2052/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.05.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Message Control in der Coronakrise

 

Die Online-Plattform diesubstanz.at berichtet am 18. Mai 2020 in einem Artikel von der Coronakrise nicht nur als wirtschaftlicher und gesundheitlicher, sondern auch als medialer Krise. Denn laut Artikel stehen die österreichischen Medien in den letzten Wochen vermehrt unter finanziellem, aber vor allem auch unter politischem Druck. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender leben zu einem guten Teil von Werbung, diese Einnahmen seien jedoch in der Krise deutlich eingebrochen. Die Folge: Journalist_innen würden in Kurzarbeit geschickt, die Medienanstalten hätten weniger Personal zur Verfügung, welches politische Entwicklungen kritisch analysiert und kommentiert. Auch die viel diskutierte Coronaförderung für Medien, die von der Regierung kürzlich beschlossen wurde, bessert die fehlende Finanzierung kaum auf, sondern setzt die Journalist_innen zusätzlich unter politischen Druck, da die Verantwortung dafür im Bundeskanzleramt liegt. (diesubstanz.at, 18.5.2020: „Message Control“ gegen vierte Gewalt) Außerdem richtet sich die zusätzliche Corona-Förderung für Medien nicht nach qualitativen Gesichtspunkten, sondern nach quantitativen wie der Druckauflage, wodurch beispielsweise Gratiszeitungen bevorzugt werden.

Zudem stellen kritische Anrufe des Bundeskanzlers und seiner Mitarbeiter_innen bei Chefredakteur_innen unmittelbar nach Erscheinen eines Artikels keine Seltenheit dar. In der Vergangenheit standen Anrufe von Sebastian Kurz in der Redaktion der Austria Presse Agentur unter Kritik, weil ihm beispielsweise der Untertitel einer Überschrift nicht gefiel. Gerade letzte Woche meldete sich auch der Chefredakteur der Kleinen Zeitung, Hubert Patterer, öffentlich zu Wort und berichtete in seinem morgendlichen Newsletter am 15. Mai 2020, von mehreren persönlichen Interventionen des Kanzlers über die Berichterstattung seines Besuchs im Kleinwalsertal: „Der Bundeskanzler hat sich gestern mehrmals am Telefon gemeldet, um energisch darzulegen, wie er den entglittenen Besuch im Kleinen Walsertal wahrnahm, und dass die kritische Kommentierung und mediale Darstellung Zerrbilder wären.“ Hubert Patterer wies die Kritik zurück, doch Bundeskanzler Kurz schickte Patterer anschließend noch Fotos zur Untermauerung seiner Sicht. Einige Textnachrichten folgten. (Newsletter CR Kleine Zeitung, 15.5.2020)

Es wird den Medien auch schwer gemacht, an entscheidende Fakten über das Coronavirus zu kommen, denn wie der Standard in einem Artikel vom 16. Mai 2020 berichtete, müsse seit März sogar die Statistik Austria, die eigentlich unabhängig, objektiv und überparteilich Informationen für alle bereitstellen soll, seit März alle Pressinformationen vorab ans Bundeskanzleramt schicken. (Der Standard, 16.5.2020: Der Kanzler und die Einsicht in sensible Daten)

Diese ständigen Versuche, Medien unter Druck zu setzen, haben eine neue Dimension erreicht. Gerade in Krisenzeiten ist jedoch eine ausgewogene, objektive Berichterstattung unabdinglich, um die Öffentlichkeit sachlich zu informieren und politische Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Diese Entwicklungen sind eine Gefahr für die unabhängigen Medien, die so ihre Rolle als vierte Gewalt in unserer Demokratie nicht mehr ausführen können und an ihren Grundsätzen wie kritischer Kontrolle, Objektivität und Unabhängigkeit gehindert werden. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wie oft und bei welchen Medien haben Sie sich persönlich seit Beginn der Coronakrise bei Chefredakteur_innen aufgrund der Berichterstattung gemeldet?

2.    Haben Sie sich über die Berichte aus dem Kleinen Walsertal auch noch bei anderen Chefredakteuer_innen beschwert, außer bei Hubert Patterer?

a.    Wenn ja, wann, bei wem und aus welchem Grund?

3.    Haben Sie in einem der Gespräche Anspielungen auf die schwierige Finanzierung der Medien gemacht?

a.    Wenn ja, wann, in welchem Gespräch mit wem und weshalb?

4.    Haben Sie mit Eigentümer_innen der österreichischen Medienhäuser seit Beginn der Coronakrise über die Lage der Medien in Österreich gesprochen?

a.    Wenn ja, wann, mit wem und wie oft?

b.    Wenn ja, worum ging es konkret?

5.    Wie viele Mitarbeiter_innen Ihrer 59 Medienleute sind mit "Mediamonitoring" - sowohl online als auch im Print - beauftragt?

a.    Wie oft am Tag werden Sie darüber informiert?

b.    Wie funktioniert die Befehlskette: An wen müssen diese Mitarbeiter_innen kritische Artikel melden?

c.    Ist Ihr Medienbeauftragter Gerald Fleischmann in Kontakt mit diesen Medienmitarbeitern und bekommt er Meldungen über kritische Artikel?

6.    Hat Gerald Fleischmann Chefredakteur_innen von österreichischen Medien bezüglich der Berichterstattung über das Kleine Walsertal kontaktiert?

a.    Wenn ja, wann, mit wem war er in Kontakt und wie oft?

b.    Wenn ja, worum ging es konkret?

7.    Hatte Gerald Fleischmann mit Eigentümer_innen von österreichischen Medienhäusern seit Beginn der Coronakrise Kontakt?

a.    Wenn ja, wann und mit wem war er in Kontakt und wie oft?

b.    Wenn ja, worum ging es konkret?

8.    Haben Sie oder Gerald Fleischmann seit Beginn der Coronakrise Einfluss auf die Einladungspolitik des ORF genommen?

a.    Wenn ja, wie oft haben Sie oder Gerald Felischmann vorgeschlagen, dass Sie in einer Sendung auftreten?

b.    Wenn ja, haben Sie und/oder Gerald Fleischmann jemals vorgeschlagen oder davon abgeraten Vertreter_innen der Europäischen Union wie z.b. die Kommissionspräsidentin Ursula Van der Leyen oder den Vizepräsidenten des EU Parlaments Othmar Karas als Interviewgäste einzuladen?

9.    Ist eine Änderung der Presseförderung nach qualitativen Gesichtspunkten angedacht?

a.    Wenn ja, wann soll diese Änderung vorgenommen werden?

b.    Wenn nein, warum nicht?