2861/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.07.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

betreffend Finanzielle Kontrollmechanismen

 

Im Zuge der Einvernahmen im Ibiza-Untersuchungsausschuss wurden die Leistungen – oder das Fehlen derselben – des ISP (Institut für Sicherheitspolitik) thematisiert. Das BMLV unterhält langfristige Verträge mit fünf parteinahen Vereinen mit jährlichen Vertragssummen von bis zu 200.000 Euro. Die Gesamtvertragssumme mit den fünf Instituten im Jahr 2019 belief sich auf über 700.000 Euro. Am 22. Juni 2020 setzte Bundesministerin Tanner eine Kommission ein, um zu ergründen, welchen Mehrwert dieser Verträge dem BMLV erbringen, und sagte in der ZiB1 Folgendes: "Die Kommission soll die Inhalte all dieser Verträge überprüfen, und alles was an Wert für das Verteidigungsministerium da sein mag oder auch nicht … Das Allerwichtigste war, dass wir sofort reagiert haben, was das ISP anbelangt, als Untersuchungsausschussergebnisse ans Licht gekommen sind, die es dann unmöglich gemacht haben, diesen Vertrag auch weiterzuführen."

In der Amtszeit von Ministerin Tanner stellten NEOS vier Anfragen betreffend die Leistungen des ISP, wie auch die Kriterien zur Bewertung dieser Leistungen:

1266/J vom 12.03.2020, "Zuwendungen für politiknahe Organisationen"
2028/J vom 19.05.2020, "Monitoring und Evaluation"
2029/J vom 19.05.2020, "Branchenübliches Overhead"
2457/J vom 22.06.2020, "Studien und Analysen"

Diese Anfragen zitieren Medienberichte über zahlreiche Probleme beim ISP. Missstände zumindest beim ISP sollten Ministerin Tanner also bereits seit spätestens März dieses Jahres bekannt gewesen sein. In den Anfragen vom Mai und Juni werden spezifischer Fragen nach der Evaluierung der Leistungen des ISP und von Vertragspartnern generell gestellt. Die Aussage von Ministerin Tanner in der ZiB, "Das Allerwichtigste war, dass wir sofort reagiert haben," ist in Anbetracht der wiederholten kritischen Anfragen problematisch. Es scheint, dass Informationsflüsse im BMLV an kritischen Synapsen unterbrochen sind. 

Bereits 2018 fragten NEOS nach den Qualifikationen des ISP. Damals antwortete Minister Kunasek, dass er keine Angaben zu den Evaluierungspraxen seines Vorgängers geben könne, als ob im BMLV bei jeder Minister-Übergabe alles institutionelle Vorwissen entsorgt und das Ministerium von Null wieder hochgefahren wird.  

Dass Ministerin Tanner nur wenige Stunden vor einer dramatischen Ankündigung über massive Kürzungen im tatsächlichen Verteidigungsbereich feststellen muss, dass das Verteidigungsministerium über Jahre Millionen an Vereine bezahlt hat, ohne eine klare Idee zu haben, welche Leistungen diese Vereine erbringen, ist Grund zu großer Sorge. Unsere Kasernen sind in marodem Zustand, Fahrzeuge und Treibstoff sind nicht ausreichend vorhanden, einberufene Milizsoldaten müssen sich ihre Ausrüstung ausborgen, während das BMLV Steuergeld für Diskussionsrunden wie "Die historischen Hintergründe und das philosophische Wesen Mitteleuropas" ausgibt, ohne den wirklichen Wert für die Landesverteidigung erklären zu können – und das nach mehrmaliger Nachfrage.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    In Anbetracht der langen Serie an Anfragen betreffend die Leistungen des ISP, worauf bezog sich Ministerin Tanners Aussage am 22.06.2020 dass "dass wir sofort reagiert haben, was das ISP anbelangt"?

2.    Welche Schritte wurden nach Bekanntwerden der Probleme mit dem ISP durch unsere Anfragen von Seiten des Ministeriums getätigt?

a.    Welche Personen innerhalb Ihres Ministeriums hatten Kenntnis über die zahlreichen Anfragen und die aufgezeigten Probleme mit dem ISP?

3.    Welche konkreten Schritte wurden nach Bekanntwerden der Probleme mit dem ISP durch den parlamentarischen Untersuchungausschuss von Seiten des Ministeriums getätigt?

a.    Wurde der Vertrag mit dem ISP gekündigt, oder läuft er bis Vertragsende weiter?

b.    Wenn nicht gekündigt, was genau war die "sofortige Reaktion" des BMLV? 

4.    Werden parlamentarische Anfragen jemals für Behebung von Missständen herangezogen?

a.    Wenn ja, bitte um Beispiele.

b.    Wenn nein, warum nicht? Bitte um eine spezifische Erklärung der Ministerin über ihr Verständnis von parlamentarischer Kontrolle.

5.    Die Evaluierung der Arbeit der Sicherheitsinstitute erfolgte in Reaktion auf Informationen aus dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Was spezifisch hat Ministerin Tanner aus dem Untersuchungsausschuss erfahren, das sie nicht aus den parlamentarischen Anfragen lernen konnte?

6.    Hat Ministerin Tanner Kenntnis von Ereignissen im Ministerium, die auf die Zeit ihrer Vorgänger zurückgehen?

a.    Wenn ja, bitte erklären Sie das Institutional Memory Management im BMLV.

7.    Hat das BMLV jemals eine/n Berater_in für Informationsflussmanagement bestellt?

a.    Wenn nein, gibt es Überlegungen in diese Richtung?

8.    Wie erstellt das Ministerium Reihungen von Prioritäten?

a.    Erklären Sie, wie fünf Sicherheitsinstitute in der Reihung der Prioritäten des BMLV höher gereiht werden konnten als Ausrüstung für die Truppen. 

9.    Wo im BMLV werden Monitoring und Evaluierung erstellt?

a.    Wie ist die Trennung von Monitoring und Evaluierung einerseits, und politischen Prioritäten andererseits gewährleistet?

10. Die nun angekündigten Reformen machen klar, dass die Bundesregierung weiß, dass nicht genug Geld für die Landesverteidigungsaufgabe des Bundesheeres vorhanden ist. Warum wurden in so einer prekären Finanzsituation Nebensächlichkeiten wie beratende Vereine nicht schon lange gestrichen?