2341/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.06.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Lausch, Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Ermittlungsverfahren gegen führende Beamte der Justizanstalt Wien/Simmering

 

 

Angeblich soll ein Ermittlungsverfahren gegen führende Beamte der JA Simmering wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs unter Bestechlichkeit anhängig sein. In diesem Verfahren wird auch gegen Rechtsanwälte/Strafverteidiger wegen des Verdachts der Anstiftung zum Amtsmissbrauch und der Bestechung ermittelt.

Gegenstand des Verfahrens ist, ob die sogenannte Annahme der Hälfte der Strafe bzw. des Drittels (umgangssprachlich Hälfte- bzw. Drittel-Annahme) im Sinne des § 145 StVG durch den Leiter der JA Simmering oder einer von ihm beauftragten Person willkürlich getroffen wird, insbesondere, ob diese käuflich erworben werden kann, wobei Preise zwischen EUR 5.000,00 und EUR 15.000,00 genannt wurden. Die Annahme, dass ein Häftling nach Verbüßung der Hälfte der Strafe bzw. nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe vom Vollzugsgericht bedingt entlassen werden wird, liegt alleine in der Ingerenz des Leiters der JA (Simmering) - § 145 StVG. Der Vorteil dieser Hälfte- bzw. Drittel-Annahme besteht für den Häftling darin, dass er früher Vergünstigungen der Haft in Anspruch nehmen kann, so z.B. die Unterbrechung der Freiheitsstrafe gemäß § 99 StVG, des Ausgangs im Sinne des § 99a StVG oder des "Strafvollzugs in gelockerter Form" im Sinne des § 126 StVG.

 

So kann z.B. ein zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilter unter der "Drittel-Annahme" (also, dass er nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe, nach vier Jahren, bedingt entlassen wird) bereits nach der Verbüßung von einem Jahr Unterbrechungen der Freiheitsstrafe oder Ausgänge beantragen und auch wahrnehmen kann. Diese Vergünstigung steht dann zu, wenn der Häftling voraussichtlich nur noch drei Jahre zu verbüßen hat. Ohne Drittel-Annahme bekommt hingegen der zu 6 Jahren Freiheitsstrafe verurteilte erst nach der Verbüßung von drei Jahren Freiheitsstrafe in den Genuss dieser Vergünstigungen.

 

Es ist also verständlich, dass Strafgefangene ein massives Interesse daran haben, dass der Anstaltsleiter annimmt, dass sie entweder nach der Hälfte oder nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe bedingt entlassen werden. Mit dieser Annahme geht auch einher, dass der Zeitpunkt des Entlassungsvollzugs im Sinne des § 145 StVG massiv nach vorne verlegt wird. Der Entlassungsvollzug im Sinne der §§ 144 ff StVG bringt unter anderem Ausgänge in der Dauer von drei Tagen und sonstige Vergünstigungen mit sich. Hervorzuheben ist, dass selbst dann die Lockerungen des Entlassungsvollzuges nicht widerrufen werden, wenn das Vollzugsgericht selbst die bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte oder zwei Drittel der Freiheitsstrafe ablehnt. Mit anderen Worten kann der im oben genannten Beispiel zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilte mit der Drittelannahme nach Verbüßung von drei Jahren Freiheitsstrafe drei Jahre lang den gelockerten Entlassungsvollzug "genießen".

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundes-ministerin für Justiz folgende

 

Anfrage

1.    Bei welchem Staatsanwaltschaften sind Verfahren gegen den Anstaltsleiter der JA Simmering oder sonstige Verantwortliche im Zusammenhang mit dem oben dargestellten Sachverhalt anhängig und seit wann?

2.    Gibt es derartige Verfahren auch betreffend anderer Justizanstalten?

3.    Welche Beamten werden als Verdächtige/Beschuldigte in den bekanntgegebenen Ermittlungsverfahren geführt und seit wann?

4.    Wurden die Verdächtigen/beschuldigten Beamten vorläufig vom Dienst suspendiert?

a.    Wenn nein, welche Maßnahmen/Überwachungsmaßnahmen wurden ergriffen (interne Revision?), um diesem Sachverhalt auch in dienstrechtlicher Sicht nachzugehen?

5.    Wurden Verdächtige/Beschuldigte seit Einleitung des Ermittlungsverfahrens befördert?

6.    Wer ist derzeit zuständiger Leiter in der JA Wien-Simmering, zumal Brigadier Huber nie anzutreffen ist?

7.    Wurden alle in den Aussagen der Zeugen angebotenen weiteren Zeugen bereits vernommen?

a.     Wenn nein, warum nicht?

8.    Ist es richtig, dass in der JA Simmering die sogenannte "Drittel-Annahme" ohne vorherige Befassung der IKK gewährt wird?

9.    Ist es richtig, dass in den letzten zwei Jahren Insassen, die trotz mehrmaliger Flucht (Nicht-Rückkehr nach einem Ausgang) dennoch weiterhin der gelockerte Vollzug unter Gewährung von Ausgängen gewährt wurde?

a.    Wenn ja, warum?