2557/J XXVII. GP

Eingelangt am 26.06.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Intransparenz bei Corona-Spitalsstatistik 

 

Nur minimale Transparenz bei Corona-Spitalsdaten seitens des Ministeriums

Im ORF Report am 9.6. sah sich Gesundheitsminister Anschober mit der Frage nach transparenten Zahlen zur Auslastung der Intensivbetten, zu genesenen Intensivpatienten und zu verstorbenen Intensivpatienten konfrontiert. Bei der Beantwortung der Fragen behauptete der Minister, dass es solche Zahlen gäbe. Publiziert sind sie jedoch nicht. Auch bei Ö1 „Wissen aktuell“ kritisiert Elke Ziegler die mangelnde Transparenz von relevanten Gesundheitsdaten in Österreich. Repräsentative, absolute Zahlen über die Auslastung von Intensivbetten gebe es nicht, lediglich Zahlen, die an einem Stichtag die belegten Betten erheben. Aus diesen lässt sich allerdings nicht ableiten, wie viele Personen davon bereits am Vortag im Spital waren, wie viele Zu- und Abgänge zu Intensivstationen es gegeben hat. Auch drei Monate nach Beginn der Pandemie liegen hierzu keine Zahlen vor. Details zu Zahlen, wie viele Personen eine intensivmedizinische Betreuung erhalten haben, hat das Gesundheitsministerium nicht. Das Ministerium müsse hierfür die monatlichen Abrechnungen der Spitäler abwarten. In diesen Abrechnungen könnte man erkennen, wie viel Personen mit Hauptdiagnose Covid-19 intensivmedizinisch betreut wurden. Informationen zu den Vorerkrankungen schwer erkrankter Patienten gib es nicht. Diese Informationen liegen bei den Spitälern und wurden bisher nicht zentral ausgewertet. Ähnliche Kritik kam vom ORF-Datenjournalisten Jakob Weichenberger in einem Report im Mai und auf www.orf.at (https://science.orf.at/stories/3200602/).

Private Corona-Dashboards deutlich informativer als das des BMSGPK

Dass private/freiwillige Corona-Dashboards die Daten des BMSGPK deutlich besser aufarbeiten und darstellen, spricht leider nicht für den Gesundheitsminister. Transparenz scheint leider keine hohe Priorität zu haben. Nachfolgend einige Beispiele von sehr guten privaten/freiwilligen Corona-Dashboards.

https://covid19.danielbreuss.com/

https://coronavirus.datenfakten.at/

https://covid19.geem.at/

Anschober-Interview mit dem Report mit Susanne Schnabl am 09.06.2020:

S. Schnabl (ORF):  "Dann lassen Sie uns über diese Parameter sprechen. Der Hauptgrund schlechthin für den Lockdown war ja, wir dürfen unsere Intensivstationen nicht überlasten. Jetzt haben Sie bei der Aufarbeitung der Krise Transparenz versprochen. Wissen Sie, Stand heute, oder können wir jetzt alle hier endlich erfahren, wie viele Menschen mussten wegen Covid-19 auf Intensivstationen in Österreich betreut werden?"

R. Anschober Rudolf (Die Grünen): "Diese Zahlen haben wir selbstverständlich."

S. Schnabl (ORF):  "Wie viele sind es oder waren es?"

R. Anschober Rudolf (Die Grünen): "Ich habe jetzt die Gesamtzahl nicht im Kopf. Aber wir hatten eine relativ geringe Auslastungszahl. Wir haben die Parameter, die wir hatten, nämlich bis zu 50 Prozent der Intensivstationen als eiserne Reserve zu haben für Covid-Patienten, die haben wir nicht erreicht, weitaus nicht erreicht. Das war das erklärte Ziel. Wir machen bei dieser Evaluierung jetzt genau die Bestandsaufnahme von der Sie sprechen. Zu eruieren, welche Nebenwirkungen hat es gegeben, aus welchen Gründen sind welche Erkrankungen entstanden, was waren die Vorerkrankungen, damit wir für eine mögliche Verschärfung der Situation in den nächsten Wochen besser gerüstet sind. Das ist ja das Ziel einer Evaluierung, dass ich Fehler, dass ich Probleme, dass ich auch krisenhafte Situationen besser einschätzen kann und aus denen lerne."

S. Schnabl (ORF): "Aber mit Verlaub, Herr Minister, drei Monate danach wissen weder Ärzte aus Intensivstationen und auch deren Leiter noch wir die Öffentlichkeit nicht, wie viele mit Covid-19 sind auf Intensivstationen gestorben und wie viele sind genesen. Das ist doch eigenartig, drei Monate danach."

R. Anschober Rudolf (Die Grünen): "Wir haben die Todeszahlen ja ganz klar am Tisch, die werden ja tagtäglich auch veröffentlicht, also das stimmt nicht."

S. Schnabl (ORF): "Aber nicht, welche von der Intensivstation wieder als genesen in die Normale Station gekommen sind."

R. Anschober Rudolf (Die Grünen): "Auch diese Zahlen veröffentlichen wir tagtäglich. Da gibt es ja den Parameter der aktiv Erkrankten und die entwickeln sich eben aus Abgängen aus der Intensivstation. Das ist alles sehr transparent, sehr klar."

S. Schnabl (ORF): "Gut, sagt aber gerade Herr Czypionka eben diese Zahlen hat er nicht. Kommen wir noch zu einem Kritikpunkt, Herr Minister, nämlich wir sind wirklich sehr gut durch die Krise international gekommen, aber zu welchem Preis, fragen sich Kritiker, schon während des Lockdowns, nämlich auf Patienten mit anderen Erkrankungen wurde quasi vergessen. Wir haben den Herrn Eichinger gesehen. Wurden da Fehler gemacht?"

R. Anschober Rudolf (Die Grünen): "Es wurde keinesfalls auf Patienten vergessen, sondern es hat eine sehr klar Anweisung gegeben. Nämlich die Anweisung hat gelautet, nur jene Operationen zum Beispiel durchzuführen, die akut erforderlich sind. Und natürlich ist das dann die konkrete Einschätzung und Entscheidung vor Ort in einem Spital. Das wurde weitestgehend hervorragend gemacht, aber ja, ich habe etwa auch im Kontakt mit den Patientenanwaltschaften, die im Übrigen eine großartige Arbeit auch in dieser Frage machen, gemerkt, dass es in konkreten Fällen auch Fehler gegeben hat. Diese Fehler werden wir untersuchen und diese Fehler gehören korrigiert, auch für eine mögliche nächste zweite Welle."

S. Schnabl (ORF): "Wer trägt dafür die Verantwortung?"

R. Anschober (Die Grünen): "Diese Verantwortung, wenn Akut-Operationen, die erforderlich gewesen wären, nicht stattfinden, die hat selbstverständlich der Entscheidungsträger vor Ort im Krankenhaus."

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wie viele tägliche KH-Aufnahmen von Corona-bedingten KH-Aufenthalten hat es seit dem 1. März gegeben? (Darstellung je Tag)

2.    Wie viele tägliche KH-Entlassungen von Corona-bedingten KH-Aufenthalten hat es seit dem 1. März gegeben (von genesenen Patienten)?  (Darstellung je Tag)

a.    Wie viele dieser Patienten waren vor ihrer Entlassung einmal auf der Intensivstation in Behandlung?

3.    Wie viele tägliche Corona-bedingte Sterbefälle hat es in den Krankenhäusern seit dem 1. März gegeben?  (Darstellung je Tag)

a.    Wie viele davon verstarben in Normalstationen?

b.    Wie viele davon verstarben in Intensivstationen?

c.    Wie viele davon hatten Vorerkrankungen gem. Corona-Risikopatienten-Definition des BMSGPK?

4.    Wie war der tägliche Stand an Corona-bedingten KH-Aufenthalten in Normalstationen seit dem 1. März?  (Darstellung je Tag)

a.    Wie viele davon lagen am Vortag in Intensivstationen?

b.    Wie viele davon wurden neu aufgenommen?

5.    Wie war der tägliche Stand an Corona-bedingten KH-Aufenthalten in Intensivstationen seit dem 1. März?  (Darstellung je Tag)

a.    Wie viele davon lagen am Vortag in Normalstationen?

b.    Wie viele davon wurden neu aufgenommen?

6.    Wie viele Wiederaufnahmen hat es bei Corona-bedingten Aufenthalten bis zu einer Woche später gegeben?  (Darstellung je Tag)

a.    Wie viele davon sind im Zuge der Wiederaufnahme Corona-bedingt verstorben?

7.    Wie viele Wiederaufnahmen hat es bei Corona-bedingten Aufenthalten bis zu zwei Woche später gegeben? (Darstellung je Tag)

a.    Wie viele davon sind im Zuge der Wiederaufnahme Corona-bedingt verstorben?

8.    Wo erfolgt die von Ihnen gegenüber Frau Schnabl behauptete tägliche Veröffentlichung der Anzahl der Patienten, die von der Intensivstation auf die Normalstation gewechselt sind?

9.    Wieso zeigt das Corona-Dashboard des BMSGPK keine Zeitreihen bezüglich der Absolutzahl an Corona-Normal-Aufenthalten und Corona-Intensiv-Aufenthalten?

10. Wieso zeigt das Corona-Dashboard des BMSGPK keine umfassenden Zeitreihenvergleiche zu den entsprechenden Bundesländer-Kennzahlen?

11. Worauf führen Sie zurück, dass freiwillige/private Corona-Dashboards wesentlich bessere Vergleiche zulassen als das Dashboard des BMSGPK? (z.B.: https://covid19.danielbreuss.com/)

a.    Welche finanziellen Aufwände sind bisher für das Corona-Dashboard des Ministeriums angefallen?

b.    Welche Verbesserungen planen Sie beim Corona-Dashboard des Ministeriums?

12. Effizienterer Verwaltungsvollzug durch Transparenz. Aufwand für die Anfragebeantwortung: 

a.    Wie viele Personen insgesamt waren bei der Anfragebeantwortung involviert?

b.    Wie viele Arbeitsstunden fielen insgesamt für die Anfragebeantwortung an? (Angabe in Halbstunden, z.B. 1,5h)

c.    In welchem Ausmaß könnte eine strukturierte, laufende Datenoffenlegung (Transparenz) diesen Aufwand reduzieren? (Angabe in % und/oder Stunden)