2274/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.06.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Schluss mit dem diskriminierenden Erlass gegen intergeschlechtliche Menschen

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt die „geschlechtliche Identität und Selbstbestimmung" und „insbesondere Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung". Bezugnehmend auf diese zentrale internationale Verpflichtung hat der österreichische Verfassungsgerichtshof am 15. Juni 2018 in seinem Erkenntnis (G77/2017) entschieden, dass Menschen ein Recht auf adäquate Bezeichnung im Personenstandsregister haben. Dabei wurde insbesondere festgehalten, dass die eigenständige geschlechtliche Identität von intergeschlechtlichen Personen anzuerkennen ist. Sie sind vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung zu schützen. Anstelle einer Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses wurden intergeschlechtliche Personen von der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung jedoch weiter diskriminiert. Aufgrund eines Erlasses des damaligen Innenministers Kickl vom 20.12.2018 darf der dritte Geschlechtseintrag nur erfolgen, wenn medizinische VdG-Boards (VdG = Variante der Geschlechtsentwicklung) das bestätigten. Dieser Schritt wurde entgegen aller Forderungen nach einem barrierefreien Zugang zum dritten Geschlechtseintrag gesetzt und wirkt gegen intergeschlechtliche Personen erneut pathologisierend, phänomenisierend und retraumatisierend. Doch auch heute, zwei Jahre später, verteidigt Innenminister Nehammer weiter den diskriminierenden Kickl-Erlass gegen intergeschlechtliche Menschen und schreibt diesen unhaltbaren Zustand weiter fort. Den Betroffenen und dem österreichischen Rechtsstaat ist dieses Vorgehen nicht weiter zumutbar.

In einem Offenen Brief vom 09.06.2020 an Innenminister Nehammer fordert die Organisation „Verein Intergeschlechtllicher Menschen Österreich" (VIMÖ), unterstützt von 64 anderen Organisationen, diesen auf, diesen Erlass aufzuheben und endlich einen rechtssicheren, dem VfGH Erkenntnis entsprechenden Rechtszugang zum Geschlechtseintrag ,inter/divers' zu ermöglichen. Bisher gab es noch keine Reaktion des Innenministers zum Offenen Brief.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres folgende

Anfrage

1.       Werden Sie den sogenannte „Kickl-Erlass“ zurück nehmen?

a.       Wenn ja, wann ist damit zu rechnen?

b.       Wenn nein, warum nicht?

2.       Werden Sie auf den Offenen Brief von VIMÖ reagieren)

a.    Wenn ja, wie fällt Ihre Reaktion aus)

b.    Wenn nein, warum nicht?

3.       Wird der Eintrag „inter" neben den bisher möglichen Einträgen „männlich", „weiblich", „offen", „divers" möglich sein?

a.    Wenn ja, ab wann wird dies ermöglicht?

b.    Wenn nein, warum nicht?

4.       Wird die Regelung bezüglich eines medizinischen ExpertInnenboards (VdG-Board) gestrichen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.       Werden bürokratische Hürden zur Änderung des persönlichen Geschlechtseintrags abgebaut?

a.    Wenn ja, in welcher Form?

b.    Wenn ja, wann?

c.     Wenn nein, warum nicht?

6.       Wird es möglich sein, den Geschlechtseintrag mehr als einmal wechseln zu können?

a.    Wenn ja, wann und in welcher Form wird dies ermöglich?

b.    Wenn nein, warum nicht?