2830/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.07.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Faika El-Nagashi, Georg Bürstmayr

Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Rassismus-Vorwürfe gegen Wiener Polizeibeamt*innen in der Wiener Seestadt am 5. Juli 2020

 

BEGRÜNDUNG 

 

Medienberichten der letzten Tage ist zu entnehmen: „Die Polizei wurde am Sonntag [5.Juni 2020] um 17.30 Uhr in die Seestadt gerufen, weil laut Zeugen ein 26-jähriger rumänischer Staatsbürger auf drei Jugendliche losgegangen war und sie verletzt hatte.“[1] Ein „schockierender Angriff […] Ein Verdächtiger soll grundlos auf drei Burschen eingeprügelt und einem Opfer die Nase gebrochen haben. Der Schläger flüchtete vor Eintreffen der Polizisten.“[2] „Die Attacke dürfte einem 16-jährigen Wiener gegolten haben. Dem Burschen, Sohn einer Wiener Mutter und eines aus Nigeria stammenden österreichischen Staatsbürgers, wurde dabei unter anderem die Nase gebrochen.“[3] Bei den beiden anderen Opfern handelt es sich ebenfalls um zwei junge Männer, vermutlich afghanischer oder syrischer Herkunft, welche dem Opfer zu Hilfe eilten. In einem Interview schilderte das Opfer, dass der Aggressor von drei weiteren Personen unterstützt wurde. „Schließlich hätten die Täter mit zwei Autos die Flucht ergriffen. ‚Denen flog dann ein Stein hinterher, wobei die Rückscheibe gebrochen ist. Daraufhin sind die Typen nochmals ausgestiegen und haben zwei von den jungen Leuten verletzt, die uns geholfen haben.‘ “[4]

 

Wie mehreren österreichischen Medien zu entnehmen ist, soll es im Zuge der nachfolgenden polizeilichen Amtshandlung zu rassistischen Äußerungen gekommen seien. Mehrmals sollen abwertende und verletzende Ausdrücke gebraucht worden sein. Des Weiteren soll die Polizei sich weniger für den Übergriff, welcher  Köperverletzungen zur Folge hatte, als mehr für die vermeintliche Straftat am Auto interessiert haben.[5]

 

Kürzlich wurden im Anti-Diskriminierungsausschuss des Europarats stärkere Maßnahmen gegen rassistische Polizeikontrollen gefordert. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) empfiehlt regelmäßige Trainings, sowie ein europaweites gesetzliches Verbot von rassistisch motivierten Polizeikontrollen. Des Weiteren soll ein unabhängiger Überwachungsmechanismus zu Rassismus in der Polizei etabliert werden.[6]

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen folgende 

 

 

ANFRAGE

 

1.    Ist Ihnen der geschilderte Vorfall bekannt?

a.    Seit wann ist Ihnen dieser bekannt?

 

2.    Um wieviel Uhr wurde die Polizei zum geschilderten Vorfall angefordert?

 

3.    Um wieviel Uhr ist die Polizei eingetroffen?

 

4.    Wie viele Polizeieinheiten wurden gesendet und aus welchen Diensteinheiten kamen diese?

 

5.    War den Polizeibeamt*innen der Einsatzgrund bekannt?

 

6.    Liegt Ihnen bzw. der LPD Wien das Funkprotokoll des geschilderten Einsatzes vor?

a.    Wurde ein Transkript erstellt?

                                          i.    Wenn ja, liegt es Ihnen vor?

                                        ii.    Wenn nein, werden Sie eines anfordern?

                                       iii.    Wie lange werden derartige Transkripte aufbewahrt?  

 

7.    Wegen welcher konkreten Vorwürfe wurden Anzeigen erhoben? Bei wie vielen Personen wurde eine Identitätsfeststellung durchgeführt?

 

8.    Bei dem Opfer handelte es sich um einen 16jährigen minderjährigen Jugendlichen. Wurden seine Erziehungsberechtigten sofort verständigt?

a.    Wurde auf das Eintreffen der Erziehungsberechtigten gewartet?

b.    Wenn nein, wieso wurden die Erziehungsberechtigten des Opfers nicht verständigt?

c.    Waren die Erziehungsberechtigten des Betroffenen bei seiner Befragung anwesend?

d.    Wurde das Opfer über seine Rechte in Kenntnis gesetzt?

 

9.    Wurde das Opfer über die Möglichkeit einer psychologischen Nachbetreuung informiert? Wurden ihm Adressen sowie Institutionen genannt, an welche er sich wenden könnte?

 

10. Wurde das Opfer von der LPD Wien nachträglich telefonisch kontaktiert (wie auf twitter von der LPD Wien am 8.7.2020 um 15:22 kommuniziert)?

a.    Falls es ein solches Telefonat gab, welchen Inhalt hatte das Gespräch?

b.    Wer führte das Gespräch?

c.    Wieso fand das Gespräch telefonisch und nicht persönlich, in Anwesenheit seiner Erziehungsberechtigter statt?

 

 

11. Die vermuteten Angreifer flohen, Zeitungsberichten zu Folge, in zwei Autos. Wurde nach dem Eintreffen der Polizeibeamt*innen sofort eine Fahndung eingeleitet?

a.    Wenn ja, konnten die Tatverdächtigen ausfindig gemacht werden?

b.    Wenn nein, warum wurde nicht sofort eine Fahndung eingeleitet?

c.    Ist die Identität der Tatverdächtigen mittlerweile bekannt?

 

12. Welche Verfahrensschritte wurden bis dato gesetzt?

 

13. Zeitungsberichten zufolge soll es gleich nach der Tat sowohl von Zeug*innen als auch von Polizeibeamt*innen zu rassistischen Äußerungen gekommen sein.

a.    Liegen Ihnen/ Ihrem Ministerium/ der LPD Wien hierzu sachdienliche Hinweise vor?

b.    Von wem wurden derartige rassistische Äußerungen getätigt?

c.    Wurden derartige Äußerungen von Polizist*innen getätigt?

 

14. Wurden Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen wegen rassistischer Äußerungen eingeleitet?

a.    Wenn ja, von welcher Stelle wird ermittelt?

b.    Wenn nein, welche Schritte werden Sie noch setzen, um dem nachzugehen.

                                          i.    Existiert ein festgeschriebenes Prozedere im Bundesministerium für Inneres oder der LPD Wien, um Vorwürfe in Bezug auf rassistische Äußerungen oder Handlungen von Polizeibeamt*innen zu untersuchen und wie lautet dieses?

 

15. Welche Trainings und Schulungen für Exekutivbeamt*innen im Umgang mit jugendlichen Opfern finden statt, um empathisch und situationsgerecht reagieren zu können?

 

16. Wohin können sich Personen aktuell wenden, die bei Polizeihandlungen rassistische Kommentare oder Aussagen erleben oder beobachten? Wo sind diese Kontaktinformationen zugänglich?

 

17. Welche Schulungen finden aktuell innerhalb der österreichischen Polizei im Umgang mit Rassismus und rassistischem Sprachgebrauch statt?

a.    Wann fanden die letzten Schulungen der am Vorfall beteiligten Polizeibeamt*innen statt?

b.    Finden verpflichtende Nachbesprechungen sensibler Einsätze mit den Vorgesetzten statt?

 

 

 

 



[1] Wiener Polizisten mit Rassismusvorwürfen konfrontiert; In:

Standard 7.7.2020: https://www.derstandard.at/story/2000118569748/wiener-polizisten-mit-rassismus-vorwuerfen-konfrontiert

[2] Rassismus-Vorwürfe gegen Wiener Polizei; In: Kronezeitung https://www.krone.at/2187136 (7.7.2020)

[3] Rassismus-Vorwürfe: Funkprotokolle ausgewertet; In: https://wien.orf.at/stories/3057046/ (8.Juli.2020)

[4] Elias erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei; Interview mit Michael Bonvalot 7.7.2020 https://www.bonvalot.net/elias-erhebt-schwere-vorwuerfe-gegen-die-polizei-942/

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. Europarat: Rassistische Polizeikontrollen europaweit verbieten: In Wiener Zeitung: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2066897-Europarat-Rassistische-Polizeikontrollen-europaweit-verbieten.html