3055/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.08.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Ungedecktes Pensionsdeckungserfordernis: OeNB Opfer der eigenen Niedrigzinspolitik, der Pensionsprivilegien und der Politik?

 

Wie bereits die Vorgänge rund um die Commerzialbank gezeigt haben, scheint die OeNB-Aufsicht stark von den politischen Besetzungen (§ 23 Nationalbankgesetz, Ernennung der Mitglieder des Generalrates durch die Bundesregierung) beeinträchtigt zu sein, und zwar nach außen und nach innen. Denn neben der offensichtlich sehr selektiven Bankenaufsicht der OeNB hat sich auch bei den OeNB-Pensionsrückstellungen in den letzten Jahren eine Lücke von knapp einer Mrd. Euro aufgetan, ohne dass Gegenmaßnahmen folgten. Gleichzeitig wurden die OeNB-Gewinnausschüttungen an den Bund vom Generalrat weiterhin genehmigt, obwohl dies dem finanziellen Wohl der OeNB klar widerspricht.

Finanzminister weder zur Reform der OeNB-Pensionsprivilegien bereit, noch zur Bildung der erforderlichen Pensionsrückstellungen

Während Finanzminister Pröll in Anfragebeantwortung 5208/AB XXIV. GP (1) bezüglich der OeNB-Pensionsprivilegien Reformbereitschaft durchklingen ließ, hat Finanzminister Blümel in Anfragebeantwortung 517/AB XXVII. GP (2) unmissverständlich klargestellt, dass er zu keinen Reformschritten bereit ist: "Die OeNB ist eine weisungsfreie und unabhängige Institution, weshalb der Bundesminister für Finanzen auch keinerlei Einfluss auf die Effizienz deren Kostensenkungsprogramme hat." Mit Verlaub, Bemühungen oder eine Regierungsvorlage zur Einschränkung der üppigen OeNB-Pensionsprivilegien beeinflussen die Unabhängigkeit der OeNB und ihre Geldpolitik in keinster Weise (*). Andernfalls müsste man nämlich die massive Abschöpfung der OeNB-Gewinne durch den Bund, während die OeNB mit dem Bilden der nötigen Pensionsrückstellungen für das enorme Pensionsdeckungserfordernis (3,0 Mrd. Euro - siehe unten) nicht mehr nachkommt, als Beeinflussung seitens der Regierung bewerten. Es sei auch auf Ex-Finanzminister Müller hingewiesen, der in Anfragebeantwortung 4174/AB XXVI. GP (3) unterstrichen hat: "Der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass das Recht und auch die Pflicht der OeNB, Rückstellungen zu bilden, weiterhin und unabhängig von der Ausschüttungsquote an den Bund besteht." Diesbezüglich besteht Erklärungsbedarf, wieso 2020 der OeNB-Rechnungsabschluss für 2019 genehmigt wurde, bei dem sich der Bund erneut 212,7 Mio. Euro (ohne KÖSt: 65,3 Mio. Euro) zugeordnet hat, obwohl sich die Unterdeckung der nötigen Pensionsrückstellungen mittlerweile bei knapp einer Mrd. Euro liegt. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die OeNB-Verantwortlichen aus Rücksicht auf die Bundesregierung – welche die zehn Mitglieder des Generalrates ernennt – über das ungedeckte Pensionsdeckungserfordernis hinweggeschaut haben, um die Dividende der OeNB an den Bund nicht zu schmälern.

(* nicht berücksichtigt, dass sich dadurch die Geldmenge/Nachfrage der künftigen OeNB-Pensionäre reduzieren würde, was in weiterer Folge negativ auf die künftige Inflation wirken würde)

 

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Niedrigzinsen: Soll-Pensionsrückstellungen übersteigen die Ist-Pensionsrückstellungen mittlerweile außerordentlich stark

Generell lassen sich aus den Geschäftsberichten der Nationalbank besorgniserregende Entwicklungen ablesen. So entwickelten sich die Soll-Pensionsrückstellungen ("Deckungserfordernis") aufgrund des sinkenden Zinsniveaus stark nach oben - 2019: 3,0 Mrd. Euro. Denn je niedriger die Zinsen, desto mehr muss die OeNB selbst für die künftigen Pensionsverpflichtungen beitragen (OeNB-Direktpensionen und leistungsorientierte OeNB-Pensionskassenpensionen). Gleichzeitig konnte die OeNB mit der Dotierung der erforderlichen Pensionsrückstellungen aber nicht mithalten, weshalb 2019 nur 2,1 Mrd. Euro an tatsächlichen Pensionsrückstellungen ("Pensionsreserve") in der OeNB-Bilanz verbucht waren (in der Grafik "Ist-Pensionsrückstellungen" genannt). Die OeNB gibt im Geschäftsbericht 2019 (4) die bedrohliche finanzielle Situation sogar offen zu: "Das zum 31. Dezember 2019 ermittelte versicherungsmathematische Deckungserfordernis beträgt 3.011.885 Tsd EUR und ist durch die Pensionsreserve und durch stille Reserven in Immobilien nicht gedeckt."

 

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Zinskosmetik, um die Soll-Pensionsrückstellungen klein zu halten?

Ungewöhnlich ist in diesem Zusammenhang auch die Berechnung des Rechnungszinses, den die OeNB für die Abzinsung der künftigen Pensionsverpflichtungen zugrunde gelegt hat. Als Referenzzins dient laut den OeNB-Geschäftsberichten ein Zins-Benchmark der "Deutschen Bundesbank" (gemäß § 253 Abs. 2 Deutsches Handelsgesetzbuch). Dieser Referenzzins ist in den letzten Jahren kontinuierlich verfallen (siehe Grafik - gelbe Linie). Trotzdem hat die OeNB ihren Rechnungszins seit 2017 wieder laufend nach oben korrigiert (siehe Grafik: graue Linie). Durch einen höheren Rechnungszins gelingt es der OeNB die Soll-Pensionsrückstellungen (Deckungserfordernis) nicht zu stark steigen zu lassen, während die Bundesregierung ohne Rücksicht auf das ungedeckte Pensionsdeckungserfordernis die OeNB-Gewinne abschöpft. Konkret ging die OeNB bei der Berechnung des Rechnungszinses lt. Geschäftsbericht 2015 folgendermaßen vor: Rechnungszins = Referenzzins abzüglich des 7-Jahresdurchschnitts des "Harmonisierten Verbraucherpreisindex" (HVPI) - siehe Geschäftsbericht 2015, Seite 114 (siehe unten bzw. (5)). Da der 7-Jahresdurchschnitt des HVPI 2017 bzw. 2018 bei etwa 2,0% bzw. 1,8% lag (6), hätte die OeNB eigentlich für 2017 0,84%, 2018 0,56% und 2019 0,40% als Rechnungszins für die Berechnung der Soll-Pensionsrückstellungen (Deckungserfordernis) ansetzen müssen. Das ist aber nicht passiert, stattdessen wurden 1,70%, 1,95% und 2,0% herangezogen. Es liegt nahe, dass diese Vorgangsweise deswegen gewählt wurde, weil höhere Rechnungszinssätze zu niedrigeren Soll-Pensionsrückstellungen führen, was natürlich den Druck auf die OeNB reduziert, zumindest was die Bilanz betrifft.

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OeNB-Geschäftsbericht 2015, Seite 114 (5): "Für die Berechnung des Rechnungszinsfußes wird der gleitende siebenjährige Durchschnitt des – um einen Aufschlag erhöhten – von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssatzes für eine Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve mit einer Restlaufzeit von 15 Jahren unter Berücksichtigung des siebenjährigen Durchschnitts des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für den Euroraum (2015: 1,31 %; 2014: 1,81 %) herangezogen."

 

Quellen:

(1) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_05208/index.shtml

(2) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_00492/index.shtml

(3) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04207/index.shtml

(4) https://www.oenb.at/dam/jcr:8c2dacbd-62e1-4365-8cf7-f446902189b2/GB_2019.pdf

(5) https://www.oenb.at/dam/jcr:bec9b4ef-9789-4294-a849-15a3dc3a45f9/gb_2015.pdf

(6) https://www.oenb.at/isaweb/report.do?report=6.3

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Mit welcher Begründung sind Sie...

a.    ....einerseits nicht dazu bereit, eine entsprechende Regierungsvorlage zur Reduzierung der OeNB-Pensionsprivilegien vorzulegen,

b.    ...aber andererseits auch nicht dazu bereit, für die Bildung der OeNB-Pensionsrückstellungen in Höhe des Deckungserfordernis zu sorgen, bevor der OeNB-Gewinnanteil an den Bund ausgeschüttet wird?

2.    Mit welcher Begründung haben die verantwortlichen OeNB-Gremien gem. NGB (Generalversammlung, Generalrat, Rechnungsprüfer,...) den OeNB-Jahresabschluss freigegeben, der gem. Anfragebeantwortung AB 4174/AB XXVI. GP (Finanzminister Müller) pflichtwidrig keine entsprechend hohe Zuführung zu den Pensionsrückstellungen vorsah, während gleichzeitig Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe an den Bund ausgeschüttet wurden?

3.    Wie politbeeinflusst ist der Generalrat: Gem. Anfragebeantwortung 4174/AB XXVI. GP besteht "das Recht und auch die Pflicht der OeNB, Rückstellungen zu bilden, weiterhin und unabhängig von der Ausschüttungsquote an den Bund":

a.    Mit welcher Begründung genehmigte der Generalrat trotzdem die Jahresabschlüsse 2016 bis 2019, obwohl seit 2016 die Pensionsreserve signifikant unter dem Deckungserfordernis liegen?

b.    Es ist ungewöhnlich, dass der Generalrat die Gewinnausschüttung an den Bund gegenüber der "Pflicht" der OeNB zur Auffüllung der Pensionsreserve vorgezogen hat. Wurde diesbezüglich in den letzten Jahren seitens der Regierung(en) bzw. seitens des BMF Druck auf den Generalrat ausgeübt?

4.    Haben Sie bzw. die Vorgängerregierungen der letzten zehn Jahre bewusst Mitglieder für den Generalrat ernannt, die nur nachrangig am finanziellen Wohl der OeNB interessiert waren/sind und somit die kontinuierlichen OeNB-Gewinnausschüttungen an den Bund nicht gefährd(et)en?

a.    Wenn nein, wie erklären Sie sich das ungedeckte Pensionsdeckungserfordernis in der OeNB?

5.    Wurden Sie von den Staatskommissären darauf hingewiesen, dass das OeNB-Pensionsdeckungserfordernis derzeit um knapp eine Mrd. Euro unterschritten wird?

6.    Wurden Sie von den Mitgliedern des OeNB-Generalrates darauf hingewiesen, dass das OeNB-Pensionsdeckungserfordernis derzeit um knapp eine Mrd. Euro unterschritten wird?

7.    Wurden sie von den Staatskommissären auf die Pflichtverletzung des Generalrates bei der Bildung der notwendigen OeNB-Pensionsrückstellungen, wodurch sich eine Deckungslücke von knapp einer Mrd. Euro ergeben hat, hingewiesen?

a.    Wenn ja, weshalb wurden dennoch nicht die entsprechenden Pensionsrückstellungen gebildet?

b.    Wenn nein, bis wann werden die Staatskommissäre neu besetzt?

8.    Haben Sie die Mitglieder des Generalrates darauf hingewiesen, dass sie bei "schweren Verfehlungen" gem. § 23 NGB abberufen werden können?

a.    Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Wenn ja, weshalb hat der Generalrat die Gewinnausschüttung an den Bund dennoch einer entsprechenden Pensionsrückstellungsbildung vorgezogen?

                                      i. Bis wann wird geprüft, ob diese "schwere Verfehlung" gegenüber dem finanziellen Wohl der OeNB die Abberufung des Generalrates erfordert?

9.    Mit welcher Begründung haben die Staatskommissäre, die Rechnungsprüfer, die Generalversammlung, der Generalrat und das BMF die Erhöhung des OeNB-Rechnungszinses, trotz sinkendem Referenzzins, nicht beanstandet?

10. Mit welcher Strategie sollen in der OeNB die Soll-Pensionsrückstellungen und Ist-Pensionsrückstellungen wieder in Einklang gebracht werden?

11. Welche Informationen liegen Ihnen bzw. den Staatskommissären bezüglich den Nachschussverpflichtungen bei den leistungsorientierten OeNB-Pensionskassenpensionen vor?

a.       Wie hoch waren die jährlichen Nachschussverpflichtungen für die Jahre 2015 bis 2019? Und wie hoch werden diese nach aktuellsten Schätzungen für das Jahr 2020 ausfallen?

12. Effizienterer Verwaltungsvollzug durch Transparenz. Aufwand für die Anfragebeantwortung: 

a.    Wie viele Personen insgesamt waren bei der Anfragebeantwortung involviert?

 

b.    Wie viele Arbeitsstunden insgesamt fielen für die Anfragebeantwortung an? (Angabe in Halbstunden, z.B. 1,5h)

c.    In welchem Ausmaß könnte eine strukturierte, laufende Datenoffenlegung (Transparenz) diesen Aufwand reduzieren? (Angabe in % und/oder Stunden)