2005/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.05.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Besuch des Bundeskanzlers im Kleinwalsertal

 

Am 13. Mai 2020 besuchte Bundeskanzler Sebastian Kurz das Kleinwalsertal in Vorarlberg. Auf der offiziellen Facebook-Seite der Gemeinde Mittelberg wurde folgendes kommuniziert:

"Wegen der CoVid-19-Maßnahmen ist eine öffentliche Veranstaltung nicht möglich und es gibt leider keine Gelegenheit für einen persönlichen Kontakt mit der Talbevölkerung." 

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Bilder von dem tatsächlichen Besuch lassen jedoch andere Schlüsse zu. So wurde - wie aus den Bildern unten ersichtlich - weder von den Teilnehmern der "Kundgebung" noch von Regierungsverantwortlichen in Land und Bund der Mindestabstand von einem Meter eingehalten. Anders als von der Gemeinde Mittelberg angekündigt ("keine öffentliche Veranstaltung", "kein persönlicher Kontakt mit der Talbevölkerung"), fanden sich dennoch zahlreiche Menschen ein, um den Bundeskanzler zu begrüßen. Darauf schien man auch sehr gut vorbereitet gewesen zu sein - ein Zelt wurde aufgebaut, Mikrofone waren bereitgestellt, der Bundeskanzler sprach zur Talbevölkerung. 

 

Abbildung 1 Kurz besucht Kleinwalsertal - und wird von Fans umringt

Ein Bild, das Person, Anzug, Gebäude, Gruppe enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

 

Bildquelle: br.de

Abbildung 2 Sebastian Kurz

Sebastian Kurz

 

Bildquelle: vorarlberg.orf.at

 

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Bildquelle: Vorarlberger Nachrichten

 

Nun stellt sich die Frage, ob - anders als von Mittelberger Bürgermeister Andi Haid angekündigt - doch eine politische Kundgebung stattgefunden hat und wenn ja, ob diese noch so kurzfristig angemeldet werden konnte. Weiters stellt sich die Frage, warum Bundeskanzler Sebastian Kurz, anders als bei seinen Auftritten in Wien, keinen Mund-Nasen-Schutz getragen hat, um bei seiner Rede zur Talbevölkerung eine Tröpfcheninfektion zu vermeiden. Auch die Schilderungen des Besuches auf der Website der Gemeinde Mittelberg lassen vermuten, dass hier nicht die von der Bundesregierung verordneten Abstandsregeln eingehalten wurden: 

"Zahlreiche Menschen postierten sich mit Fahnen und winkend an der Landesstraße. Kanzler Kurz zeigte sich volksnah, ließ seinen Chauffer nicht nur einmal das Fahrzeug anhalten und nahm Kontakt zu den Menschen auf. So wie auch bei der Ankunft beim Walserhaus. Mehrere hundert Menschen erwarteten den Bundeskanzler. Dieser bahnte sich ohne Hektik den Weg durch die Menge, posierte aber auch für Selfies für jung und alt - vorbildlich mit Abstand."

 

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Bildquelle: Ralf Lienert/Allgäuer Zeitung

Wie "vorbildlich" der Abstand der "zahlreichen Menschen" eingehalten wurde, ist aus den Bildern ersichtlich. Es ist fragwürdig, ob es möglich ist, ein Selfie mit dem nötigen Mindestabstand von einem Meter einzuhalten, ebenso fragwürdig ist, wie der Abstand gewährleistet sein kann, wenn sich Bundeskanzler Kurz durch "mehrere hundert Menschen" den Weg durch die Menge bahnt.

 

Die zum Tatzeitpunkt geltende Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV) BGBl. II Nr. 197/2020 lautet in § 10:

Veranstaltungen

§ 10.

 (1) Veranstaltungen mit mehr als 10 Personen sind untersagt.

(2) Als Veranstaltung gelten insbesondere geplante Zusammenkünfte und Unternehmungen zur Unterhaltung, Belustigung, körperlichen und geistigen Ertüchtigung und Erbauung. Dazu zählen jedenfalls kulturelle Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Hochzeiten, Filmvorführungen, Ausstellungen, Kongresse.

(3) Bei Begräbnissen gilt eine maximale Teilnehmerzahl von 30 Personen.

(4) Beim Betreten von Veranstaltungsorten gemäß Abs. 1 ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten. Weiters ist in geschlossenen Räumen eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen muss darüber hinaus pro Person eine Fläche von 10 m2 zur Verfügung stehen.

(5) Abs. 1 gilt nicht für

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Veranstaltungen im privaten Wohnbereich,

2.

Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr 98/1953. Diese sind unter den Voraussetzungen des genannten Bundesgesetzes zulässig.

3.

Zusammenkünfte zu beruflichen Zwecken, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeit unbedingt erforderlich sind,

4.

Betretungen nach § 5.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Was war diese Menschenmenge aus Sicht des Herrn Innenministers?

a.    Eine Veranstaltung?

b.    Eine Versammlung?

c.    Etwas anderes?

2.    Seit wann waren die Sicherheitsbehörden in Kenntnis von dem geplanten Auftritt des Bundeskanzlers im Kleinwalsertal?

3.    Welche Kenntnisstand über den Ablauf des "Auftritts" des Kanzlers hatten die Sicherheitsbehörden im Vorfeld?

4.    Welche Kenntnis hatten die Sicherheitsbehörden über den konkreten Zweck der Reise des Bundeskanzlers ins Kleinwalsertal?

5.    War ein Zusammentreffen mit der Dorfbevölkerung geplant?

6.    War eine Arbeitssitzung geplant?

7.    Wann begannen in welchen Dienststellen, welche konkreten Vorbereitungsarbeiten für diese Reise?

8.    Wurde der Besuch des Bundeskanzlers im Kleinwalsertal und die Zusammenkunft der Menschenmenge vor dem Rathaus Mittelberg als Veranstaltung iSd des Vorarlberger Landesgesetz über das Veranstaltungswesen (Veranstaltungsgesetz) angemeldet?

a.    Wenn ja, wann wurde die Veranstaltung bei welcher Behörde von wem genau mit welchen konkreten Angaben angemeldet? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

b.    Wenn ja, warum wurde diese nicht untersagt im Hinblick auf § 10 der Lockerungsverordnung? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

c.    Wenn nein, warum hat die Polizei diese nicht angemeldete Veranstaltung nicht aufgelöst? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

9.    Wurde der Besuch des Bundeskanzlers und die Zusammenkunft der Menschenmenge vor dem Rathaus Mittelberg als Versammlung iSd Versammlungsgesetz angemeldet?

a.    Wenn ja, wann wurde die Versammlung bei welcher Behörde von wem genau mit welchen konkreten Angaben angemeldet?

b.    Wenn ja, warum wurde diese nicht untersagt? 

c.    Wenn nein, warum hat die Polizei diese nicht angemeldete Versammlung nicht aufgelöst? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

10. Wie viele Polizist_innen waren im Rahmen des Besuches des Bundeskanzlers im Kleinwalsertal im Einsatz?

a.    Warum sind die anwesenden Polizist_innen nicht eingeschritten, obwohl sehr offensichtlich die Abstandsregeln nicht eingehalten wurden?

b.    Warum haben die Polizist_innen die Versammlung von mehreren hundert Personen nicht aufgelöst?

11. Wann hat die Polizei die Vorbereitungen für die Kundgebung/Versammlung der Menschenmenge (z.B. Aufbau eines Zeltes vor dem Rathaus) wahrgenommen?

12. Wie groß war nach den Aufzeichnungen der Polizei die Anzahl der Teilnehmer an dieser Kundgebung/Versammlung der Menschenmenge?

13. Wurde überprüft, welche der bei der Versammlung anwesenden und näher als 1 Meter zusammenstehenden Personen im selben Haushalt wohnen?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, warum wurde die Versammlung dann nicht aufgelöst?

14. Wie viele Verstöße gegen die "Lockerungsverordnung" bzw gegen das COVID-19-Maßnahmengesetz wurden am 13.Mai 2020 im Kleinwalsertal registriert oder zur Anzeige gebracht?

15. Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner standen mehrere Male eindeutig sehr nahe zusammen (offensichtlich wurde der Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten). Wurde von der Polizei überprüft, ob Sebastian Kurz und Markus Wallner im selben Haushalt leben?

a.    Wenn nicht, warum ist die Polizei nicht eingeschritten?