2619/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.07.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Fragwürdiger Vergleich mit Finanzamt

 

Wie der ORF berichtete, war im September 2019 ein Chirurg in Salzburg vom Vorwurf der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung in Höhe von 942.000 Euro freigesprochen worden. Laut Anklage soll er Einkünfte aus Honoraren einer Privatklinik nicht versteuert haben. Das Finanzamt erlangte von diesem Sachverhalt Kenntnis und forderte daraufhin den Betrag von rund einer Million Euro vom Mediziner zurück.

Der 61-Jährige arbeitete von 2009 bis 2014 in der Salzburger Privatklinik und war auch Betreiber und Gesellschafter einer Spezialklinik in Tirol. Sein Einkommen aus der Salzburger Privatklinik hätte er selbst versteuern müssen, lastete ihm die Staatsanwaltschaft Salzburg an.

Weiters wurde berichtet, mit dem zuständigen Finanzamt sei ein Vergleich geschlossen worden:

"Mit dem zuständigen Finanzamt sei ein Vergleich geschlossen worden, damit sein Mandant in Ruhe als Arzt weiterarbeiten könne, erklärte der Verteidiger. Die Gesamtquote betrage 40 Prozent, der Chirurg habe in Raten rund 376.000 Euro zurückzuzahlen.“

https://salzburg.orf.at/stories/3014682/

 

Gemäß § 236 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme (Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO BGBl. II Nr. 435/2005 idgF BGBl. II Nr. 236/2019).

Einbußen an vermögenswerten Interessen sind allgemein mit der Abgabenleistung verbunden (vgl. etwa VwGH vom 28. April 2009, 2006/13/0189) und begründen für sich keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung. Daher ist die Zahlungspflicht von Steuern grundsätzlich nicht unbillig. Es wird weiters davon ausgegangen, dass im Falle einer Pfändung der Schuldner mit dem verbleibenden Existenzminimum seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten kann (UFS 1.3.2004, RV/0554-I/02; UFS 17.6.2008, RV/0082-L/08; UFS 24.8.2010, RV/0745-L/09).

Können Zahlungserleichterungen (Ratenzahlung) Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es keiner Abgabennachsicht (VwGH 14.1.1991, 90/15/0060 mwN; in diesem Sinne auch VwGH 26.6.2007, 2006/13/0103).

Laut den Abgeordneten zugespielten Informationen verfügt der Abgabenschuldner nach wie vor über ein Jahreseinkommens von rund 600.000,- Euro, weshalb erhebliche Zweifel an der Rechtskonformität der Abgabennachsicht bestehen.

 

Der Fall erinnert stark an einen Fall im Jahr 2011, bei dem ein Salzburger Finanzamt eine großzügige Steuernachsicht genehmigte.

https://www.diepresse.com/686936/finanzamt-erliess-650000-euro-steuerschulden#:~:text=Das%20Finanzamt%20Salzburg%2DLand%20hat,der%20Abschlagszahlung%20nicht%20mehr%20weiterverfolgt.

https://www.derstandard.at/story/1313024711748/salzburg-finanzamt-erliess-baumeister-650000-euro-steuerschulden

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wann wurde die Abgabennachsicht im oben zitierten Fall von welchen Stellen genehmigt?

2.    Wie hoch war die Abgabenschuld vor der Nachsicht?

3.    Welcher Betrag wurde nachgesehen?

4.    Welche Ratenzahlungsvereinbarung wurde getroffen?

5.    Auf welcher Rechtsgrundlage wurde die Abgabenschuld nachgesehen?

6.    Mit welcher genauen rechtlichen Begründung aufgrund welcher konkreten Tatsachen wurde die Abgabenschuld nachgesehen?

7.    Inwiefern entspricht die Abgabennachsicht dem Grundsatz, wonach Einbußen an vermögenswerten Interessen für sich keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen?

8.    Trifft es zu, dass der Abgabenschuldner zum Zeitpunkt der Abgabennachsicht noch über ein Jahreseinkommen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro verfügte?

9.    Wie viele Anträge gemäßt § 236 BAO in den Jahren 2015-2019 gestellt?

10. Wie viele dieser Anträge wurden in den Jahren 2015-2019 jeweils genehmigt?

11. Wie viele dieser Anträge wurden in den Jahren 2015-2019 jeweils nicht genehmigt?

12. Welcher Betrag wurde in den einzelnen Jahren 2015-2019 jeweils in Summe gemäß § 236 BAO nachgesehen?