlassener Verordnungen oder Erlässe festgestellt oder sich hinsichtlich möglicher Rechtswidrigkeiten geäußert?

a.    Wenn ja, von welchen?

b.    Wenn ja, warum?

c.    Wenn ja, wann?

33. Welche Empfehlungen hat Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit COVID-19 abgegeben?

34. Inwiefern hat Antonella Mei-Pochtler bzw. die Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung im österreichischen Bundeskanzleramt an der Überarbeitung von Verordnungen und Erlässen im Zusammenhang mit COVID-19 mitgewirkt?

35. Welche Aufgabe kommt dem „Future Operations Clearing Board“ zu?

36. Wer sind neben Antonella Mei-Pochtler die weiteren Mitglieder des „Future Operations Clearing Board“?

37. Welche Rolle nimmt Antonella Mei-Pochtler im Future Operations Clearing Board“ ein?

38. Welche sonstigen Organisationseinheiten (Ressorts, Sektionen, Abteilungen, usw.) oder Kabinettsmitarbeiter sind im „Future Operations Clearing Board“ vertreten?