2913/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.07.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Starre Arzneimittelpreisbildungssystematik der Sozialversicherung pönalisiert den Patientennutzen von Arzneimittelinnovationen

 

Bei der Aufnahme von Medikamenten in den Erstattungskodex (EKO) der Sozialversicherung findet eine Preisabstufung statt: Arzneispezialitäten, die auf demselben Wirkstoff basieren wie ein bereits erstattungsfähiges Präparat, werden nur bei einem Preisabschlag in den Erstattungskodex aufgenommen.

Die Innovation neuer Präparate besteht allerdings oft in einem besseren Patientennutzen, etwa durch eine bessere Applikationsform, obwohl diese Präparate auf demselben Wirkstoff basieren wie ein älteres Konkurrenzprodukt. Z.B. muss das neue Präparat nur einmal täglich verabreicht werden, während das bereits erstattungsfähige Präparat derselben Wirkstoffbasis zweimal täglich verabreicht werden muss. Oder statt einmal täglich muss das neue Präparat überhaupt nur einmal wöchentlich verabreicht werden. Dieser Umstand des besseren Patientennutzens findet überhaupt keinen Eingang in die Überlegungen betreffend die Aufnahme in den EKO sowie in die Preisbildung. Zwar kann die Sozialversicherung nach § 351c ASVG zur Förderung der Verfügbarkeit eines wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts abweichende Regelungen zur Anwendung bringen. Das kommt aber in den seltensten Fällen zur Anwendung. Auch die Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex (VO-EKO) sieht diesbezüglich vor, Innovationen wie beispielsweise die Darreichungsform eines Produkts und den Nutzen des Patienten mit zu berücksichtigen.

Die Vorgangsweise des Dachverbandes führt zu verzerrenden Effekten: Der Preis, den die Sozialversicherung für das ältere Präparat mit dem geringeren Patientennutzen bezahlt, ist höher als der Preis, der für das neue und für den Patienten komfortablere Präparat bezahlt wird. Der Zusatznutzen für den Patienten bewirkt also einen Preisabschlag. Mit anderen Worten: Der Patientennutzen wird vom Dachverband pönalisiert.

Weil andere Länder in ihrer Preisbildung u.a. auch auf Österreich referenzieren, vergrößert sich die Wirkung solcher Preisabschläge für den Anbieter des Produkts, indem die Abschläge auf den Produktpreis in anderen Ländern negativ durchschlagen. Diese Mechanismen der internationalen Preisbildung (Referenzpreismodelle anderer Länder) führen in der Folge immer wieder dazu, dass Innovationen den Österreicherinnen und Österreichern nicht zur Verfügung stehen (oder erst mit großer zeitlicher Verzögerung), während sie in anderen Ländern der EU sehr wohl erstattet werden.

Aus der Art, wie der Dachverband mit Innovationen bei Präparaten derselben Substanzklasse umgeht, nämlich aus der Pönalisierung der Innovation, ergibt sich folglich, dass sich solche Innovationen im Sinne der Patienten für ein forschendes pharmazeutisches Unternehmen nicht lohnen. Durch diesen Negativanreiz finden in Österreich weniger klinische Studien statt, und pharmazeutische Unternehmen schränken ihre Investitionen in Österreich ein. Damit konterkariert der Dachverband das, was österreichische Minister vorgeben, erreichen zu wollen, nämlich mehr pharmazeutische Forschung und Produktion in Österreich. (*)

 

(*) z.B. https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2020/PK0193/index.shtml und https://www.diepresse.com/5788372/anschober-osterreich-muss-bei-medikashymentenshyversorgung-selbststandig-werden

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Welche Schritte setzen Sie, um innovative Arzneimittelspezialitäten den Patientinnen und Patienten in Österreich zugänglich zu machen, wenn die Innovation im Patientennutzen und nicht im Wirkstoff selbst besteht?

2.    Welche Maßnahmen setzen Sie in der Ausübung Ihrer Aufsicht über den Dachverband, um dessen Bewertung des Patientennutzens zu beeinflussen?

3.    Welche Maßnahmen setzen Sie in der Ausübung Ihrer Aufsicht über den Dachverband, um die Einhaltung der Regeln der VO-EKO hinsichtlich der Berücksichtigung von Innovationen der Darreichungsform und des Patientennutzens sicherzustellen?

4.    Welche Maßnahmen setzen Sie in der Ausübung Ihrer Aufsicht über den Dachverband, wenn der Dachverband diese Regeln der VO-EKO nicht einhält?

5.    Welche Maßnahmen setzen Sie in der Ausübung Ihrer Aufsicht über den Dachverband, damit dieser mit seiner innovationsfeindlichen Preispolitik Ihr persönliches politisches Ziel, mehr Pharmaforschung und -produktion nach Österreich zu holen, nicht konterkariert?

6.    Mit welchen Maßnahmen kompensieren Sie die Innovationsfeindlichkeit der Preispolitik des Dachverbandes, um in Österreich ein vorteilhaftes Umfeld für die Durchführung von klinischen Studien zu schaffen?

7.    Aufwand für die Anfragebeantwortung: 

a.    Wie viele Personen insgesamt waren bei der Anfragebeantwortung involviert?

b.    Wie viele Arbeitsstunden insgesamt fielen für die Anfragebeantwortung an? (Angabe in Halbstunden, z.B. 1,5h)