1900/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.05.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Mögliches Millionendebakel bei Schutzmaterialbeschaffung

 

Die Mehrheitsfraktionen im Nationalrat (ÖVP und Grüne) und die Bundesregierung haben mit den Covid19-Gesetzen auch die Möglichkeit eingeräumt, dass auch unzertifizierte Covid19-Schutzausrüstungsgüter beschafft und verwendet werden dürfen. Konkret geht es um das "Gesetz über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona COVID-19-Pandemie". Damit wurde offensichtlich ein Beschaffungsglücksrittertum in Gang gesetzt, das seines Gleichen sucht. Das aber auch absehbar war. NEOS hat bereits in der Begutachtung vor unzertifizierten Masken gewarnt. Zum einen aus Sicherheitsgründen und zum anderen, weil dieses Gesetz den idealen Nährboden für Freunderlwirtschaft und Glücksrittertum bildet.

§ 1 des Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona COVID-19-Pandemie im Wortlaut:

§ 1

(1) Für Mund-Nasen-Schnellmasken ist keine Zertifizierung nach dem Medizinproduktegesetz – MPG, BGBl. Nr. 657/1996, in der derzeit geltenden Fassung, oder dem Maschinen–Inverkehrbringungs- und Notifizierungsgesetz – MING, BGBl. I Nr. 77/2015, in der derzeit geltenden Fassung, erforderlich.

(2) Bei der Entnahmestelle beim Vertrieb ist ein Hinweis anzubringen, dass die Mund-Nasen-Schnellmasken nicht national zertifiziert und nicht medizinisch oder anderweitig geprüft sind.

Quelle: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20011107

 

Das Ausschalten dieser essentiellen Qualitätshürden für Schutzmasken hat nun offenbar zahlreiche "Glücksritter" auf den Plan gerufen, die zwar möglichst schnell liefern wollen, aber sehr häufig erfüllt die Schutzausrüstung nicht die Qualitätskriterien, die es erfüllen sollte. Die Wochenzeitung "Die Zeit" schreibt beispielsweise:

"Seit Beginn der Corona-Krise kauft das Rote Kreuz im Auftrag der Republik medizinische Schutzgüter ein. Der Blick auf Kunerts [Anm. Cheflogistiker des Österreichischen Roten Kreuzes] Bestellliste zeigt die Misere: Von den 72 Millionen angeschafften OP-Handschuhen wurden bisher 50 Millionen geliefert. Von den 780.000 Schutzoveralls die Hälfte. Und von den 30 Millionen bestellten FFP2-Masken sind bis heute nicht einmal zwei Millionen in Österreich angekommen. Während Behörden und Krankenhäuser anfangs noch aktiv auf Lieferanten zugegangen sind, werden sie jetzt mit Angeboten überhäuft. Allein das Rote Kreuz bekommt bis zu 600 Offerten täglich. Auf dem Markt wimmelt es von Zwischenhändlern und zwielichtigen Firmen, die Kunden mit gefälschten Zertifikaten und unbrauchbaren Masken täuschen. Die in der größten Gesundheitskrise seit der Spanischen Grippe das Geschäft ihres Lebens wittern. Jürgen Kunert nennt es "das Tummeln der Glücksritter"."

 

50.000 Schutzmasken für die ÖGK

Auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) Mitte März 50.000 Masken bei einem Unternehmen namens "AQS" bestellt. Der Betreiber Chu Song betreibt unter anderem einen Shop für Hochzeitsmoden, ein Start-up für Maßanzüge und eine "Deutsche Agentur für Leihmutterschaft" die eine Kontaktnummer mit deutscher Vorwahl anführt, ihren Sitz aber in Villach hat, wie "Die Zeit" berichtet. Erhalten hat die ÖGK von insgesamt 50.000 bestellten Masken aber nur 10.000. Wie der Kontakt zu dem Unternehmen hergestellt wurde, wurde jedoch von der ÖGK nicht kommentiert. Weiters berichtet "Die Zeit", dass die Zollaufsicht täglich Masken sicher stellt, bei denen Nachweise fehlen oder gefälscht wurden. Die Qualität dieser Lieferungen würde nur "stichprobenartig" geprüft werden. Für die Prüfung der Qualität hat das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen eine eigene Stelle eingerichtet. Dort wurde festgestellt: Zwei Drittel der Importware bestehen die Prüfung nicht und erfüllen nicht die notwendigen Qualitätskriterien. Dasselbe gilt für die Schutzmasken, die der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher auf Bitte von Sebastian Kurz für Tirol organisiert hat. 130 Tonnen medizinisches Schutzmaterial für Italien und Tirol wurden am 23. März eingeflogen. Organisiert wurde die Lieferung von der "Oberalp Group", einem Südtiroler Unternehmen für Bergsportausrüstung. Die Schutzmasken erwiesen sich schnell als größtenteils unbrauchbar. Auch hier fehlten Zertifikate, die die Qualitätsrichtlinien bestätigt hätten. Das Österreichische Rote Kreuz hat bei der Oberalp Group 20 Millionen Schutzmasken bestellt, von denen bisher nur 1,7 Millionen geliefert wurden (Stand 29. April). Grund dafür sei, dass ein Testergebnis zur Qualität der Masken fehlt. 

 

Quellen:

https://www.zeit.de/2020/19/schutzmasken-verkauf-coronavirus-oesterreich-gesundheitssystem  

https://www.derstandard.at/story/2000117201385/schutzmaterial-kooperation-mit-suedtirol-droht-millionendebakel

https://www.krone.at/2135133

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wie viele Schutzmasken hat das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen einer Qualitätskontrolle gemäß Verordnung (EU) 2016/425 (EU-Konformitätserklärung) seit Anfang März geprüft?

2.    Welche Stichprobengröße hat das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen für die Qualitätskontrolle verwendet?

3.    Wie viele Schutzmasken, die an das Bundesministerium für Inneres geliefert wurden, wurden vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als fehlerhaft festgestellt?

4.    Wie viele Schutzmasken, die an die Bundesbeschaffung GmbH geliefert wurden, wurden vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als fehlerhaft festgestellt?

5.    Wie viele jener Schutzmasken, die an das Österreichische Rote Kreuz geliefert wurden, wurden vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als fehlerhaft festgestellt?

6.    Wie ist der Kontakt zu diesen unzuverlässigen Verkäufern zustande gekommen?

7.    Wer hat die Zuverlässigkeit der Verkäufer geprüft?

a.    Nach welchen Kriterien wurde unter den verschiedenen Anbietern ausgewählt?

8.    Wie viel wurde per 15.03.2020 / 31.03.2020 / 15.04.2020 / 30.04.2020 /... bestellt? (nach Produktgruppe)

9.    Wie viel davon wurde per 15.03.2020 / 31.03.2020 / 15.04.2020 / 30.04.2020 /...  geliefert? (nach Produktgruppe)

10. Wie hoch ist der Anteil an "unzertifizierten" Schutzmaterialien in diesen Lieferungen? (nach Produktgruppe)

11. Wurden Pönalezahlungen vereinbart?