2194/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.05.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sabine Schatz, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend das Waffen-SS-Denkmal in Stillfüssing

 

Der Artikel 9 des Staatsvertrages 1955 verpflichtet die Republik, „aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen“[1]. Längst ist bekannt, dass die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich nur schleppend voran gegenganen war und so ist es nicht verwunderlich, dass auch noch heute Spuren des Nationalsozialismus erhalten sind, etwa durch Denkmäler und Straßennamen. Eine solche Spur ist das Waffen-SS-Denkmal in der oberösterreichischen Ortschaft Stillfüssing (Gemeinde Waizenkirchen) – unweit der beiden Gedenkstätten in Hartheim und Mauthausen entfernt. Während sich in den vergangenen Wochen die Befreiung vom Faschismus und die Wiedereinführung der Demokratie jährte, ehrt ein Denkmal in Stillfüssing noch immer einer Hauptstütze des braunen Terrors: der Waffen-SS.

 

Diese wurde in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen – wie die anderen SS-Gliederungen – als „verbrecherische Organisation“[2] verurteilt. Zum einen hatte die Waffen-SS in den von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten zahlreiche Massaker an der wehrlosen Zivilbevölkerung verübt. Zum anderen hatte sie aufgrund eines Himmler-Befehles vom 22. April 1940 alle KZ-Wachmannschaften („Totenkopfverbände“) gestellt[3]. Damit war die millionenfache Ermordung von Juden/Jüdinnen, Roma und Sinti, Menschen mit Behinderungen, Homosexuellen sowie politischen und religiösen RegimegegnerInnen zu einem großen Teil ihr Werk.

 

Bezeichnenderweise hat das Denkmal von Stillfüssing jahrzehntelang als Pilgerstätte für die militant rechtsextreme „Kameradschaft IV“[4] gedient, den Traditionsverband ehemaliger Waffen-SS-Angehöriger. Auf den Schleifen niedergelegter Kränze war „Eure Ehre hieß Treue“[5] zu lesen, der geringfügig abgewandelte SS-Leitspruch. Wenn auch die meisten Mitglieder der „Kameradschaft IV“ inzwischen verstorben sind, ihr Gedankengut lebt. Das beweisen unter anderem die vielen rechtsextremen Straftaten[6], etwa die häufigen Schändungen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen[7].

 

Vom Bürgermeister der Gemeinde Waizenkirchen, Fabian Grüneis (ÖVP), heißt es dazu: „Das Denkmal in Stillfüssing ist eine Gedenkstätte für die gefallenen Soldaten. Zahlreiche Menschen sind im Zweiten Weltkrieg gestorben. Ich denke es ist in Ordnung, dass man sich an sie erinnert. Dass diese Leute SS-Soldaten waren ändert nichts an ihrem Tod, dem man auch gedenken darf. Wir wollen keineswegs Nazi-Deutschland huldigen, oder gar die Geschichte verzerren“[8]. Ein Statement, das deutlich macht, dass es hier selbst an einer basalen Beschäftigung mit Erinnerungskultur und Gedenkpolitik mangelt. Denn auch wenn für die Republik Österreich eine staatsvertragliche und bundesgesetzliche Verpflichtung zur dauernden Erhaltung von Kriegsgräberanlagen und Einzelgräbern des I. und II. Weltkrieges besteht, kommt es auf die Art und Weise an, wie solche Gräber kontexualisiert werden – ein notwendiger Erhalt von Denkmälern entsteht aus dieser Verpflichtung jedoch nicht. Durch den Umgang mit dem konkreten Waffen-SS-Denkmal wird die Geschichte verfälscht. Der Versuch des Waizenkirchner Bürgermeisters und des örtlichen Kameradschaftsbundes, das Denkmal als unpolitisches Totengedenken für 13 dort bestattete Waffen-SS-Männer zu rechtfertigen, widerspricht zudem den Tatsachen, wie geschichtswissenschaftlicher Forschung entnommen werden kann.[9] Hier werde der Versuch übernommen, aus Tätern Opfer zu machen, kommentiert Robert Eiter, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus und Vorstandsmitglied des Mauthausen Komitees Österreich, die Causa[10].

 

75 Jahre nach der Befreiung vom NS-Regime und 65 Jahre nach dem Abschluss des Staatsvertrages ist es höchste Zeit, die Geschichtsverfälschung richtigzustellen und die Spur des Nazismus zu entfernen.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten richten in diesem Zusammenhang nachstehende Anfrage:

 

1.      Ist das Denkmal für die Waffen-SS in Stillfüssing in Ihrem Ressort bekannt?

a.       Wenn ja, seit wann?

2.      Was werden Sie als für das Gedenkwesen zuständiger Bundesminister unternehmen, um in Erfüllung von Artikel 9 des Staatsvertrages 1955 das in Stillfüssing stattfindende Gedenken an die verbrecherische Organisation Waffen-SS zu beenden? (Bitte um detaillierte Ausführungen und Angabe eines Zeithorizonts)

3.      Ist in Ihrem Ressort bekannt, ob es seit dem Jahr 2000 bei dem Waffen-SS-Denkmal Veranstaltungen oder Kundgebungen gegeben hat?

a.       Wenn ja, wann? (Bitte um Aufschlüsselung nach Datum und TeilnehmerInnenzahl)

b.      Wenn ja, wie viele dieser Veranstaltungen oder Kundgebungen hatten rechtsextremen Hintergrund?

4.      Gab es seitens Ihres Ressorts polizeiliche Einsätze auf Grund von Gedenkveranstaltungen oder Gegenveranstaltungen zu selbigen seit dem Jahr 2000? (Bitte um Auflistung nach Datum und Zahl der beteiligten BeamtInnen)

5.      Gab es seitens ihres Ressorts Untersagungen von Versammlungen in Stillfüssing seit dem Jahr 2000?

a.       Wenn ja, wann?

b.      Wenn ja, warum wurden diese Versammlungen seitens Ihres Ressorts untersagt?

6.      Sind in Ihrem Ressort weitere Denkmäler in Österreich bekannt, die die Waffen-SS verherrlichen?

a.       Wenn ja, wo?

b.      Wenn nein, wird es seitens Ihres Ressorts Unternehmungen gegen, diesen Fall zu m Anlass zu nehmen und eine solche Erhebung durchführen zu lassen?

7.      Sind in Ihrem Ressort Denkmäler in Österreich bekannt, die die SS oder andere Organisationen verherrlichen, die am Holocaust beteiligt waren?

a.       Wenn ja, wo?

b.      Wenn nein, wird es seitens Ihres Ressorts Unternehmungen gegen, diesen Fall zu m Anlass zu nehmen und eine solche Erhebung durchführen zu lassen?

 

 



[1] https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000265&FassungVom=2015-08-26&Artikel=9&Paragraf=&Anlage=&Uebergangsrecht=, abgerufen am 29. Mai 2020

[2] https://www.mdr.de/zeitreise/ns-zeit/waffen-ss-100_dosArtContext-staendige-vertretung-brd-ddr100_page-2_zc-f03ddd24.html, abgerufen am 29. Mai 2020

[3] vgl. zum weiteren Verlauf http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/gedenkstatten/801_Vortrag%20Prenninger%20Geschichte%20des%20KZ%20Mauthausen%20Jan.%202007.pdf, abgerufen am 29. Mai 2020

[4] https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/kameradschaft-iv-k-iv-die-kameradschaft, abgerufen am 29. Mai 2020

[5] https://othes.univie.ac.at/42863/, https://www.derstandard.at/story/2671225/lauter-protest-am-stillen-ss-gedenken, http://www.stopptdierechten.at/2013/11/10/linz-wieder-ss-spruch-am-friedhof, 5.2.2016 , jeweils abgerufen am 29. Mai 2020

[6] https://www.derstandard.at/story/2000115471324/rechtsextreme-straftaten-2019-neuerlich-gestiegen, abgerufen am 29. Mai 2020

[7] https://ooe.orf.at/stories/3047171/, abgerufen am 29. Mai 2020

[8] https://www.tips.at/nachrichten/waizenkirchen/land-leute/507516-demokratiepolitischer-skandal-diskussion-um-soldatengrab-in-stillfuessing, abgerufen 29. Mai 2020

[9] https://othes.univie.ac.at/42863/, abgerufen am 29. Mai 2020

[10] vgl. auch https://www.tips.at/nachrichten/waizenkirchen/land-leute/507516-demokratiepolitischer-skandal-diskussion-um-soldatengrab-in-stillfuessing, abgerufen am 29. Mai 2020