2440/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.06.2020
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend langsames Vorgehen der österreichischen Justiz bei der Befragung von Zeugen in Bezug zu Prozessen über Menschenrechtsverletzungen im Nahen Osten

 

Zurzeit beschäftigten sich zwei Prozesse in Deutschland mit den schwersten internationalen Verbrechen, die im Nahen Osten verübt worden sein sollen.

 

Zum einen begann am 24. April 2020 Am Oberlandesgericht Frankfurt der Prozess gegen den Anhänger des Islamischen Staates (in Folge: IS) Taha al-J., dem vorgeworfen wird, ein fünfjähriges Mädchen jesidischer Herkunft als Sklavin gehalten und dann verdursten lassen zu haben, indem er sie bei 48 Grad in der Sonne an ein Fenster kettete. Taha al-J. ist 2019 in Griechenland festgenommen worden.

Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass Taha al-J. das Mädchen sowie deren Mutter gekauft hat, um in Einklang mit den Zielen des IS die religiöse Minderheit der Jesiden zu vernichten. 

 

Der zweite Prozess1, der am 23. April 2020 vor dem Oberlandesgericht Koblenz begann, betrifft den weltweit ersten Strafprozess zur systematischen Folter durch Angehörige des syrischen Machtapparates.  Der Generalbundesanwalt legt dem Hauptverdächtigen Anwar R. unter anderem 58-fachen Mord und Folter zur Last. Der zweite Angeklagte, Eyad A., muss sich wegen Beihilfe verantworten. Anwar R., ehemals Funktionär des Allgemeinen Geheimdienstdirektorats der Regierung unter Baschar al-Assad, war nach Überzeugung der Anklage der militärische Vorgesetzte des berüchtigten Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus. Unter seiner Befehlsgewalt sollen zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4.000 Häftlinge während ihrer Inhaftierung mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Mindestens 58 Menschen sollen durch die Misshandlungen ums Leben gekommen sein.

 

Antrieb gebend für die Verfolgung der Verdächtigen in Deutschland sind die Juristen des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (in Folge: ECCHR). Auch in Österreich, Frankreich, Schweden und Norwegen gibt es Vorhaben hochrangige Funktionäre des Geheimdienstapparats von Baschar al-Assad vor Gericht zu bringen, denn sie seien verantwortlich für Folter, sexuelle Gewalt, Hinrichtungen und das Verschwinden zehntausender Menschen. Patrick Kroker2, Jurist des ECCHR berichtete allerdings, dass von den sechzehn Zeugen, die in Österreich ausgeforscht worden waren,  bisher erst einer von der Staatsanwaltschaft Wien vernommen wurde. Er konstatiert: „Wir hatten uns von der österreichischen Justiz mehr erwartet.“

 

1https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/syrien-folter-prozess-koblenz-100.html

2https://kurier.at/politik/ausland/syrien-rechenschaft-fuer-assads-opfer-koennte-in-deutschland-beginnen/400821611

 

 

In diesem Sinne stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.     Wie viele etwaige Zeugen hat die österreichische Staatsanwaltschaft bisher ausfindig gemacht?

 

2.     Wie viele dieser (Zeugen) wurden bisher vernommen?

 

3.     Ist Ihrer Meinung nach zu wenig Engagement der österreichischen Justiz in Vorbereitung eines Prozesses gegeben?

a.    Wenn nein, aus welchem Grund nicht?

b.    Wenn nein, aus welchem Grund trifft Patrick Kroker (ECCHR) eine solche Aussage?  

 

4.     Werden Sie diesbezüglich an die betreffende Staatsanwaltschaft Weisungen erteilen?

 

5.     Wann ist mit dem Beginn eines Prozesses über Menschenrechtsverletzungen im Zuge des al-Assad Regimes beziehungsweise über die Aufarbeitung der Verbrechen des IS an den Jesiden, in Österreich zu rechnen?

 

6.     Besteht in dieser Causa eine Zusammenarbeit mit den Juristinnen und Juristen des ECCHR?