2660/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.07.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend 2:1 Modell bei Postenbesetzungen

 

Der ehemalige Infrastrukturminister Norbert Hofer hat am 2.7.2020 im Untersuchungsausschuss betreffend der mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) im Detail berichtet, wie unter der türkis- blauen Bundesregierung Posten vergeben wurden. 

Laut von Hofer unter Wahrheitspflicht getätigter Aussage hätten Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache während der Regierungsverhandlungen mündlich vereinbart, Aufsichtsratsposten in staatsnahen Betrieben nach dem Schlüssel 2:1 (Faktor 2 für jene Partei, die das zuständige Ministerium besetzt, Faktor 1 für den Koalitionspartner) zu besetzen. 

Die Anfragesteller konnten im Untersuchungsausschuss nachweisen, dass der in der Regierung Kurz I betriebene Postenschacher ein bisher kaum gekanntes Ausmaß erreichte - dies, trotz der medial verlautbaren Ankündigung eines "neues Stils".

Im Regierungsprogramm ist dieses 2:1 Modell nicht verankert. Letztlich gibt es auch keinerlei Rechtsgrundlage dafür, zumal die einzelnen Bundesminister_innen oberste Organe der Vollziehung sind (Art 19 Abs 1 B-VG), ein Weisungsrecht des Bundeskanzlers gegenüber den Mitgliedern der Bundesregierung also nicht besteht. 

Ein weiterer aufklärungsbedürftiger Aspekt in Zusammenhang mit Postenbesetzungen in der Regierung Kurz I ist aus Sicht der Anfragesteller, dass Sie, Herr Bundeskanzler, eine Einbindung bei politischen Abreden im Kontext mit Postenschacher stets von sich wiesen, zuletzt aber davon abweichend dazu übergegangen sind, Postenschacher als etwas Selbstverständliches darzustellen.

So wurde etwa in der Anfragebeantwortung 1161/AB vom 27. April 2020 zu 1074/J (XXVII. GP) noch jede Einbindung Ihrerseits in die Bestellung des OeNB Direktoriums verneint.

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Nur knapp 2 Monate später, wenige Tage vor Ihrer Befragung unter Wahrheitspflicht als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss, erfolgte in der Fragestunde in der 38. Sitzung dieser GP am 18. Juni nachfolgende Aussage Ihrerseits zum selbigen Thema:

"Natürlich werden in einer Bundesregierung zahlreiche Personalentscheidungen getroffen, das beginnt beim Verfassungsgerichtshof, geht weiter bei Aufsichtsräten in Bereichen, in denen die Bundesregierung die Eigentümerin, nämlich die Republik Österreich, vertritt, bis hin zu vielen anderen Funktionen im öffentlichen Dienst und anderen Entscheidungen, die in einer Bundesregierung zu treffen sind."

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Auf welcher gesetzlichen Grundlage basiert dieses vom 3. Präsidenten Hofer geschilderte Abkommen der 2:1 Postenvergabe betreffend der Besetzung von Aufsichtsrät_innen in der XXVI. GP?

2.    Wann fand das Gespräch zwischen Ihnen und dem ehemaligen Vizekanzler Strache, wo dieses Modell vereinbart wurde, statt? 

a.    Gibt es auch schriftliche Dokumente, die diese Vereinbarung festhalten? Wenn ja, bitte um Beilage. Wenn nein, warum nicht?

3.    Aus welchen Gründen hatten Sie sich mit dem ehemaligen Vizekanzler Strache darauf geeinigt, Aufsichtsrät_innen nach diesem Modell zu besetzen? 

4.    War es Ihre Initiative, den Schlüssel 2:1 anzuwenden?

5.    Wie lief die Besetzung der Aufsichtsrät_innen anschließend ab? 

a.    Wann wurden die zuständigen Minister_innen informiert? 

b.    Wer schlug wann Personen für die zu besetzenden Posten vor? 

c.    Wie wurde sichergestellt, dass die vorgeschlagenen Personen für den jeweiligen Posten ausreichend fachlich qualifiziert sind? 

d.    Wer überprüfte die fachliche Qualifikation dieser Personen? 

e.    Wie wurde die Ministerverantwortung gewahrt?

6.    Haben Sie sich persönlich dafür eingesetzt, dass bestimmte Personen bestimmte Aufsichtsratsposten bekommen?

a.    Wenn ja, wann und für wen? Bitte um Auflistung der Personen. 

b.    Wenn nein, warum nicht? 

7.    Wie werden in der aktuellen GP Posten der Aufsichtsrät_innen durch die Bundesregierung bzw. die einzelnen Bundesminister besetzt?

a.    Wann wurden die zuständigen Minister_innen informiert? 

b.    Wer schlägt wann Personen für die zu besetzenden Posten vor? 

c.    Wie wird sichergestellt, dass die vorgeschlagenen Personen für den jeweiligen Posten ausreichend fachlich qualifiziert sind? 

d.    Wer überprüft die fachliche Qualifikation dieser Personen? 

e.    Wie wird die Ministerverantwortung gewahrt?

8.    Gibt es in der aktuellen GP ein ähnliches System wie jenes der 2:1 Besetzung in der vorigen GP?

a.    Wenn ja, wann wurde eine solche Abmachung zwischen welchen Personen vereinbart?  

b.    Wurde eine solche Abmachung zwischen Ihnen und Vizekanzler Kogler getroffen? 

c.    Wenn ja, warum hat man sich darauf geeinigt, Aufsichtsrät_innen nach diesem Modell zu besetzen?

d.    Wenn nein, wie werden die Posten der Aufsichträt_innen in der aktuellen GP besetzt?

9.    Warum gibt es bei den Besetzungen der Aufsichtsratsposten bislang keine öffentlichen Ausschreibungen und kein öffentliches Hearing? 

a.    Gedenken Sie, solche öffentliche Ausschreibungen einzuführen?

                                  i.    Wenn ja, wann?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Gedenken Sie, solche öffentliche Hearings einzuführen? 

                                  i.    Wenn ja, wann?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

10. Zum in der Begründung dargelegten Widerspruch in Ihren Aussagen zu Postenbesetzungen zwischen den Ausführungen in der Anfragebeantwortung 1161/AB, XXVII.GP und jenen in der Fragestunde am 18. Juni 2020: Warum behaupteten Sie im Rahmen Ihrer Ausführungen in der Anfragebeantwortung 1161/AB, dass es keine politischen Gespräche rund um die Besetzung des Direktoriums der OeNB gegeben habe?

11. Warum führten Sie dann in der Fragestunde vom 18. Juni aus, dass es doch Gespräche gegeben habe?

12. Welche Version ist die richtige?

13. Steht diese "Änderung des Kommunikationsverhaltens" Ihrerseits in einem Zusammenhang mit Ihrer Ladung als Auskunftsperson in den Untersuchungsausschuss am 24. Juni 2020?