2407/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.06.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit‚ Familie und Jugend

betreffend Fragwürdige Aussagen der Arbeiterkammer zu osteuropäischen Arbeitskräften


Am 4.6.2020 gab der AK-Chefökonom ein Interview mit der Tageszeitung "Die Presse", wobei osteuropäische Arbeitskräfte für die niedrige "Altersbeschäftigung" (Erwerbsquote zwischen 55-65 bzw. 60-65) verantwortlich gemacht wurden. Und das in Zeiten, in denen die Bundesregierung händeringend versucht, Erntehilfskräfte bzw. 24h-Betreuungskräfte aus Osteuropa anzuwerben, um die arbeitskräfteintensiven Bereiche der Landwirtschaft zu stützen bzw. einen Pflegekollaps zu verhindern. Davon abgesehen, zeigen keine Pensionsstudien von nationalen Wirtschaftsforschungsinstituten, der EU-Kommission oder der OECD, dass die niedrige Erwerbsquote von 55-65 in Österreich auf ausländische Arbeitskräfte zurückzuführen ist. Kritisiert werden hingegen regelmäßig die fehlenden Reformen im Pensionssystem (z.B. Abschaffung der Frühpensionsanreize), um das tatsächliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen.

Interview in der Tageszeitung "Die Presse":

"Die Presse: Wieso hat Österreich eigentlich, im Gegensatz zu anderen Ländern, solche Probleme mit der Altersbeschäftigung?

AK-Chefökonom: Ein Grund war die enorme Ausweitung des Arbeitskräfteangebots aus Osteuropa. Wir haben vom zusätzlichen Angebot aus Osteuropa natürlich auch sehr profitiert, aber die Älteren hat das stark getroffen: Es waren immer ausreichend billige junge Osteuropäer da."

Kaum aktive Arbeitsmarktpolitik für höhere Erwerbsquote von 55 bis 65

Ein wesentlicher Grund für die niedrige Erwerbsquote zwischen 55-65 liegt in der aktiven Frühpensionierungspolitik Österreichs, die etwa 1970 begonnen hat (siehe Grafik zum Pensionsantrittsalter). Seitdem ist die aktive Arbeitsmarktpolitik in den Hintergrund gerückt. Stattdessen werden laufend neue Frühpensionsanreize gesetzt, wie zuletzt bei der Beschlussfassung der "abschlagsfreien Frühpension" am 19.9.2019. Die Arbeiterkammern unterstützen diese Frühpensionspolitik, was zuletzt sogar dazu führte, dass NEOS für die Kritik an der "abschlagsfreien Frühpension" von einer Arbeiterkammer mit Inseraten kritisiert wurde (siehe Anfrage 268/J XXVII. GP).

Auch ausländische Arbeitskräfte zahlen AK-Beiträge und dürfen von der AK nicht als Mitglieder zweiter Klasse behandelt werden 

Anhand der Zahlen der Statistik Austria sieht man, dass knapp 16% der Beschäftigten keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, in Wien sogar 30%. Da auch sie die AK-Zwangsmitgliedschaft über sich ergehen lassen müssen, ist es nicht einzusehen, weshalb sie sich ausgerechnet von den Arbeiterkammern vorwerfen lassen müssen, für das niedrige österreichische Pensionsantrittsalter verantwortlich zu sein. Zudem ist nur schwer vorstellbar, dass die österreichische Volkswirtschaft eine Abwanderung dieser Arbeitskräfte verkraften könnte, da viele ausländische Arbeitskräfte Jobs annehmen, für die keine inländischen Arbeitskräfte gefunden werden.

 

_scroll_external/attachments/image2020-6-7_10-4-22-509fa49af8cd6c77ee0a167fb407f5f5ef94ca4735af0e2e5f6eed8c17c19cf1.png

 

 

_scroll_external/attachments/image2020-6-7_10-22-33-7848cc59333dea32623d04098ffde6c26845ab60a9f6631fe56713a197f1c726.png

 

Quellen:

(1) https://www.diepresse.com/5821935/ak-chefvolkswirt-marterbauer-die-starken-sollen-die-krise-zahlen

(2) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_00268/index.shtml

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Auf Basis welcher Evidenz behauptet man seitens der Arbeiterkammer, dass ausländische Arbeitskräfte für die niedrige Erwerbsquote von 55 bis 65 in Österreich verantwortlich sind?

2.    Welche Schritte setzen Sie als Aufsicht, damit die Arbeiterkammer Wortmeldungen, die ausländische Arbeitskräfte in ein schlechtes Licht rücken, unterlässt?

3.    Welche Ursachen sieht das Arbeitsministerium für die niedrige Erwerbsquote von 55 bis 65 in Österreich?

a.    Welche Schritte setzen Sie, um im Sinne eines sparsamen Budgetvollzugs auf eine Erhöhung der Erwerbsquote von 55 bis 65 hinzuwirken?

4.    Wie viele unselbständig Beschäftigte gab es 2019 in Österreich, die gem. Arbeiterkammergesetz einer Pflichtmitgliedschaft bei einer Arbeiterkammer hatten? (Darstellung je Bundesland bzw. Arbeiterkammer)

a.    Wie viele davon hatten keine österreichische Staatsbürgerschaft?

5.    Wie hoch war das AK-Umlageaufkommen der Arbeiterkammern 2019? (Darstellung je Arbeiterkammer)

a.    Wie viel davon kam von AK-Pflichtmitgliedern ohne österreichische Staatsbürgerschaft?