2900/J XXVII. GP
Eingelangt am 20.07.2020
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ANFRAGE
des Abgeordneten Kickl
und weiterer Abgeordneter
an die Bundeministerin für Landesverteidigung
betreffend Sebastian Kurz als geheimer Oberbefehlshaber des Bundesheeres
Dass Bundeskanzler Kurz und sein türkises Beraterteam nichts mit dem Österreichischen Bundesheer anzufangen wissen und ohnedies gern „am Rand des demokratischen Modells“ agieren, ist schon länger bekannt.
Klare Worte fand dazu auch der ehemalige Verteidigungsminister Starlinger, der bereits vor der Regierungsbildung ÖVP-Grüne vor Kurz und Kogler als „Totengräber des Bundesheeres“, die nicht nur „massiv die Sicherheit der Bevölkerung, sondern auch Arbeitsplätze gefährden“, warnte. „Wenn der politische Wille für eine ordentliche Ausstattung des Heeres nicht vorhanden sei, sollte man auch den Mut haben, der Bevölkerung die Konsequenzen laut und klar zu sagen. Dann solle aber auch Artikel 79 der Bundesverfassung abgeändert und die militärische Landesverteidigung und damit auch der Schutz für die österreichische Bevölkerung herausgestrichen werden.“[1]
Diese fachkundige Kritik prallte am Kanzler ganz offensichtlich ab. Denn es wird immer deutlicher, dass Kurz im Zuge der Regierungsbildung personelle Vorkehrungen getroffen hat, um seiner Haltung gegenüber dem Bundesheer auch im BMLV zum Durchbruch zu verhelfen. Man könnte den Kanzler angesichts dieser Entwicklungen als den geheimen Oberbefehlshaber des Bundesheeres bezeichnen.
Zentrale Personen in diesem Netzwerk sind:
Dieter Kandlhofer: Der Generalsekretär im BMLV war zuvor Generalsekretär des Bundeskanzlers und gilt als Umsetzer türkiser Machtpläne. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bereits durch einige umstrittene Umfärbemaßnahmen wie beispielsweise bei der Statistik Austria bekannt. Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr Vorwürfe rund um das vom Umweltministerium organisierte Familienfest laut.[2] In seiner bisherigen Tätigkeit hat er unbedingte Loyalität zu Kanzler Kurz erkennen lassen.
Katharina Nehammer: Die Ehefrau des Innenministers gilt – obwohl nur Stellvertreterin – als informelle Kabinettschefin. In ihrer Funktion als strategische Kommunikationsberaterin von Bundesministerin Tanner sorgt sie für die nötige „Message-Control“. Wohl nicht zufällig am 24. Juni 2020 – just an dem Tag, an dem Bundeskanzler Kurz im Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen musste – wurde bekannt, dass Bundesministerin Tanner die Abschaffungspläne des Bundeskanzlers in die Tat umsetzen möchte.
Klaudia Tanner: Die Bundesministerin wird, wie aus dem BMLV zu erfahren ist, von Personen mit militärischem Fach- und Sachverstand weitestgehend abgeschirmt und hauptsächlich von Kandlhofer und Nehammer beraten. Als Schwägerin des wichtigsten Beraters von Sebastian Kurz, Stefan Steiner, ist auch von ihr absolute Loyalität zu den, gegen ein starkes und verteidigungsfähiges Bundesheer gerichteten Plänen der Gruppe um Kanzler Kurz zu erwarten.
Die Vorgangsweise der Kommunikation im Hinblick auf die geplante Abschaffung des Bundesheeres könnte zwar absurder nicht sein, verfolgt wohl aber den klaren Plan, nach dem Innenministerium nun auch das Verteidigungsressort dem türkisen Machtapparat des Bundeskanzleramtes zu unterwerfen.
Zuerst wurden Medienberichte bekannt, wonach es ein Hintergrundgespräch in dem bei Nachtschwärmern überaus beliebten Wiener Café Bendl gegeben hätte. Dort habe anscheinend der Stabschef der Ministerin, Generalmajor Rudolf Striedinger, den Plan, die Streitkräfte nicht mehr für die militärische Landesverteidigung, sondern nur mehr für Assistenzeinsätze, Cyberabwehr und Katastrophenschutz einzusetzen, präsentiert.[3]
Dieses Hintergrundgespräch und die Pläne der Ministerin gehen anscheinend auf ein 12 Seiten kurzes „Visionspapier“ zurück, welches persönlich vom Generalsekretär erstellt wurde.
Ohne jedwede wissenschaftliche, außenpolitische oder verfassungsrechtliche Analyse wird in diesem „Visionspapier“ davon gesprochen, dass ein „konventionell geführter militärischer Angriff“ aus der unmittelbaren Umgebung nicht zu erwarten sei und im Falle eines solchen „der Schutz über den NATO-Verbund auch für Österreich gewährleistet sei“, „die Gefahr von Systemischem Terrorismus“ wäre außerdem als gering einzuschätzen.
Die Ausführungen in diesem Papier widersprechen diametral allem, was Experten in den letzten Jahren erarbeitet haben, und sie widersprechen insbesondere auch dem 2019 von Beamtenminister Starlinger in Auftrag gegebenen „Zustandsbericht“ und den darin enthaltenen Bedrohungsszenarien. Kabinettschef Starlingers war zu diesem Zeitpunkt der bis heute in diesem Amt befindliche Arnold Kammel, was ihm in der ÖVP wohl den Ruf der parteipolitischen Unzuverlässigkeit einbrachte und die oben beschriebenen weiteren „Personalmaßnahmen“ in der Umgebung der Bundesministerin Tanner aus Sicht des Umfelds von Sebastian Kurz dringend erforderlich machten.
Generalsekretär Kandlhofer war es auch, der Medienberichten zufolge verfügte, dass bereits genehmigte und im Realisierungsprogramms 2020-2023 angeführte Ausgaben im Bereich der Neuanschaffung von Ausrüstung und Gerät wie auch Investitionen bei der Instandhaltung von militärischen Liegenschaften, die über eine Million Euro kosten, einer neuerlichen Prüfung durch seine Person unterzogen werden müssen.
Die komplette Außerkraftsetzung eines Realisierungsprogramms per Weisung des Generalsekretärs stellt eine massive, für die Abläufe des Ministeriums vollkommen unübliche Einmischung in die Einsatzfähigkeit des Österreichischen Bundesheeres dar, umso mehr als diese durch einen Generalsekretär ohne militärische Expertise verfügt wird.
Anfang Juli erfolgte seitens der Ministerin durch die Absage der Nachbeschaffung der Saab 105 das endgültige Verlassen des verfassungsrechtlichen Bodens. Die militärische Luftraumüberwachung dient der ständigen Wahrung der Lufthoheit über die Republik Österreich und der Aufrechterhaltung der Souveränität, ein Abgehen davon stellt einen klaren Verfassungsbruch dar.
Während die Architekten dieses Verfassungsbruchs ganz offensichtlich das größte Vertrauen der Bundesministerin Tanner genießen, wird der dem Wohl des Bundesheers verbundene Kabinettschef Kammel schleichend entmachtet. Dass er jüngst zum Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik bestellt wurde, scheint ein Vorbote seines Abschieds aus dem Kabinett zu sein.
Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass Kammel offenbar unter der Federführung von Beamtenminister Starlinger für den schonungslosen Zustandsbericht „Unser Heer 2030“ mitverantwortlich war.
Deshalb dürfte er unter Bundesministerin Tanner nicht nur Kabinettschef, sondern einer Anfragebeantwortung zufolge zugleich auch Büroleiter des Generalsekretärs geworden sein. Was nach zusätzlicher Verantwortung klingt, bringt in Wahrheit jedoch mit sich, dass Kammel dem Generalsekretär weisungsgebunden und damit faktisch entmachtet ist.[4]
Diese Weisungskette widerspricht ausdrücklich der vom Rechnungshof immer wieder empfohlenen strikten Trennung der Aufgaben des Kabinetts gegenüber der Funktion des Generalsekretärs, macht aber deutlich, wie die Interessen des Bundeskanzleramts in den, auf klaren Weisungsketten aufgebauten Bundesheerapparat durchgesetzt werden sollen.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Landesverteidigung folgende
Anfrage
1. Haben Sie oder Ihr Generalsekretär mit dem Bundeskanzler über die Neuausrichtung des Österreichischen Bundesheeres gesprochen?
2. Hat der Bundeskanzler Ihnen oder Ihrem Generalsekretär Vorschläge oder Überlegungen zur Neuausrichtung des Österreichischen Bundesheeres unterbreitet?
3. Haben Sie oder Ihr Generalsekretär mit dem Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG, Thomas Schmid, mit dem Bundesminister für Finanzen, Gernot Blümel, oder Miterbeitern des BMF über die Verwertung von militärischen Liegenschaften in der BIG gesprochen?
a. Wenn ja, mit wem, wann und worüber?
4. Über welche Expertise verfügt Ihr Generalsekretär im Zusammenhang mit außen- und sicherheitspolitischen Fragestellungen und der Beurteilung von globalen Bedrohungslagen?
5. Planen Sie oder Ihr Generalsekretär die Abschaffung des Art 9a der Bundesverfassung?
6. Planen Sie oder Ihr Generalsekretär die Abschaffung der Neutralität?
7. Planen Sie oder Ihr Generalsekretär einen Beitritt zur NATO?
8. Haben Sie oder Ihr Generalsekretär die zuständigen Experten in Ihrem Ressort angewiesen, entsprechende Überlegungen hinsichtlich einer Verfassungsänderung einer Überprüfung zu unterziehen?
9. Welche Weisungsverhältnisse bestehen zwischen Ihrem Kabinett, Kabinettschef, stellvertretender Kabinettschefin, Stabschef, Generalsekretär und Büroleiter des Generalsekretärs?
10. In welchen Belangen ist der Generalsekretär gegenüber dem Kabinettschef weisungsbefugt? Es wird um detaillierte Auflistung ersucht.
11. Ist der Generalsekretär gegenüber dem Kabinettschef in Belangen der Direktion für Sicherheitspolitik weisungsbefugt?
[1] https://www.diepresse.com/5727633/sind-kurz-und-kogler-die-totengraber-des-bundesheers
[2] https://www.bvz.at/in-ausland/oesterreich-umstrittener-umbau-der-statistik-austria-abgesegnet-oesterreich-innenpolitik-statistik-austria-wien-wissenschaft-oesterreich-142759743#
https://www.derstandard.at/story/2000105049308/pilz-firma-von-kurz-ex-generalsekretaer-erhielt-steuergeld
[3] https://www.falter.at/maily/386/264-spielzeugsoldaten?ref=homepage
https://orf.at/stories/3170827/
https://www.derstandard.at/story/2000118267628/entmilitarisierung-der-republik
[4] Anfragebeantwortung des Abgeordneten Kucher 1566/AB vom 19.06.2020 zu 1549/J