2396/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.06.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend „Steigerung des Problembewusstseins für das Thema weibliche Genitalverstümmelung“

Genitalverstümmelung ist ein grausamer Eingriff in die körperliche Integrität von Mädchen, je nach kultureller Tradition, von kleinen Mädchen ab einem Alter von 3 Monaten bis zu 16 Jahren. Bei dieser weit verbreitete Praxis, die Geschlechtsorgane von Mädchen zu „beschneiden“, wird ohne jeder medizinische Notwendigkeit - je nach Ritus - die Klitoris-Vorhaut (Typ 1„ Sunna Beschneidung - dies ist mit ca. 80 Prozent die häufigste Form) bis zu einer radikalen Entfernung der Klitoris so wie der inneren Schamlippen (Typ 2) unternommen. Typ 3 bedeutet das radikale Wegschneiden der gesamten äußeren Geschlechtsteile (“pharaonische Beschneidung“). Dies betrifft rund 5Prozent der Mädchen, vor allem aus Somalia, Eritrea, Nord-Sudan und dem südlichen Ägypten. Je nach Ritus werden die verstümmelten Reste der äußeren Schamlippen bis auf eine kleine Öffnung zugenäht. Weltweit sind laut UNICEF und WHO rund 200 Millionen beschnittene Mädchen und Frauen betroffen. Diese enorm gesundheitsschädigende, menschen- und kinderrechtsverachtende Praxis von FGM (Female Genitale Mutilation) hat in rund 30 Ländern in Afrika Tradition, wie auch im Jemen, dem Irak, in Indonesien und Malaysia sowie in Ländern des Nahen Ostens und Asiens. Viele Frauen kämpfen daher ihr Leben lang mit den schweren körperlichen und psychischen Folgen. Zu diesen zählen gefährliche Blutungen, chronische Entzündungen, Verwachsungen, Abszesse, Blasenentzündungen bis zu Lähmungen, Tetanus, chronischen Nierenbeckenentzündungen, Fisteln, Zysten, menstruelle Beschwerden, Infertilität und Geburtskomplikationen, uva.

Psychische Folgen sind unter anderem Depressionen, Panikattacken und schwere Traumatisierung. Die Vereinten Nationen haben 2012 die Mitgliedsstaaten aufgerufen, entsprechende Gesetze zur Abschaffung von FGM_C (Female Genital Mutilation/Cutting) zu erlassen. In der Generalversammlung wurde die Resolution 67/146 verabschiedet, in der es heißt:

„Intensifying global efforts and sharing good practices to effectively eliminate female genital mutilation ” (No. 13)

Weiters wurden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Methoden und Standards für die Erhebung von Daten über die von FGM betroffenen Frauen und die durch FGM gefährdeten Mädchen festzulegen (Vereinte Nationen 2012). Eine Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat vom 25.11.2013 beinhaltet zudem Empfehlungen zur Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung in den EU-Ländern.

 

Da diese Praxis im Sinne der Generationenweitergabe dieser zerstörerischen Tradition- auch bei in Österreich geborenen Mädchen angewandt wurde, wurde ein spezieller FGM Passus im Strafgesetzbuch (StGB) 2001 erlassen:

          § 84 Abs. 1 StGB (Tatbestand einer schweren Körperverletzung)

          § 85 StGB (Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen)

          § 90 Abs. 3 StGB:

in eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, kann nicht eingewilligt werden.

          Seit 1. Jänner 2012 (BGBl. I 2011/130) sind im Ausland durchgeführte Genitalverstümmelungen gemäß § 64 Abs. 1 Z 4a StGB ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatorts zu bestrafen

Die Stadt Wien war- auf der Basis des Wiener Programms für Frauengesundheit - bereits seit 2001 Vorreiterin von Aufklärung der Community sowie einem Bündel von Präventionsmaßnahmen. So wurden die geburtshilflichen Teams aller Abteilungen des KAVs, Hebammen im Rahmen besonderer Fortbildungen, aber auch alle städtischen Kindergärten, Sozialeinrichtungen, Mitarbeiterinnen der MA 11, etc. regelmäßig geschult, FGM Gipfelgespräche mit allen relevanten Stakeholdern, sowie Info- Aufklärungsbroschüren in sechs Sprachen produziert.

Auch wurden internationale Konferenzen zu FGM veranstaltet, um Erfahrungsaustausch mit Großbritannien und Frankreich sowie Italien zu ermöglichen und das Gesundheitspersonal und alle helfenden Berufe, die mit den Frauen aus diesen betroffenen Herkunftsländern in Kontakt sind, zu sensibilisieren und zu schulen.

Auch die Website „Stop FGM“ (http://www.stopfgm.net/) wurde 2003 aufgebaut.

Seit 2007 ist mit der speziellen Einrichtung „Gesundheitsberatung für Frauen mit Migrationserfahrung und für Frauen aus von FGM betroffenen Ländern,, , die in das Frauengesundheitszentrum FEM Süd im Kaiser-Franz-Josefspital (SMZ Süd) integriert ist, eine spezifische, auch muttersprachliche Beratungs- und Anlaufstelle, mit großem Erfolg und Akzeptanz seitens der Community, geschaffen worden. Das FEM Süd gilt daher als DAS österreichisches Kompetenzzentrum zum Thema FGM. Diese Erfahrungswerte werden mit finanzieller Zuwendung des Integrationsfond und des Bundekanzleramts österreichweit weitergegeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage:

1.) Welches konkrete Zahlenmaterial bezüglich betroffener Frauen und Mädchen in Österreich liegen vor?

2)  Welche Überlegungen haben Sie, die Datenlage bereffend der Opfer von FGM zu verbessern?

3)  An welchen Projekten zur Bekämpfung von FGM ist ihr Ministerium derzeit beteiligt?

4)  Welche fundierten Einschätzungen oder Erhebung zu FGM gibt es und welcher quantitative Trend lässt sich daraus ableiten?

5)  Wie viele Frauen, die von FGM betroffen sind, werden im Zuge von Schwangerschaft und Geburt betreut?

6)  Wie viele operative Eingriffe (Defibulation und Rekonstruktion) finden statt?