3201/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.08.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Folgeanfrage: Stand der Ausarbeitung einer Regierungsvorlage zum Verbot von Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen"

 

Aus der Anfragebeantwortung des Gesundheitsministers Rudolf Anschober vom 08.05.2020 (1259/AB) bezüglich der Ausarbeitung einer Regierungsvorlage, die sog. Konversions- und vergleichbare "reparative Therapieformen" an Minderjährigen per Gesetz verbieten soll, geht hervor, dass er diese als explizit "weder erforderlich noch zweckmäßig" erachte, da es bereits jetzt ausreichende straf-, zivil- und verwaltungsrechtliche Konsequenzen gebe. So gebe es z.B. strafrechtliche Konsequenzen unter dem Aspekt der Körperverletzung (§ 83 ff. StGB), sowie schadenersatzrechtliche Konsequenzen lt. ABGB und einschlägige Berufsgesetze, die unter dem Aspekt des "Arbeitens nach bestem Wissen und Gewissen" vor solchen sog. Therapieformen schützen sollen. Anschober sieht somit der "Intention des Nationalrates" mit dem Informationsschreiben vom 29. Oktober 2019 (BMASGK-92100/0108-IX/A/3/2019) bereits Genüge getan, obwohl er explizit festhält, dass dieses Schreiben keine unmittelbar rechtsverbindliche Wirkung entfaltet.

Hierzu muss klargestellt werden, dass die im Sommer 2019 von der SPÖ initiierte und einstimmig (von SPÖ, ÖVP, FPÖ, NEOS, JETZT) angenommene Entschließung dezidiert die Ausarbeitung einer Regierungsvorlage mit dem Zweck eines Verbots dieser sog. Therapieformen an Minderjährigen fordert und nicht lediglich ein informatives Rundschreiben - die Grünen waren zu dieser Zeit nicht im Nationalrat vertreten und scheinen diesen Beschluss auch nicht zu vertreten. Des Weiteren handelt es sich bei der einstimmigen Entschließung ohnehin um ein auf Minderjährige begrenztes Verbot, Erwachsene würden somit weiterhin von einem Verbot ausgenommen bleiben.

Dass die derzeitige Rechtslage außerdem bei weitem nicht ausreicht, um auch nur Minderjährige zuverlässig vor diesen "Umpolungstherapien" zu schützen, die zu schweren Depressionen bis hin zu Selbstmord führen können, verdeutlicht ein aktueller Bericht zum Thema im Standard.1 Daraus geht hervor, dass sog. Konversions- und vergleichbare "reparative Therapieformen" längst nicht nur innerhalb eines therapeutischen oder anderwertig durch Berufsgesetze abgedeckten Kontexts stattfinden, sondern lt. der Kinder- und Jugendanwaltschaft KJA häufig auch von Laienpredigern christlicher Glaubensgemeinschaften bzw. Seelsorgern durchgeführt würden. Den ca. 300 in Österreich vorhandenen Freikirchen wird hierbei eine gewichtige Rolle zugeschrieben, einige von ihnen bieten z.B. verschiedene Aktivitäten wie Feriencamps für Kinder und Jugendliche an, die auf den ersten Blick nicht religiös erscheinen, bemühen sich um ein junges Image und jugendliche Sprache, vertreten dort teilweise jedoch erzkonservative Ansichten u.a. zu den Themen Sexualität und Familie.2

Nicht nur im Hinblick auf den religiösen Kontext ist die derzeitige Rechtslage in Bezug auf sog. Konversions- und vergleichbare "reparative Therapieformen" nicht ausreichend, auch die etwaigen schadensersatzrechtlichen Konsequenzen schützen nicht vor Schäden durch diese sog. Therapieformen. Schadenersatzansprüche setzen erst im Nachhinein an, wenn es bereits zu spät ist und können ein Verbot daher keinesfalls ersetzen.

Ein weiterer Punkt, der durch die derzeitige Rechtslage nicht gedeckt ist, sind freiwillige sog. Konversionstherapien. Laut Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs würde oft immenser Druck auf Jugendliche ausgeübt werden, sodass diese selbst ihre Sexualität als falsch empfinden und freiwillig an solchen "Therapien" teilnehmen. All diesen Punkten wird die derzeitige Rechtslage nicht gerecht, außerdem hat Deutschland erst im Mai diesen Jahres ein ebensolches Verbot erlassen, trotz Corona und ohne weitere Ausreden. Im Vergleich zu dem in Österreich anvisierten und gescheiterten minimalen ersten Schritt, ein Verbot für Minderjährige zu erlassen, umfasst der deutsche Gesetzesentwurf zusätzlich Erwachsene, die aufgrund eines Willensmangels wie z.B. Zwang, Drohung Täuschung, Irrtum in eine sog. Therapie einwilligten und die nicht ausreichend über die negativen Konsequenzen aufgeklärt wurden. Außerdem erfasst das deutsche Verbot auch das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher sog. Therapien genauso wie jene Personen, die nicht berufsmäßig handeln.3 Während der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn das Verbot als "wichtiges gesellschaftliches Zeichen für alle, die mit ihrer Homosexualität hadern" bezeichnet,4 nennt Gesundheitsminister Anschober ein explizites Verbot einer "Technik" bzw. eines Verfahrens als noch nie dagewesen und als "entsprechende Signalwirkung in viele andere Bereiche der Gesundheitsberufe" - und meint damit offensichtlich kein positives Signal. Die Bezeichnung von sog. Konversionstherapien, in denen einer Person ihre Homosexualität als falsch suggeriert und aberzogen werden soll, lediglich als "Technik" unter Anführungszeichen zu bezeichnen, ist außerdem verharmlosend und wird einem progressiven Gesundheitsminister nicht gerecht.

Es wird deutlich, dass in Österreich noch immer dringender Handlungsbedarf im Bereich von sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" besteht und die einstimmige Entschließung des Nationalrates aus dem Jahr 2019 auch weiterhin und mit Nachdruck eingefordert werden muss, um zumindest für Minderjährige endlich einen zuverlässigen gesetzlichen Schutz vor diesen Therapien zu gewährleisten.

1 https://www.derstandard.at/story/2000118968091/jung-laessig-aber-bitte-nicht-schwul?ref=article

2 https://www.derstandard.de/story/2000117703855/christliche-sexualpaedagogik-und-ihre-netzwerke

3 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/konversionstherapienverbot.html

4 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/konversionstherapienverbot.html

5https://irct.org/media-and-resources/latest-news/article/1027; https://irct.org/uploads/media/(IRCT_version)_Statement_on_Conversion_Therapy.pdf

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Laut ihrer Anfragebeantwortung (1259/AB) sehen Sie keinen weiteren Handlungsbedarf in Bezug auf ein Verbot von sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen", wie es im Sommer 2019 explizit und einstimmig vom Nationalrat gefordert wurde, da Sie die derzeitig existierende Rechtslage als ausreichend in dieser Hinsicht betrachten. Wie gedenken Sie, in jenen, z.B. kirchlich-religiösen Bereichen, die eben nicht durch Berufsgesetze abgedeckt sind, auf die Sie sich in Ihrer AB beziehen, einen präventiven Schutz von Minderjährigen vor solchen sog. Therapieformen zu gewährleisten?

2.    Halten Sie nachträglich wirksame, schadensersatzrechtliche Konsequenzen für ein angemessenes Mittel, um den potentiell massiven und nachhaltigen psychischen und physischen Konsequenzen von sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" zu begegnen?

3.    Wie gehen Sie in Bezug auf ein Verbot von sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" mit Fällen um, in denen Minderjährige mehr oder weniger freiwillig an solchen sog. Therapien teilnehmen?

a.    Gelten diese freiwillig durchgeführten sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" ebenfalls bei derzeitiger Rechtslage bereits als verboten und wenn ja, auf welche gesetzliche Grundlage beziehen Sie sich im Detail?

b.    Wenn nein, was gedenken Sie in der Hinsicht zu tun, um sog. Konversions- und vergleichbare "reparative Therapieformen" zumindest für Minderjährige allumfassend und von vorn herein zu verbieten?

4.    Bitte erläutern Sie Ihre Aussage zur ursprünglichen Frage 2, wonach es "im Übrigen auch das erste Mal [wäre], dass eine "Technik" bzw. ein Verfahren explizit verboten würde, was als entsprechende Signalwirkung in viele andere Bereiche der Gesundheitsberufe ausstrahlen würde."

a.    Halten Sie also ein Verbot von sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" für ein positives oder ein negatives Signal und warum genau?

5.    Mittlerweile hat Deutschland zu ebenjenem Thema einen umfassenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der weit über das in Österreich gesetzte Ziel eines Verbots für Minderjährige hinausgeht. Werden Sie sich diesen Gesetzesentwurf zum Vorbild nehmen, um nun doch auch in Österreich konkrete, umfassende und zeitgemäße gesetzliche Rahmenbedingungen für ein Verbot sog. Konversions- und vergleichbarer "reparativer Therapieformen" zu schaffen?

a.    Wenn ja, wie sieht dieser gesetzliche Rahmen im Detail aus und soll er ebenso umfassend gestaltet sein wie der deutsche Gesetzesentwurf?

b.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Wie bewerten Sie die sehr aktuelle und ausführliche Stellungnahme des Internationalen Reha­bilitations­rats für Folteropfer (IRCT) von April 2020, in der sog. Konversionstherapien als grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlungen bezeichnet werden, die je nach Schweregrad auch als Folter eingestuft werden und in der dezidiert gesetzliche Verbote auf nationaler Ebene gegen diese sog. Therapieformen eingefordert werden?5

a.    Werden Sie diese und andere aktuelle Stellungnahmen von Menschenrechtsorganisationen ernst nehmen und entsprechende Schritte auch in Österreich veranlassen, um ein Verbot von sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" zu erwirken?

b.    Werden Sie es weiterhin ablehnen, einen diesbezüglichen Gesetzesentwurf auch in Österreich anzustoßen und wenn ja, warum?