2458/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.06.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher,

Genossinnen und Genossen

an den Bundeskanzler Sebastian Kurz

betreffend „Als Spender rein, als Berater raus - Das Verhältnis Wirecard-Braun-Kurz sofort aufklären!"

Der „Skandal um DAX-Konzern Wirecard, (ist) eine Schande für Deutschland“ (Der Spiegel, 19.6.2020). Die Milliardenschlappe einschließlich des Kurzsturzes der Aktie schickt Schockwellen aus, die auch Österreich erreichen. Mit zahlreichen, auch großen österreichischen Gläubigern ist der wirtschaftliche Schaden enorm. Deutschland fragt sich aber auch, mit welchen Referenzen der Österreicher Markus Braun, der das Unternehmen in den Abgrund lenkte, die Türen zum großen Geld aufbekam. Bei der Aufarbeitung dieses Netzwerks der Macht stößt man unweigerlich auf den Namen Sebastian Kurz. Um den Image-Schaden für die Republik gering zu halten bedarf es schonungsloser Offenheit und Transparenz.

Das ist keine Privatangelegenheit von Herrn Kurz sondern ist eine Frage der Staatsraison und eine klare Verantwortung, der sich der Bundeskanzler der Republik Österreich zu stellen hat.

Bis jetzt sind 1,9 Milliarden Euro aus der Deutschen Firma Wirecard verschwunden. Anlegerlnnen bangen um ihr Geld, der Wirecard-Aktienwertverlust per 2. Juni 2020 beträgt zirka elf Milliarden Euro. Zu den Gläubigern zählen auch Teile des Raiffeisen-Konzerns (geschätzes Ausmaß laut Bloomberg: 105 Mio. Euro, und damit unter den größten Gläubigern). Letztere haben die vermeintlichen Segnungen der Firma Wirecard auch als Kunden genossen („Der Online-Payment Anbieter Wirecard hat eine Zusammenarbeit mit der österreichischen Raiffeisen Bank International vereinbart, um digitale Zahlungsdienste in Osteuropa zu vertreiben.“ Quelle IT Times, 19.2.2010).

Der (am Freitag 19.6.2020 zurückgetretene) Vorstandsvorsitzende Markus Braun ist Wiener und kolportierter Berater von- und Spender für Sebastian Kurz.

„Der 51-Jährige Wiener hat Wirecard groß gemacht. Er kam von der Unternehmensberatung KPMG, trat 2002 in das Unternehmen, das zunächst Geschäfte in der Porno- und Glückspielbranche machte, ein und brachte es 2005 an die Börse. Zwischen 2006 und 2019 stiegen die Umsätze von knapp 82 Millionen auf zwei Milliarden Euro. Braun ist auch Mitglied des Think Tanks von Sebastian Kurz „Think Austria“, der von Antonella Mei-Pochtler geleitet wird.“ (Der Standard, 19.6.2020)

 

Schon vor dem offenkundig werden der Bilanzlücke gab es Vorwürfe in anderen Bereichen. In den Fokus von US-Ermittlern kam Wirecard im Bereich der Zahlungsabwicklungen im Glückspielbereich. Ein Bereich, der zuletzt auch in Österreich Thema war. „Anlegerschützer der Wiener Anlegerschutzorganisation European Funds Recovery Initiative kurz EFRI werfen wirecard vor, Zahlungen für illegale Geschäfte abgewickelt zu haben. Es geht um ,Finanztransfers in Zusammenhang mit mutmaßlich betrügerischen Online-Trading- Webseiten sowie für illegale Online-Gambling-Webseiten in beträchtlichem Ausmaß'. Den Schaden ihrer Mandanten beziffert EFRI auf mehr als 28 Millionen Euro, wie das Handlesblatt berichtet.“ (Quelle: BR24 vom 4.3.2020)

 

Schwerer als der wirtschaftliche Schaden für Österreich wiegt womöglich der Image-Schaden durch die Nähe Brauns zu Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dass er seine Art der Geschäftsführung unter dem Nimbus eines „österreichischen Regierungsberaters" praktiziert haben könnte, wiegt schwer. Einen derartigen Status als Türöffner zu missbrauchen würde schließlich negativ auf die Republik Österreich und deren Verantwortungsträger zurückfallen, Grund zur diesbezüglichen Sorge gab es, in aller Öffentlichkeit der deutscher Medien, schon länger.

„Politik und Macht scheinen ihn mehr zu interessieren. Österreichs Politstar Sebastian Kurz lässt sich von Braun beraten, der spendete an Kurz' Partei ÖVP. Er macht seinen Einfluss im Hintergrund geltend.“

(Der Spiegel 6.12.2019, Tim Bartz und Martin Hesse)

Die besondere Pikanterie liegt hier in dem Zusammenfallen mit der Spendentätigkeit von Braun an die Kurz-ÖVP. Diese wurde nicht offen praktiziert, sondern durch Stückelung der Spenden in Kleinspenden vor den Augen des Rechnungshofes und der Veröffentlichungspflicht vorbei.

„Allerdings: Ortner ist nicht der Einzige, der Spenden an die ÖVP in mehrere Beträge gestückelt hat. In der am Freitag von der Partei veröffentlichten Spendenliste scheinen nämlich drei weitere, bisher nicht beim Rechnungshof veröffentlichte Großspenden über 50.000 Euro auf: Es handelt sich um Zuwendungen von Dorotheum-Geschäftsführer Martin Böhm und Markus Braun, Vorstand des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard. Beide Namen finden sich zwar unter den bereits bekannten Spendern, die auf der Homepage der ÖVP veröffentlicht wurden. Allerdings scheinen sie dort nur mit 40.000 Euro auf. Tatsächlich hat Böhm im Verlauf des Wahljahres aber 100.000 Euro gespendet, Braun 70.000 Euro. Auch hier hat die Stückelung in mehreren Teilbeträgen eine sofortige Veröffentlichung beim Rechnungshof also verhindert:" (Die Presse, 21.6.2019)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1)    Traf es, wie vom Spiegel am 6.12.2019 kolportiert, zu, dass sie sich von Braun beraten ließen?

2)     Falls ja, welcher Natur und welchen Umfangs war diese Beratung?

3)     Ist es, so wie im Fall Braun, derart geldwert und im Geschäftsleben nützlich, Ihr Berater zu sein, dass Berater auch zu ÖVP-Spendern werden?

4)     Welche weiteren Personen treten oder traten in der Doppelfunktion Kurz-Spender und Kurz-Berater auf?

5)     Gibt es allfällige moralische, lebenslaufbezogene oder referenzmäßige Voraussetzungen um als Ihr Berater bestellt zu werden bzw. unwidersprochen als solcher auftreten zu können?

6)     Inwieweit teilen Sie die Einschätzung, dass es für Österreichs Ruf in der Welt schädlich ist, dass man das österreichische Bundeskanzleramt als Spender betreten und als Berater verlassen kann, mit der Folge, dass dies als Türöffner in der Wirtschaft gebraucht bzw. missbraucht werden kann und womöglich gewisse Malversationen erst möglich macht oder zumindestens erleichtert?

7)     Wie können Sie sich erklären, dass der Verantwortliche eines Deutschen DAX­Unternehmens mit zeitweise mehr Kapitalisierung als der Deutschen Bank, Kontakt zu Ihnen pflegte, aber niemals im Umfeld der Deutschen Kanzlerin Merkel Präsenz erlangen konnte?

8)     Gab es tatsächlich ein gemeinsames Zusammentreffen zwischen Ihnen, Novomatic- Eigentümer Johann Graf und Markus Braun? Falls ja, wann und wo?

9)     Wann wurde Ihnen bekannt, dass die Deutsche Finanzaufsicht und Staatsanwaltschaft bei Wirecard wegen des Verdachts der Marktmanipulation tätig wurden und im Zuge einer Razzia mehr als 1,9 Milliarden Euro plötzlich unauffindbar waren und die vom Treuhänder vorgebrachten Belege möglicherweise gefälscht waren?

10)              Wie beurteilen Sie rückblickend die Spendentätigkeit von Braun an die ÖVP?

11)              Inwieweit haben Sie Braun persönlich ermuntert, an die ÖVP zu spenden?

12)              Inwieweit haben Sie Braun ermuntert, die Spenden an die ÖVP durch Stückelung in der Weise zu verschleiern, dass die Meldepflicht an den Rechnungshof umgangen wurde?

13)              Inwieweit ist in Anbetracht der bekannt gewordenen Vorwürfe ihrer Einschätzung nach die Integrität von Hrn. Nehammer beschädigt, der heute als Innenminister für Kriminalitätsbekämpfung zuständig ist und damals als Generalsekretär der ÖVP Spenden von Braun, noch dazu in verschleiernd-gestückelter Form, entgegen genommen hat?

14)              Inwieweit hatte es System, dass so wie Braun auch Industrielle wie Stefan Pierer und Heidi Horten in verschleiernd-gestückelter Form an die ÖVP gespendet haben?

15)              Kamen ihrer Kenntnis nach die Empfehlungen für diese grenzlegale Vorgehensweise aus dem jeweiligen Milieu der Spender oder von Seiten der ÖVP?