2149/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.05.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze in zwei exemplarischen Fällen

Der Zugang zu einer objektiv und unabhängig von Position und Ansehen der Prozessparteien agierenden Justiz stellt einen Grundpfeiler des Rechtsstaates dar, welcher elementare, sowohl national als auch auf europäischer Ebene festgeschriebene Menschenrechte tangiert.

Es ist davon auszugehen, dass die österreichische Justiz ganz überwiegend dem Recht und Gesetz entsprechend ihre Arbeit verrichtet und sich bemüht, dass es zu keinen willkürlichen Entscheidungen kommt. In Einzelfällen kommt es vor, dass Betroffene sich in einem Verfahren nicht fair behandelt fühlen und zumindest subjektiv bei Entscheidungen vermuten, dass den­selben Elemente von Willkür innewohnen.

Im vorliegenden Fall wurde dem Bundesministerium für Justiz am 16. Augst 2019 (erneut am 9. März 2020) ein Schreiben des Dr. G. zugestellt und blieb bis dato unbeachtet. Darin wird um einen Termin angesucht, zu dem mehrere Vorfälle detailliert geschildert und Beweismittel übergeben werden sollten.

Der Erstunterzeichner dieser Anfrage hatte Gelegenheit, Einblick in den aus mehreren zuei­nander in Verbindung stehenden Straf- und Zivilverfahren bestehenden Sachverhalt und des­sen Historie zu erhalten. Anhand zweier exemplarisch herausgegriffener Strafverfahren sollen vom BMJ im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage geprüft werden, ob allfällige Miss­stände vorgelegen sind.

Verfahren 1:

Im Strafverfahren 8 St 104/12y war die Geschäftsführung eines Start-Up Inkubators des Lan­des OÖ u. a. wegen Betrugs angezeigt worden. Es ging darum, ob Leistungen tatsächlich erbracht wurden oder nicht.

Das LG Linz bestätigte die Sichtweise der StA Linz und wies den Fortführungsantrag ab (25 BL 13/13k).

Verfahren 2:

Im Strafverfahren 21 St 58/15h wird ein Gerichts-Sachverständiger der vorsätzlichen Erstat­tung einer wahrheitswidrigen Begutachtung verdächtigt. Diese wirkte sich für Dr. G. in Zivilver­fahren 29 Cg 90/12z stark negativ aus und zwang ihn letztendlich zur Annahme eines für ihn ungünstigen Vergleichs. Ein nachfolgendes Strafverfahren wurde von der StA Linz eingestellt.

In Folge suchte Dr. G. beim Deutschen Sachverständigenverband BVS in Berlin um neutrale Prüfung der Gutachten an. Nach einer ersten Prüfung durch die Verbandsleitung verwies man Dr. G. an ein namhaftes Gerichts-Sachverständigeninstitut in München.

Dr. G. erstattete erneut Strafanzeige; diesmal bei der WKStA. Es wurden zusätzliche Beweis­mittel vorgelegt, darunter die gutachterliche Stellungnahme aus München.

Das Verfahren 21 St 58/15h wurde erneut eingestellt. Gleiches geschah mit dem abgetrennten Verfahren 10 St 125/19m.

Die ergangene Dienstaufsichtsbeschwerde JV 771/19b-17a an die übergeordnete OStA Linz wurde zurückgewiesen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Justiz folgende

Anfrage

Zu Verfahren 1:

1.    Hat es in diesem Verfahren unterschiedliche Auffassungen betreffend Beweismittelfäl­schung durch den Hauptverdächtigen durch die Sicherheitsbehörden einerseits und die Staatsanwaltschaft Linz andererseits gegeben?

2.    Welche Rolle spielte im gegebenen Zusammenhang „Tätige Reue“ im Sinne des § 167 StGB?

Zu Verfahren 2:

3.    Wie beurteilen Sie im Verfahren 21 St 58/15h die Vorgangsweise der StA Linz, insbeson­dere im Hinblick auf die Pflicht zur Wahrheitsforschung? Wurden die vorliegenden Beweis­mittel im erforderlichen Ausmaß ausgeschöpft?

4.    Erfordert die Prüfung verschiedener Tatvorwürfe aus der Sachverhaltsdarstellung 21 St 58/15h spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet der Betriebswirtschaften?

a.   Wenn ja: Hat die StA Linz nach Ihrer Auffassung im Zusammenhang mit der Frage einer Hinzuziehung eines unabhängigen Sachverständigen die richtigen Entschei­dungen getroffen?

5.    Hat im gegenständlichen Verfahren die angebliche Befangenheit einer Staatsanwältin eine Rolle gespielt und wenn ja: wie beurteilen Sie die diesbezügliche(n) Entscheidung(en)?

6.    Wie beurteilen Sie in den gegenständlichen Verfahren das Wirken der gesetzlich vorgese­henen Kontrollmechanismen?

7.    Aus welchem Grund wurde bei beiden Strafverfahren die beantragte Fortführung abgewie­sen?

8.    Wie hat die Oberstaatsanwaltschaft Linz nach Kenntnis der Dienstaufsichtsbeschwerde JV 771/19b-17a darauf reagiert? Wie beurteilen Sie diese Reaktion?

Zu Verfahren 1 und 2:

9.    Entspricht es den Tatsachen, dass nach zweimaliger Übermittlung eines Schreibens in diesem Zusammenhang des Dr. G. an das Bundesministerium für Justiz (zugestellt am 16. August 2019 und erneut am 9. März 2020) zu keiner Reaktion oder Antwort durch das BMJ geführt hat?

10. Sehen Sie im gegebenen Zusammenhang das Erfordernis des Tätigwerdens des Bundes­ministeriums für Justiz?