2055/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.05.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Thomas Drozda

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Einschränkung der Pressefreiheit

 

Reporter ohne Grenzen veröffentlichen jährlich ein Länder-Ranking zur Pressefreiheit. So auch am 21. April 2020. Das Ergebnis gibt Anlass zur Sorge: Der Journalismus ist weltweit unter Druck. Österreich macht hier keine Ausnahme, denn es ist im Ranking erneut abgerutscht. Vom 16. auf den 18. Rang. Die Hintergründe für ein Abrutschen liegen noch in der Zeit der Vorgängerregierung. Leider hat sich die Situation unter Türkis-Grün kaum gebessert, wie auch „Reporter ohne Grenzen“ kritisiert. Ein aktueller Kritikpunkt ist beispielsweise der Ausschluss der AuslandskorrespondentInnen von Regierungspressekonferenzen, der im Zuge der Coronavirus-Krise eingeführt wurde.

Es gibt aber auch ganz aktuelle Beispiele, bei denen eine Einschränkung der Pressefreiheit vorliegt. Diese betreffen unter anderem polizeiliche Aktivitäten. Obwohl es zulässig ist die Polizei bei ihrer Arbeit zu dokumentieren, so lange man die Amtshandlung nicht behindert, werden Journalistinnen und Journalisten hierbei häufig gestört. Sie machen vermehrt darauf aufmerksam, dass die Polizei beispielsweise die Berichterstattung von Demos behindert. Es werden unterschiedliche Formen der Beeinträchtigung genannt:

Eine Behinderung journalistischer Dokumentation ereignete sich am 7. März 2020. Ein Journalist wollte die Verhaftung eines antifaschistischen Aktivisten bei einem Aufmarsch der „Identitären Bewegung“ dokumentieren. Diese hatte zu einem Aufmarsch vor der griechischen Botschaft in Wien aufgerufen. Bereits im Umfeld dieses Aufmarsches war es am Wiener Karlsplatz zu einer Auseinandersetzung zwischen Vertretern der „Identitären Bewegung“ und protestierenden AntifaschistInnen gekommen. Im Zuge dessen wurde von der Polizei eine Verhaftung vorgenommen, die der Journalist dokumentieren wollte. Er wurde durch die PolizistInnen – obwohl er die Amtshandlung in keiner Weise behinderte – gewaltsam immer weiter von der Verhaftung weggestoßen. Eine adäquate Dokumentation war nicht mehr möglich. Überdies wurde selbiger Journalist am gleichen Tag am Rande einer weiteren Verhaftung, die er dokumentieren wollte, mehrmals von einem Polizeihund angesprungen, ohne dass der Hundeführer versucht hätte den Hund zurückzuhalten. Dieses Vorgehen belegt ein Video.

Weiters stellen sich beispielweise BeamtInnen vor die Kamera eines Journalisten um das Filmen und Fotographieren zu erschweren oder gar zu verhindern. So geschehen am 19. April 2020 bei dem Protest in der Nähe des Polizeianhaltezentrums Rossauer Lände. Es existiert ein Video, das zeigt, wie ein Fotograph bei der Arbeit behindert wird, indem ein Polizist sich unentwegt direkt vor die Kamera des Fotographen platziert.

Es wird auch berichtet, dass häufige, oftmals mehrmals aufeinander folgende Identitätsfeststellungen bei Journalistinnen und Journalisten durch die Polizei vorgenommen werden. Wenn dies wiederholt oder auffallend umfangreich betrieben wird, wird die Presse in einem zeitlich unverhältnismäßigen Ausmaß an der adäquaten Dokumentation von Ereignissen gehindert. Ein solcher Fall wurde beispielweise am 9. September 2017 dokumentiert. Eine Maßnahmenbeschwerde, die in Folge beim Verwaltungsgericht Wien eingebracht wurde, ergab eine richterliche Bestätigung des Falls.

Die einzige Möglichkeit, wie Journalistinnen und Journalisten gegen diese Form der Einschränkungen oder Misshandlungen in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit vorgehen können ist, eine Maßnahmenbeschwerde gegen das Vorgehen der Polizei beim Verwaltungsgericht einzubringen. Diese hat aber, soweit uns bekannt ist, selbst im Falle einer richterlichen Bestätigung keinerlei Folgewirkung. In welcher Form aus diesen bestätigten Beschwerden von Seiten der Exekutive Konsequenzen gezogen werden, ist überdies unklar.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage

 

1.    Haben Sie Kenntnis von den Vorfällen vom 7. März 2020?

a.    Wenn ja, welche polizeiliche Stelle wurde mit der Nachverfolgung des Falls betraut?

b.    Welche Kompetenzen hat diese Stelle in Hinblick auf Konsequenzen von polizeilichem Fehlverhalten?

c.    Was hat die Abklärung in diesem konkreten Fall ergeben?

d.    Sind Verfahren in Gang gesetzt worden?

                                          i.    Bitte um Auflistung und Beschreibung.

e.    Welche Konsequenzen hatte das genannte Fehlverhalten des Polizisten für ihn in diesem konkreten Fall?

f.      Welche Konsequenzen hatte das genannte Fehlverhalten des Polizisten für die EinsatzleiterInnen in diesem konkreten Fall?

g.    Welche Konsequenzen hatte das genannte Fehlverhalten des Polizisten für die befehlsgebenden Offiziere in diesem konkreten Fall?

 

2.    Welche polizeiliche Stelle wurde mit der Nachverfolgung des Ergebnisses der Maßnahmenbeschwerde zum beschriebenen Fall vom 9. September 2017 betraut?

a.    Welche Kompetenzen hat diese Stelle in Hinblick auf Konsequenzen von richterlich bestätigten Maßnahmenbeschwerden?

b.    Sind interne Verfahren in Gang gesetzt worden?

                                          i.    Bitte um Auflistung und Beschreibung.

c.    Welche Konsequenzen hatte das Ergebnis des Verfahrens für den Polizisten in diesem konkreten Fall?

d.    Welche Konsequenzen hatte das Ergebnis des Verfahrens für die EinsatzleiterInnen in diesem konkreten Fall?

e.    Welche Konsequenzen hatte das Ergebnis des Verfahrens für die befehlsgebenden Offiziere / Offizierinnen in diesem konkreten Fall?

 

3.    Laut Regierungsprogramm soll eine unabhängige Behörde geschaffen werden, die im Fall von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten und Polizistinnen ermitteln soll. Diese soll außerhalb des Innenministeriums angesiedelt werden.

a.    Wie ist der aktuelle Stand hinsichtlich einer Einsetzung dieser Behörde?

b.    Wo soll diese Behörde angesiedelt werden?

c.    Wie soll diese Behörde ausgestattet werden?

d.    Wie viele Planstellen sind vorgesehen?

e.    Mit welchem fachlichen Hintergrund sollen dieser Planstellen besetzt werden?

f.      Welche Rechte sollen dieser Behörde eingeräumt werden?

g.    Wird dieser Behörde Weisungsfreiheit eingeräumt?

 

4.    Werden PolizistInnen und Polizisten im Rahmen ihrer Ausbildung auf den korrekten Umgang mit Journalistinnen und Journalisten sensibilisiert?

a.    Wenn ja, wie werden sie in ihrer Ausbildung zum Thema Pressefreiheit unterrichtet?

                                          i.    Bitte konkrete Informationen zu Form und Inhalt.

b.    Wenn ein Fehlverhalten eines Beamten oder einer Beamtin dokumentiert wurde, beispielsweise durch ein Video, das die Öffentlichkeit erreicht, gibt es dann eine Nachschulung zum Thema?

                                          i.    Wenn ja, wie sieht so eine Nachschulung konkret aus?

                                        ii.    Wenn ja, wird auch die Einsatzleitung nachgeschult?

                                       iii.    Wenn ja, werden auch die befehlsgebenden Offiziere / Offizierinnen nachgeschult?

                                       iv.    Wenn nein, warum nicht?

 

5.    Kommt der rechtlich korrekte Umgang mit Journalistinnen und Journalisten in Einsatzvorschriften oder Dienstanweisungen vor?

a.    Wenn ja, bitte um konkrete Beispiele, wie genau dieses Thema hier jeweils kommuniziert wird.

b.    Wenn nein, warum nicht.

c.    Werden Einsatzvorschriften oder Dienstanweisungen dementsprechend nach verlorenen Maßnahmenbeschwerden angepasst?

 

6.    Das Video, das die Behinderung des Journalisten am 19. April 2020 zeigt, wurde auch der LPD Wien zur Kenntnis gebracht. Diese versprach via Twitter am 21. April 2020 „das Video zur Abklärung an die zuständige Stelle weiterzuleiten“.

a.    Welche polizeiliche Stelle ist hierfür zuständig?

b.    Welche Kompetenzen hat diese Stelle in Hinblick auf Konsequenzen von polizeilichem Fehlverhalten?

c.    Was hat die Abklärung in diesem konkreten Fall ergeben?

d.    Sind Verfahren in Gang gesetzt worden?

                                          i.    Bitte um Auflistung und Beschreibung.

e.    Welche Konsequenzen hatte das genannte Fehlverhalten des Polizisten für ihn in diesem konkreten Fall?

 

 

7.    Bei der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt am 21. April 2020 wurde versichert, dass die Pressefreiheit „weiterhin mit allen erdenklichen Kräften“ geschützt werden solle.

a.    Welche konkreten Pläne des Bundesministeriums für Inneres liegen vor, um dem Fehlverhalten der jener Kritik zugrunde liegt, die im Rahmen des Umgangs der Polizei mit einer Sicherstellung der ungestörten Arbeit von Journalistinnen und Journalisten vermehrt laut wird, entgegenzuwirken?

b.    Bitte um Auflistung eines Handlungskatalogs inklusive eines zeitlichen Umsetzungsplans.