2732/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.07.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Cornelia Ecker, Genossinnen und Genossen

 

an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend

betreffend Missstände im Bereich der Erntearbeit

 

Die Coronavirus-Krise zeigte einmal mehr auf, wie wichtig einerseits ErntearbeiterInnen für die landwirtschaftlichen Betriebe sind und wie schlecht andererseits oftmals ihre Arbeitsbedingungen sind.

Immer wieder treten bei landwirtschaftlichen Betrieben, die ErntearbeiterInnen beschäftigen, arbeitsrechtlich schwer bedenkliche Umstände bzw. illegale ausbeuterische Praktiken ans Tageslicht, so auch in den vergangenen Wochen:

Mit einem Interview in der „Zeit im Bild“ am 16. Juni 2020 hat eine rumänische Erntearbeiterin Missstände ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Sie und ihre KollegInnen, die seit Ende April als ErntearbeiterInnen in einem Spargelbetrieb in Mannsdorf/Niederösterreich gearbeitet hatten, hätten für vier Euro Stundenlohn bis zu 14 Stunden am Tag, an sechs bis sieben Tagen in der Woche, schuften müssen und seien teils zu acht in einem schimmligen, desolaten Zimmer untergebracht gewesen. Wenige Tage später wurde das betreffende Quartier behördlich gesperrt.

Das Tiroler Unternehmen „Immoservice24“ bietet seit Jahren seine Dienste als Arbeitskräfteüberlasser für Hotellerie und Gastronomie an. Seit Jahren gibt es gegen dieses Unternehmen bereits Beschwerden, vor allem die Entlohnung der ArbeitnehmerInnen betreffend. Als nun wegen der Corona-Krise der Tiroler Tourismus zum Stillstand kam, sattelte dieser Betrieb kurzerhand um und bietet seine Dienste nun im Bereich der Erntehilfe an. Der medialen Berichterstattung im April 2020 zufolge wurde in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer Tirol ein Umgehungskonstrukt aufgebaut, um gesetzliche und kollektivvertragliche Bestimmungen auszuhebeln. Der ÖGB hat diesbezüglich eine Sachverhaltsdarstellung wegen Verdachts auf Lohn- und Sozialdumping eingebracht.

Am 15. April 2020 wurde durch einen ORF-Bericht öffentlich bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen oberösterreichischen Gemüseverarbeiter wegen des Verdachts der Freiheitsentziehung ermittelt. So soll der Landwirt aus dem Bezirk Linz-Land seine ErntearbeiterInnen aus Angst, sie könnten sich mit dem Coronavirus infizieren, über Nacht eingesperrt haben. Es sei nicht der einzige Vorwurf gegen diesen Betrieb. Auch betreffend Arbeitszeit-Verletzungen laufen Erhebungen: Beschwerden zufolge mussten ArbeiterInnen auf diesem Hof bis zu 72 Stunden pro Woche arbeiten.

Dies sind drei Einzelfälle, die exemplarisch für strukturelle Probleme in dieser Branche stehen: Unterentlohnung, unbezahlte Überstunden, keine und zu geringe Ausbezahlung der Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld etc.), Verstöße gegen Arbeitszeitregeln und unwürdige Quartiere sind weit verbreitet.

In den drei genannten und vielen anderen Fällen werden die Missstände erst durch mutige ErntearbeiterInnen bekannt, die diese trotz ihrer prekären Lage bei einer Behörde oder Medien melden.

Während Gewerkschaften, die sezonieri-Kampagne, weitere NGOs und AktivistInnen, die gesetzlichen Interessensvertretungen der in der Landwirtschaft Beschäftigten und selbstverständlich auch jene landwirtschaftliche Betriebe, die die gesetzlichen Bestimmungen einhalten oder gar übererfüllen sich für faire Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft einsetzen, scheint dies der Bundesregierung kein besonderes Anliegen zu sein. Dies ist auch an der mangelhaften personellen Ausstattung der Land- und Forstwirtschaftsinspektionen bemerkbar.

Im aktuellen Regierungsprogramm finden sich keine Vorschläge, um die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft zu verbessern, lediglich beim Vorhaben „bestehende Jahreskontingente für Saisonniers für die Landwirtschaft bedarfsgerecht anzupassen“ wird auf die „Einhaltung aller arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen“ verwiesen.

Trotz dieser an sich bescheidenen ToDo-Liste entfaltete das Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend in der Corona-Krise Aktivität im Bereich der Erntearbeit und richtete gemeinsam mit anderen Organisationen die Online-Plattform „dielebensmittelhelfer.at“ ein mit dem Ziel, Personen die von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind als ErntearbeiterInnen zu vermitteln. Bei der sezonieri-Kampagne haben sich bereits einige Personen gemeldet, die über die Plattform „dielebensmittelhelfer.at“ vermittelt wurden und von arbeitsrechtlichen Missständen auf den Betrieben berichteten.  

Es zeigt sich klar: Um die Arbeitsbedingungen im Bereich der Erntearbeit zu verbessern, bedarf es politischer Initiativen und Maßnahmen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

1.       Sind Ihnen die drei genannten Missstände bereits bekannt gewesen?

Wenn ja, welche Schritte wurden von Ihnen oder seitens Ihres Ministeriums gesetzt, um diese Missstände zu beenden?

2.       Sind Ihnen arbeitsrechtliche Missstände in landwirtschaftlichen Betrieben bekannt, an die über die Plattform „dielebensmittelhelfer.at“ ErntearbeiterInnen vermittelt wurden?

Wenn ja, welche Schritte wurden von Ihnen oder seitens Ihres Ministeriums gesetzt, um diese Missstände zu beenden?

3.       Wurde bei der Einrichtung der Plattform „dielebensmittelhelfer.at“ Vorsorge getroffen, um landwirtschaftliche Betriebe, die in der Vergangenheit gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen verstoßen haben oder es aktuell tun von der Vermittlung auszuschließen?

Wenn ja, welche?

4.       Lassen Sie sich von den Land- und Forstwirtschaftsinspektionen bzw. von den dafür zuständigen Mitgliedern der Landesregierungen regelmäßig über deren Tätigkeit im Bereich der Erntearbeit informieren?

Wenn nein, haben Sie vor sich zukünftig regelmäßig über die Tätigkeit der Land- und Forstwirtschaftsinspektionen im Bereich der Erntearbeit informieren zu lassen?

5.       Wie viele MitarbeiterInnen in den Land- und Forstwirtschaftsinspektionen sind aktuell für die Kontrollen der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zuständig?

Um Aufschlüsselung in Vollzeitäquivalenten nach Bundesländern wird gebeten.

 

6.       Wie viele Betriebe unterliegen den Kontrollen der Land- und Forstwirtschaftsinspektionen?

Um Aufschlüsselung nach Bundesländern wird gebeten.

7.       Wie viele Betriebe mit vielen ArbeitnehmerInnen wurden im 1. Halbjahr 2020 durch die Land- und Forstwirtschaftsinspektionen kontrolliert?

Um Aufschlüsselung nach Bundesländern wird gebeten.

 

8.       Wie viele und welche Verfehlungen wurden bei diesen Kontrollen vermerkt?

 

Um Aufschlüsselung nach einzelnen Fällen wird gebeten.

 

9.       Wie viele Strafen wurden aufgrund der Überprüfungen verhängt und wie viele wurden tatsächlich vollstreckt?

 

10.   Sind Sie mit der Kontrolldichte und Kontrolleffizienz im Bereich der Erntearbeit zufrieden oder sollte diese erhöht werden?

11.   Welche Maßnahmen haben Sie seit Ihrem Amtsantritt gesetzt, um die Arbeitsbedingungen für ErntearbeiterInnen zu verbessern?

12.   Welche Maßnahmen planen Sie in Zukunft, um die Arbeitsbedingungen für ErntearbeiterInnen zu verbessern?